Interview | Journalistin zur Recherche um Oder-Katastrophe in Polen - "Die Behörden und deren Pressesprecher haben extrem chaotisch gehandelt"

Fr 07.10.22 | 12:08 Uhr
Warum mussten die Oderfische sterben? (21.09.22, 22:15)
Audio: Antenne Brandenburg | 07.10.2022 | Karolina Nurzynska | Bild: rbb/picture alliance/dpa

Seit dem Fischsterben in der Oder wird beiderseits der Grenze nach den Verursachern gesucht. Das hat sich auch die polnische Journalistin Karolina Nurzynska zur Aufgabe gemacht. Befriedigende Antworten von den Behörden gibt es aber kaum.

Anfang August hat die Umwelt-Katastrophe an der Oder für Entsetzen gesorgt. Tausende Fische trieben tot auf dem Grenzfluss. Und auch unzählige Muscheln und andere Weichtiere sind verendet. Deutsche Experten halten die massive Ausbreitung einer giftigen Alge für die wahrscheinlichste Ursache. Deren Wachstum wurde laut eines kürzlich veröffentlichten Berichts durch hohe Salz-Konzentrationen begünstig. Auch andere Giftstoffe vermutlich aus industrieller Einleitung wurden festgestellt.

Die Vorfälle und die Suche nach den Verursachern gingen Deutschland-Weit durch die Presse. Doch auch jenseits der Oder beschäftigen sich polnische Journalistinnen und Journalisten mit der Thematik. Das gestaltet sich allerdings als schwierig, berichtet Karolina Nurzynska. Sie arbeitet für die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza".

rbb|24: Frau Nurzynska, welche Ergebnisse haben Ihre Recherchen bis jetzt in Sachen Oder-Vergiftung gebracht? Und wie verläuft Ihre investigative Arbeit?

Karolina Nurzynska: Die Wasserbehörde "Wody Polskie", die sich mit Gewässer-Kontrollen der Flüsse befasst, hat gemeldet, dass 282 illegale Abwasserleitungen in dem Einzugsgebiet der Oder mündeten. Bei der Polizei sind hingegen nur circa 20 Anzeigen wegen illegalen Abwasserleitungen eingegangen. Mehrere Bewohner aus der Region haben sich an unsere Redaktion gewendet, die behaupten, dass sie selbst Unternehmen hier kennen, die die Quelle der illegalen Abwassereinleitungen seien. Also haben wir untersucht, wie entsprechende Kontrollbehörden auf diese Signale reagiert haben.

Einige Unternehmen wurden ja wegen des Verdachts auf illegale Einleitung in die Oder kontrolliert. Was haben diese Kontrollen ergeben?

Sie haben so gut wie gar nichts ergeben. Höchstens eine Geldbuße von 500 Zloty, also etwa 100 Euro, wurde verhangen. Die Kontrollbehörde, die ganz konkret die illegalen Abwässer bei einem verdächtigen Unternehmen untersuchen sollte, war nur ein einziges Mal dort. Und das war vor drei Jahren. In anderen Fällen haben die zuständigen Behörden die Sache einfach an andere Behörden oder Instanzen delegiert. Die haben aber auch nichts weiter getan. Es ist auch vorgekommen, dass Bürger, die illegale Handlungen bei einem Unternehmen beobachtet hatten, dies auch gemeldet und angezeigt haben. Aber noch bevor die Kontrollen stattgefunden haben, wurden die illegalen Einleitungen schon gestoppt.

Das klingt beinahe so als hätte jemand die Unternehmen vorgewarnt. Ist das der Fall?

Ich würde eher von der Unbeholfenheit oder Unfähigkeit dieser Behörden und Kontrollinstanzen sprechen. Mit uns Journalisten haben eigentlich immer nur die Bürger oder die Bewohner der Region über illegale Vorgänge und die Oder-Vergiftung gesprochen. Die Behörden und deren Pressesprecher haben hingegen extrem chaotisch gehandelt. Auf Informationen von ihnen mussten wir ewig warten. Und als wir diese dann endlich doch bekommen haben, waren sie sehr unvollständig. Wir sind oft hin und her geschickt worden oder wurden an andere Behörden weitergeleitet, die von der Sache noch weniger Ahnung hatten. Antworten auf Fragen, die ich Anfang August gestellt habe, kommen erst jetzt so langsam bei mir an. So sieht es momentan aus.

Vielen Dank für das Gespräch!

Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das Interview führte Magdalena Dercz für Antenne Brandenburg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 07.10.2022, 14:10 Uhr

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