Brandenburger Wald - Die Invasion der Borkenkäfer
Bevor es warm wird, müssen Bäume mit Borkenkäfer-Befall gefällt werden. Nach drei Jahren Trockenheit würden viele Bäume eine erneute Invasion der Schädlinge kaum verkraften. Thomas Rautenberg hat Experten auf einem Gang durch den Wald begleitet.
Der Boden in dem Fichtenwald bei Eberswalde (Barnim) wirkt nicht nur trocken, er ist es auch. Dabei hatte es gerade etwas geregnet. Zu spüren ist nichts mehr davon. Matthias Wenk geht voran, schiebt einen trockenen Ast beiseite. Der studierte Forstwissenschaftler arbeitet seit 1992 für den Brandenburger Waldschutz. In den vergangenen drei Jahren ist er vor allem den Borkenkäfern auf der Spur.
Die Fichtenschonung, in der wir unterwegs sind, lichtet sich. Ein Kahlschlag wird sichtbar. Reifenspuren schwerer Forstmaschinen haben den Boden zerfurcht. Dicke Stämme wurden aus dem Wald gezogen. "Wir befinden uns in einem sogenannten Käferloch. Hier hat im vergangenen Jahr der Buchdrucker gewütet", erklärt Wenk. "Der Förster hat hier die Chance genutzt, um 'Sanitärhiebe' zu machen." Dabei seien die schwer befallenen Bäume aus dem Wald geholt worden, um den Neubefall in diesem Frühjahr zu verhindern oder zumindest zu reduzieren, so der Forstwissenschaftler.
Es leiden alle Bäume
Katrin Möller ist mit uns im Wald unterwegs. Die 57-Jährige ist die Leiterin Waldschutz am Landeskompetenzzentrum in Eberswalde. Möller hebt ein Stück Baumrinde auf, in dem der bekannteste Borkenkäfer namens Buchdrucker seinen Abdruck hinterlassen hat: "Wenn man sich die Unterseite der Borke anschaut, dann sieht man dort die Muttergänge. Das sind die tieferen und langen Einkerbungen. Die feineren Gänge, die von dort aus seitlich abgehen, sind die Larvengänge", so Katrin Möller. Zusammen ergeben sie dieses typische Muster. Als die Förster den Käfer vor vielen Jahren entdeckt haben, habe er deshalb den Namen "Buchdrucker" bekommen.
In einem gesunden Wald gehören Bäume und Käfer durchaus zusammen. Wird ein Baum alt und krank, geben die Käfer ihm den Rest und leiten mit dem Totholz die Humus-Bildung ein. Neue Bäume wachsen, der Lebenszyklus des Waldes ist geschlossen.
Doch es leiden alle Bäume, weil es über eine lange Zeit viel zu trocken war. Dann gewinnen die Borkenkäfer plötzlich die Oberhand. Die Population explodiert und Borkenkäfer wie der Buchdrucker können in einem Sommer ganze Waldstücke vernichten, sagt Matthias Wenk. "Man hat anfangs zwei, drei Befallsbäume, denen es nicht gut ging und die nicht vital waren. Die Käfer suchen solche Bäume und können sich dort optimal vermehren." Von dort breite sich der Befall auch auf die umliegenden Bäume aus. "So bekommt man fast kreisrunde Löcher in den Beständen", berichtet der Forstwissenschaftler weiter.
Leichtes Spiel für die Borkenkäfer
Mit dem Befall durch einzelne Borkenkäfer kommen die Bäume schon klar. Der Nadelbaum würde die kunstvoll angelegten Gänge des Borkenkäfers einfach mit Harz verschließen. Eingeharzt wäre für den Käfer und seine Larven Schluss. Laubbäume senden vielfach Duftstoffe aus, die die Käfer abschrecken. Gleichzeitig werden natürliche Gegenspieler, wie einige Wespenarten, angelockt.
Doch Bäume, die leiden, die nicht genug Wasser bekommen, haben ihre Abwehr auf ein Minimum reduziert. Deshalb hätten die Käfer ein leichtes Spiel sich einzunisten, erklärt Katrin Möller: "Das ist inzwischen bei allen Hauptbaumarten das Problem. Wir haben inzwischen drei Dürrejahre gehabt mit den Extremen in 2018/2019. Im letzten Jahr war es auch viel zu trocken. Und dadurch ist der Baum am Limit." Er versuche zu überleben, habe aber nicht mehr die Kraft Abwehrstoffe gegen die Insekten zu bilden. "Er kann beispielsweise kaum noch harzen, um Angriffe abzuwehren", so Möller.
Um den Baumbestand zu retten, müssten die Förster vor allem den Befallsdruck durch den Borkenkäfer senken, sagt Wenk, indem man dem Borkenkäfer zusetzt. "Entscheidend ist, dass man jetzt die Käferpopulation drückt. Dass man die Zahl der Insekten begrenzt. So kann man dann den Befallsdruck auf die geschwächten Bäume senken."
Doch das sei gar nicht so einfach, weil auch die Käferpopulation nicht schlafe: "Ich habe mal geschätzt, dass ein Weibchen über drei bis vier Generationen fast eine Millionen Nachkommen hat", berichtet Wenk weiter.
Jeder vierte Baum hat deutliche Schäden
Nach dem jüngsten Brandenburger Waldzustandsbericht hat jeder vierter Baum inzwischen deutliche Schäden. Die Absterberate für den Gesamtwald liegt bei 1,4 Prozent und damit so hoch wie noch nie zuvor. In den Brandenburger Wäldern haben es vor allem die Eichen und Buchen schwer, mit der andauernden Trockenheit und deren Folgen klarzukommen. Und selbst die anspruchslosen Kiefer leider still vor sich hin - nur noch 15 Prozent der Nadelbäume gelten als gesund.
Viele Möglichkeiten einzugreifen, haben die Förster nicht, jedenfalls nicht auf die Schnelle. Der Waldumbau, der das Grün gegen klimatische Extreme und damit auch Schadinsekten widerstandsfähiger machen soll, dauert Jahre. Der Einsatz von Insektiziden geht, wenn überhaupt, nur als Ultima Ratio. Und ausreichend Regen kann selbst der beste Förster nicht auf Knopfdruck bestellen.
Das Öko-System Wald sei insgesamt durcheinander geraten, erläutert Brandenburgs oberste Waldschützerin Katrin Möller: "Dem Baum geht es durch die anhaltende Trockenheit schlecht. Dann kommen Käfer und Pilze hinzu. 2018 hatten wir auch noch schwere Stürme, bei denen viele Bäume umgefallen sind." Damit gebe es sehr viel geeignetes Brutmaterial für die Insekten. 2018 kamen nach Angaben Möllers noch viele Waldbrände hinzu. An deren Rändern habe es viele vorgeschädigte Bäume gegeben. Außerdem noch extremen Fraß an Nadeln und Blättern. "Das spielt alles zusammen und letztlich haben wir nun in Brandenburg bei allen Hauptbaumarten diese massiven Schäden", so Möller.
Vom nützlichen Tier zum Schaderreger
Nach ein paar hundert Metern Fußweg durch den Wald tut sich die nächste große Lichtung auf: Vor drei Jahren haben hier noch prachtvolle Buchen gestanden. Dann kam das Sturmtief "Xavier" und hat den Wald an einem Nachmittag umgelegt: Knapp vier Hektar gesunder Buchenwald - einfach weg. Einzelne Buchen, die seinerzeit stehen geblieben sind, sehen leidend aus, sie haben viel Totholz in ihren Kronen.
Katrin Möller sucht den Stamm eines Baumes ab und findet bald stecknadelgroße Löcher: "Da ist der Buchen-Borkenkäfer herausgekommen. Der ist nicht mal einen Millimeter groß, kommt häufig aber in sehr großer Zahl vor", berichtet die Expertin. In der älteren Literatur ist dieser Käfer eigentlich als ein Totholz-Besiedler beschrieben. Und das zeige das Problem der Klimaveränderung: "Wir haben es mit Tieren zu tun, die als Totholz-Besiedler eigentlich sehr nützlich sind, die am Ende wertvollen Humus produzieren. Durch die Schwäche der Bäume wird der Käfer plötzlich zu einem Schaderreger, der auch gesunde Bäume befällt und zum Absterben bringt."
Hoffen auf Kälte und Regen
Matthias Wenk nimmt einen Rindenschaber und mit wenigen Bewegungen legt er die Fraßgänge des Buchenprachtkäfers frei. Ein Borkenkäfer, der die Buche befällt: "Hier sieht man, dass er sich im Bastbereich des Baumes befindet. Er ist nicht im Holz, auch nicht in der Rinde selbst. Er lebt genau dazwischen, in dieser feinen, hellbraunen Schicht."
Ob Schwarzer Prachtkäfer, Buchdrucker, Großer Waldgärtner oder auch Kupferstecher - sobald es wärmer wird, würden die Borkenkäfer wieder mobil, sagt Katrin Möller. Wie es in diesem Jahr weiter gehen wird, hänge ganz stark von der Witterung ab. "Wird das zeitige Frühjahr warm und trocken, wird es auch mit den Befallszahlen weiter dramatisch aufwärts gehen. Das Käferpotenzial ist einfach sehr hoch im Moment. Kälte und Regen könnten die Insektenzahl dagegen eindämmen."
Mehr Regen würde vor allem die Bäume widerstandsfähiger machen - gegen die Borkenkäfer und auch gegen andere Schadinsekten, die den Wäldern derzeit zu schaffen machen.
Sendung: Inforadio, 17.04.2021, 09:25 Uhr