rbb-Podcast "Feld, Wald & Krise" - Folge 4 - Eine Moorpackung fürs Klima

Di 17.05.22 | 15:51 Uhr | Von Fred Pilarski
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Moore sind wahre Kohlenstofffresser. Im Kampf gegen die Klimakrise gelten sie als Hoffnungsträger. In der vierten Folge des rbb-Podcasts "Feld, Wald und Krise - Landschaften im Wandel" lassen sich Fred Pilarski und Andreas Jacob erklären, wie sehr die Brandenburger Moore dem Klima helfen können und was dafür getan wird, nicht nur zur Freude des Tüpfelsumpfhuhns.

Die Wald- und Wiesenlandschaft um die Ragöser Schleuse bei Eberswalde (Barnim) wirkt auf den ersten Blick ganz natürlich, ist aber in den letzten 300 Jahren entscheidend verändert worden. Bevor das Flüsschen Finow hier in ein Kanalbett gezwungen wurde, war die Gegend von dauerfeuchten Moorflächen geprägt, erzählt Prof. Vera Luthardt von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE).

"Was die Anzahl der Moore und die Hektar angeht, ist die Situation bedrückend," sagt die Biologin über die Brandenburger Moore. In den vergangenen 300 Jahren sind rund die Hälfte der märkischen Moore verschwunden. Die Flächen, die noch organische Böden haben, liegen zum großen Teil trocken. Weniger als 4 Prozent davon gelten heute als naturnah und intakt.

Moore – luftdichte Langzeitkonservierung

Um die Landfläche der Erde bis 2100 zur globalen Kohlenstoffsenke zu machen, müssten etwa 60 Prozent der heute trockengelegten Moore in den kommenden Jahren wieder vernässt werden, haben Wissenschaftler des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) errechnet [www.quer-feld-ein.blog].

Prof. Vera Luthardt, HNEE
Prof. Vera Luthardt, Moorexpertin an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung EberswaldeBild: rbb

Auf Mooren wächst mehr Biomasse als abgebaut wird. Und das, weil die Moorböden dauerhaft unter Wasser stehen und arm an Sauerstoff sind. Abgestorbene Pflanzen verrotten kaum und werden zu Torf. Pro Jahr wächst ein Moor im Durchschnitt nur einen Millimeter. Bei manchem Moor ist dieser Prozess aber seit der vergangenen Eiszeit vor etwa 12.000 Jahren in Gange - die Torfschicht ist deshalb viele Meter mächtig.

"Unser Hauptauftrag ist es, dass das, was an Kohlenstoff über 12.000 Jahre nach der letzten Eiszeit in unseren Mooren akkumuliert wurde, liegen bleibt", mahnt Vera Luthardt. Denn sobald ein Moorboden austrocknet, setzt die Verwesung ein, die über lange Zeit unterdrückt wurde. Unmengen an Treibhausgasen gelangen in die Atmosphäre. "Die Humboldt-Uni hat mal ausgerechnet, wie viel Kohlenstoff in unseren Mooren lagert: 188 Millionen Tonnen. Das wäre ein Güterzug, der eineinhalbmal um unsere Erde herumreicht", rechnet Vera Luthardt vor.

Entwässertes Moor im Finowtal
Entwässertes Moor im Finowtal | Bild: rbb

Moorfeind Mensch

Unseren Vorfahren war die Klimawirkung der Moore unbekannt. Die dauerfeuchten Flächen waren für sie Verkehrshindernis, Brennstofflager, Viehfutter. Erst mit trockenlegten Mooren konnten sie etwas anfangen, zum Beispiel Torf abbauen. Der hat einen ähnlichen Brennwert wie Braunkohle. Also buddelten sie Gräben und entwässerten ganze Landstriche. Die DDR wollte die Moore später auch maschinell bewirtschaften, um Viehfutter zu ernten. Damit LKWs und Traktoren nicht im Moor versackten, wurde den Böden noch mehr Wasser abgegraben, "Komplexmelioration" genannt.

Moornutzung neu denken

Für die Landwirtschaft war dies zunächst ein Gewinn. Doch schon wenige Jahrzehnte nach der sogenannten Komplexmelioration in den 1960er und 1970er Jahren waren viele der trockengelegten Flächen abgesackt. Der Aufwand für die Entwässerung stand bald in keinem Verhältnis mehr zu den Erträgen. Dennoch prägte die Erfahrung der Melioration in der DDR eine ganze Generation von Landwirten.

"Ich merke, dass es Landwirten richtig wehtut, wenn sie auf einer Fläche nichts mehr anbauen können", erzählt Dr. Nina Seifert vom Greifswald Moor Centrum (GMC), die bei Angermünde ein Renaturierungsprojekt in der Sernitzer Niederung betreut. Eine Haltung aus Verantwortung für die Ernährung, der die Wissenschaftlerin mit großem Respekt begegnet. Allerdings habe sie als Biologin immer wieder Probleme Gehör zu finden, wenn sie die Vorteile schildert, die sich aus intakten Mooren ergeben. Mit dem Projekt "toMOORow" soll nun ein Musterbeispiel geschaffen werden, wie sich trotz der Wiedervernässung eine wirtschaftliche Nutzung schaffen lässt, etwa mit Wasserbüffeln oder der Herstellung von Dämmmaterialien aus Biomasse. Dabei arbeitet das GMC mit der Umweltstiftung des früheren Versandhaus-Chefs Michael Otto und der Stiftung des Alternativen-Nobelpreis-Trägers Michael Succow zusammen [www.tomoorow.org].

Ein ähnliches Konzept verfolgt auch das Land Brandenburg selbst. Das Agrarministerium investiert 15 Millionen Euro in ein ganzes Bündel von Projekten unter dem Titel "Klimamoor". 20 große Moorflächen sollen bis 2026 nicht nur renaturiert werden. Sie sollen auch für eine landwirtschaftliche Nutzung erschlossen werden, die an hohe Wasserstände angepasst ist [www.klimamoor-brandenburg.de].

"Wasserrückhalt - so viel wie es geht!"

Moore speichern nicht nur Kohlenstoff, sondern sind Lebensraum für hochspezialisierte Tiere und Pflanzen. "Den Seggenrohrsänger gab es früher häufig, seit ungefähr drei Jahren haben wir ihn nicht mehr gehört", berichtet HNEE-Professorin Vera Luthardt.

Außerdem halten Moore Wasser in der Landschaft - ein guter Puffer in Dürrephasen. Und sie gelten als Nieren der Landschaft, weil sie viele Mineralien und Schwermetalle speichern, die in großer Menge Grundwasser, Seen und Flüsse belasten würden.

Für Moorexpertin Vera Luthardt sind die Effekte so gewaltig, dass es für sie nur eine Konsequenz gibt: "Wasserrückhalt, so viel wie es geht in jeder Landschaft! Das wird sich in den Landschaften unterschiedlich darstellen: In der einen Landschaft habe ich noch genug Wasser, sodass ich sie richtig nass bekomme, in einer anderen wird das Wasser nicht mehr ausreichen. Aber trotzdem ist es richtig, jeden Tropfen Wasser, der da kommt, in der Landschaft zu halten und nicht einfach über die Gräben in die Ostsee abfließen zu lassen."

Oderausbau als Gefahr für Moore im Nationalpark

An anderer Stelle geht es darum, bereits erreichte Renaturierungen zu verteidigen. Der Nationalpark Unteres Odertal besteht nördlich von Schwedt zum größten Teil aus Moorflächen, erläutert Nationalparkchef Dirk Treichel. Dafür wurden in den letzten Jahren Polderflächen nicht mehr abgepumpt und Deiche geöffnet, zum Beispiel bei Staffelde. Mit den begonnenen Arbeiten zum Oderausbau auf polnischer Seite sieht Treichel diese Erfolge in Gefahr. "Die Oder ist das Rückgrat der Flussaue. Wenn es zu einem Absinken der Wasserstände kommt durch die Eintiefung des Flusses, dann kommuniziert das auch mit den Wasserständen in der Aue, die abfallen werden."

Bei Mooren seien dabei schon Unterschiede von 10 bis 15 Zentimetern relevant, sagt der Nationalpark-Leiter. Sinkt der Wasserstand so weit unter die Oberfläche, wird der Boden belüftet, und es kommt zur Freisetzung der gebundenen Treibhausgase. Deutsche und polnische Naturschutzverbände sowie das Brandenburger Umweltministerium engagieren sich gegen die Ausbaupläne [www.ardmediathek.de].

Sendung: Antenne Brandenburg, 17.05.2022, 16:40 Uhr

Bild: rbb

Beitrag von Fred Pilarski

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