rbb-Podcast "Feld, Wald & Krise" - Wasser, Wind und Wundermittel

Mi 16.03.22 | 12:03 Uhr | Von Andreas Jacob und Fred Pilarski
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rbb-Podcast "Feld, Wald & Krise" - Folge 2 | Bild: rbb Download (mp3, 33 MB)

Berlin-Brandenburg leidet seit Jahren unter Trockenheit, mit absehbaren Folgen für Landwirtschaft und Wasserversorgung. Die zweite Folge des rbb-Podcasts "Feld, Wald & Krise" beschäftigt sich mit technischen Ideen, dem Wassermangel gegenzusteuern.

Amorphe Silikate sind nicht kristalline Siliziumverbindungen, die in allen Ackerböden stecken und von Pflanzen aufgenommen werden. Sie sorgen für Stabilität in den Zellstrukturen – und haben noch einen weiteren Vorteil: Sie sind in der Lage, große Mengen Wasser an sich zu binden und auch wieder abzugeben. Da die Silikate auf den Ackerböden im Laufe der Jahrzehnte mit den Pflanzen oft entnommen wurden, hat die Wasserspeicherfähigkeit der Böden erheblich nachgelassen.

Dr. Jörg Schaller vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg hat mit seinem Team herausgefunden, dass nur ein Prozent mehr amorphe Silikate im Boden ausreichen würde, um das pflanzenverfügbare Wasser im Boden um 40 Prozent zu steigern.

Amorphe Silikate mit Nebenwirkungen

Eine Erkenntnis, die Euphorie ausgelöst hat: "Landwirtschaftsverbände, Weinbauverbände, einzelne Landwirte wollten sofort wissen, was sie bestellen müssen und wie viel sie ausbringen müssen." Biogeochemiker Schaller beantwortet solche Anfragen mit einem beherzten "Stopp, rufen Sie in 10 Jahren nochmal an."

Denn zunächst müsse eine Nebenwirkung erforscht werden: Die Silikate können im Boden eine chemische Reaktion auslösen, bei der bislang gebundener Phosphor freigesetzt wird. Eigentlich ein wertvoller Nährstoff, der aber in größeren Mengen von den Pflanzen nicht aufgenommen werden kann. Der Phosphor könnte schlimmstenfalls in die Gewässer gespült werden und dort für ungebremstes Algenwachstum sorgen. In diesem Fall würden sich hohe Dosierungen verbieten. Die Forschung geht weiter.

Dr. Jörg Schaller, Leibniz-Zentrum für AgrarlandschaftsforschungDr. Jörg Schaller, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung

Windräder als Wasserschleudern

Clemens Jauch hat eine andere Idee gegen den Wassermangel: Windräder. Der Professor für Windenergietechnik an der Hochschule Flensburg möchte Windräder an Flussmündungen nutzen, um Wasser über die große Rotorfläche zu vernebeln und bei auflandigen Winden als Regen ins Landesinnere zurückzuschicken [hs-flensburg.de]. Warum an Flussmündungen? "Weil genau dort eine Menge Süßwasser vorhanden ist und es niemandem wehtut, wenn man es wegnimmt." Und warum überhaupt Windräder? Weil sie breit sind und hoch, erklärt Jauch: "Die Rotorblätter überstreichen extrem große Flächen in der Luft. Und an der Hälfte der Rotorfläche herrschen Orkanstärke – gigantisch hohe Windgeschwindigkeiten, die perfekt dazu geeignet sind, um Wasser zu verdunsten."

Jauch hat seine Idee mit einem Meteorologen durchgerechnet. Das Ergebnis: Wenn man die Wassermenge, die verdunstet werden muss, auf zwei Windparks in Reihe aufteilt, könnte es mit dem Regen klappen. Die Windräder könnten nicht nur Strom produzieren, sondern auch Waldbrände löschen oder darbende Felder gießen. Zudem entstünde im Windschatten der Propeller ein Kühleffekt, der etwa für Solarparks genutzt werden könnte. Windparkbetreiber fänden die Idee sympathisch, erzählt Jauch, aber "dass der Wasserkreislauf in Schwung gebracht wird, dass Leute Trinkwasser bekommen oder Waldbrände gelöscht werden, das ist alles Gemeinwohl, da wird es nie ein Vergütungsmodell geben, es sei denn, der Staat übernimmt." Zumal die Windräder einen Großteil ihrer erzeugten Energie dafür verwenden müssten, das Wasser in die Höhe zu pumpen.

Wolkenimpfen mit Silberjodid

Um die Feuchtigkeit an anderer Stelle wieder zum Boden zu holen, gibt es seit Jahrzehnten Ideen, zum Beispiel Wolkenimpfen. Impfstoff sind Silberjodid und Aceton. Diese Chemikalien werden von sogenannten Hagelfliegern in Wolken versprüht. Sie wirken als Kondensationskeime: der feine Wassernebel lagert sich an das Silberjodid-Aceton-Gemisch so lange an, bis die entstehenden Tropfen von der Schwerkraft gen Boden gezogen werden – die Wolke regnet ab. Mit dieser Technik wird zum Beispiel der Bildung von Hagel vorgebeugt oder der Himmel über dem Roten Platz in Moskau vor Militärparaden von Wolken befreit.

Für Meteorologe Prof. Uwe Ulbrich von der FU Berlin könnte künstlicher Regen theoretisch funktionieren. In der Praxis aber fehlen ihm Studien und eine Antwort auf die Frage "Wem gehören die Wolken eigentlich?"

"In der Presse war eine Geschichte über Täler in Spanien zu lesen, wo Regenflieger von Landwirten aus einem Tal bestellt worden sind, damit sich die Wolken genau bei ihnen ausregnen. Das hat dazu geführt, dass die Menschen in den benachbarten Tälern gesagt haben: 'Ihr klaut uns den Regen'."

Prof. Clemens Jauch, Hochschule FlensburgProf. Clemens Jauch, Hochschule Flensburg

Natürliche Kreisläufe schonen Boden

Über Brandenburg müsste man allerdings erst einmal genügend nasse Wolken haben, um sie abregnen zu lassen. Und auch die Windrad-Lösung scheint vage: Das Land ist von den Küsten weit entfernt. Die amorphen Silikate als Wasserspeicher, die scheinbar einfach als Dünger in den Boden gebracht werden könnten, haben nach jetzigem Forschungsstand noch das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen.

Zudem müssten sie in einem aufwändigen industriellen Prozess hergestellt werden – womit sich die Frage der Nachhaltigkeit stellt. Die schonendste Art, Silikate in den Ackerboden zu bringen, sind für den Wissenschaftler Schaller Kreisläufe: Wenn etwa Stroh nicht mit der Ernte entnommen, sondern wieder in den Boden eingearbeitet wird.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Artikels war von einer Steigerung der Wasserspeicherfähigkeit des Bodens durch die Silikatdüngung die Rede. Tatsächlich geht es um die Steigerung der Menge des pflanzenverfügbaren Wassers. Wir haben den Fehler korrigiert.

Beitrag von Andreas Jacob und Fred Pilarski

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