Zwang contra Freiwilligkeit beim Sozialen Jahr - Mehr helfende Hände im Sozialen notwendig

Di 29.11.22 | 12:40 Uhr
  2
Eine Praktikantin liest Kindern während eines Sozialen Tages der Hilfsorganisation Schüler Helfen Leben in einer Kita aus einem Buch vor. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)
Audio: Antenne Brandenburg | 29.11.2022 | KV-Geschäftsführer Klaus Bachmayer | Bild: Sebastian Gollnow/dpa

Den Zusammenhalt zu stärken, sei eine Aufgabe, die sich nicht von selbst erledige, findet der Bundespräsident. Aber ein verpflichtendes Soziales Jahr ist für den Geschäftsführer des größten Ostbrandenburger DRK-Kreisverband nicht undedingt folgerichtig.

Seit mehr als zehn Jahren ist die Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst Geschichte. Ex-Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg war es, der die Wehrpflicht ausgesetzt hat. In der Folge fielen viele helfende Hände als "Zivis" im Sozialen, wie etwa in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, weg. Generell fehlen beispielsweise in der Pflege zehntausende Fachkräfte.

Daher hält Bundespräsident Frank-Walter Steinmeyer an seiner Idee der Sozialen Pflichtzeit fest. Jeder solle im Leben etwas für andere Menschen tun, die ihm fremd sind, ist sein Credo. "Wir brauchen neue Modelle, in denen wir Jung und Alt miteinander ins Gespräch bringen und die Überzeugung einüben, dass wir auch für andere da sein müssen", sagte Steinmeier Anfang November in einem ARD-Interview [www.tagesschau.de]. Sein Vorschlag sei von der Sorge getrieben gewesen, "dass wir Zusammenhalt wieder herstellen müssen", sagte Steinmeier. "Meine Überzeugung bleibt: Das wird schwierig, wenn wir nicht Gelegenheiten schaffen, in denen wir Zusammenhalt einüben."

Steinmeier sieht sich im Zugzwang für den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Juristisch nur schwerlich umsetzbar - das Grundgesetz schützt vor Arbeitszwang - will Steinmeier mangels besserer Idee das Thema dennoch vorantreiben. Auch ist der Bundespräsident mit seinem Vorschlag in der Berliner Politik nur auf wenig Gegenliebe gestoßen.

Steinmeier sei von vorneherein klar gewesen, "dass das keine Idee ist, die von selbst fliegt", räumte er ein. Mit Blick auf Kritik von jungen Menschen machte er klar: "Ich habe es bewusst nicht nur für Jugendliche vorgeschlagen." Auch der Zeitraum müsse aus seiner Sicht nicht ein Jahr betragen.

Fürstenwalder DRK-Chef setzt auf Freiwilligkeit

Über mehr helfende Hände würde sich auch Klaus Bachmayer vom DRK- Kreisverband Märkisch-Oder-Havel-Spree freuen. Sein Kreisverband ist in Ostbrandenburg einer der größten seiner Art. Der Fachkräftemangel in Pflege und Kinderbetreuung sei eklatant, sagt der Geschäftsführer des Kreisverbandes dem rbb. "Ganz früher, als ich mich mal beruflich orientiert habe, gab es den Zivildienst als Alternative zum Militärdienst. Das war dann auch mehr oder weniger pflichtig. Ich selber halte es hier nach Erfahrungen, die wir in unserem recht großen Kreisverband gemacht haben, es für günstiger das auf der freiwilligen Basis zu machen. Am Ende brauch unser Bereich dringend Personal", so Bachmayer.

Jemanden zu zwingen, hält Bachmayer für wenig plausibel. "Ich denke allerdings, dass wenn man sich freiwillig da umtut, dass man dann wesentlich stärker motiviert ist, als wenn so etwa gezwungenermaßen in solchen Bereichen ableistet wird", sagt der Kreisverbands-Geschäftsführer.

Bessere Bezahlung anstatt Zwang

Anstatt auf ein soziales Pflichtjahr zu setzen, sollte das Freiwillige Soziale Jahr(FSJ) besser ausgestattet werden, betonte Bachmayer. "Es müsste besser honoriert werden, dann würde es in die Richtung gehen, dass die Einrichtungen mehr unterstützt werden. Das Know-how haben wir ja, um solche Kräfte zu führen und zu begleiten. Das haben wir im Grunde schon aus Zeiten des Zivildienstes", erklärte er.

Also sollte nach Bachmayers Ansicht mehr Geld für junge Leute zur Verfügung gestellt werden, anstatt ihnen per Zwang ein soziales Jahr aufzuerlegen. So hätten alle Seiten mehr von einem Freiwilligen Sozialen Jahr.

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.11.2022, 07:30 Uhr

Mit Material von Georg-Stefan Russew

2 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 2.

    Kann sich Herr Steinmeyer eigentlich vorstellen, selbst einmal jungen, zwangsverpflichteten Menschen ausgeliefert zu sein, die sich lustlos, ohne nähere Vorkenntnisse oder gar Interesse mit ihm befassen? Ich finde, der Vorschlag zeugt weder von Respekt gegenüber pflegebedürftigen Menschen noch gegenüber ausgebildeten Pflegekräften.

  2. 1.

    Ein soziales Jahr gegen Entschädigung in Höhe einer Ausbildungsvergütung spricht wenig.

    In der Regel sind Schulabgänger ohne Berufsausbildung.

Nächster Artikel