Produkte aus der Region - Warum Brandenburger Obstbauern bald in den Melonen-Anbau einsteigen könnten

Der Klimawandel krempelt den Anbau von Obst und Gemüse auch in Brandenburg um. In den Supermärkten könnten künftig nicht nur Äpfel und Heidelbeeren aus der Region erhältlich sein, sondern auch Melonen oder Weintrauben. Von Roberto Jurkschat
Obst und Gemüse aus der Region - im Supermarktregal sind das längst nicht nur Möhren und Äpfel vom heimischen Feld. Der Trend zu regionalen Waren hat in den vergangenen Jahren ein riesiges Sortiment entstehen lassen. Inzwischen sind aus Brandenburg Gemüsesorten erhältlich, die sonst aus südlicheren Ländern kamen, darunter Paprika, Auberginen oder Tomaten. Auch der Klimawandel hinterlässt Spuren auf den Obstplantagen, Brandenburg ist Weinanbauregion und mancherorts experimentieren Obstbauern sogar mit dem Anbau von Melonen.
Selbst Südfrüchte ließen sich in Brandenburger Gewächshäusern ohne Weiteres züchten, sagt Obstbauer Thomas Bröcker aus Frankfurt (Oder) im Gespräch mit rbb|24. Allerdings habe der Anbau exotischer Obst- und Gemüsesorten in der Region einen gewissen Preis: Gewächshäuser müssen beheizt werden - und wegen der Energiekosten würden zum Beispiel Zitrusfrüchte auf vergleichsweise engem Raum nicht genug Ertrag abwerfen, um wirtschaftlich zu sein.
Heidelbeer-Anbau in fünf Jahren mehr als verdoppelt
Limetten aus der Prignitz, Ananas aus dem Havelland oder Bananen aus dem Spreewald werde es in absehbarer Zeit daher nicht in großen Mengen geben. "Mit Blick auf Qualität, Aufwand und Kosten wäre das ein Minusgeschäft. Als Limettenbauer werden Sie in Brandenburg wahrscheinlich auch in zehn Jahren noch kein Geld verdienen", sagt Bröcker.
Realistischer sei, dass Obst- und Gemüsebauern auf Sorten zurückgriffen, die schon jetzt in Brandenburg angebaut werden: Äpfel, Heidelbeeren, Birnen, Kirschen. "Es geht einerseits darum, Sorten zu finden, die besser mit Frost zurechtkommen und andererseits geht es darum, Vorkehrungen gegen klimabedingte Ernteausfälle zu treffen", sagt Bröcker. Möglich sei das unter anderem mit Überdachungen, mit Fleece-Tunneln oder Hagelnetzen, die die Früchte vor Wetterschäden schützen.
Im Jahr 2020 traf das Wetter viele Obstbauern noch sehr unvorbereitet: Das warme Frühjahr hatte Aprikosen, Kischen und Pfirsiche bereits Anfang April in die Blüte getrieben, einen Monat früher als sonst. Ende April sanken die Temperaturen dann aber noch mal ab, in einer Nacht haben manche Wetterstationen Tiefstände von minus sechs Grad gemessen. Für viele Obstbauern ein finanzielles Desaster, weil der Frost die sogenannten Frühblüher so stark beschädigte, dass erhebliche Teile der Ernten ausfielen.
Äpfel aus der Region nur im Winter klimafreundlich
Dass Produkte aus der Region - egal ob Apfel oder Melone, ob Paprika oder Aubergine - klimafreundlicher sind, ist tendenziell schon richtig, allerdings gibt es Ausnahmen, wie auch Andreas Jende vom Gartenbauverband Berlin-Brandenburg sagt. "Im Sommer haben importierte Äpfel eine bessere CO2-Bilanz, weil die kühle Lagerung heimischer Äpfel von Mai bis August mehr Energie verbraucht als der Transport von Äpfeln aus dem Ausland." Äpfel aus der Region seien nur zwischen September und April klimafreundlicher.
Ähnlich ist es, wenn tropische Obst- oder mediterrane Gemüsesorten in Brandenburger Gewächshäusern reifen. Auberginen beispielsweise gedeihen nur, wenn die Umgebungstemperatur nicht unter 15 Grad sinkt. Wenn Betriebe aus der Region dann nicht etwa erneuerbare Energie oder Fernwärme zum Heizen verwenden, kann der CO2-Abdruck regionaler Produkte ebenfalls größer sein als bei importierten Lebensmittel. Obst und Gemüse aus beheizten Gewächshäusern in Brandenburg kann unter Umständen also die klimaschädlichere Wahl sein.
Was im Einzelhandel in den Regalen landet, hängt allerdings von sehr unterschiedlichen Marktfaktoren ab, wie Andreas Jende, der Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Berlin-Brandenburg, rbb|24 erklärt. "Eine Herausforderung ist, dass Obstbauern auf langfristige Planung angewiesen sind und nicht so spontan reagieren können, wenn es im Einzelhandel einen Trend gibt und ganz bestimmte Produkte stärker nachgefragt sind." Betriebe würden Sorten züchten in der Hoffnung, dass sie auch in einigen Jahren noch den Verbrauchergeschmackt treffen.
"Im Moment sind Äpfel beliebt, die knackig, säuerlich und rotschalig sind", so Jende. Die drei Apfelsorten Gala, Elstar, Pinova stünden bei Verbrauchern deshalb hoch im Kurs und hätten süße Sorten wie Golden Delicious inzwischen den Rang abgelaufen.
Frostschutz ein zunehmend wichtiges Thema
Bei der Obstbauversuchsstation in Müncheberg sucht man deshalb vor allem nach Lösungen für die derzeitigen Hauptanbaukulturen in Brandenburg.
Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums waren im Jahr 2020 Äpfel mit 917 Hektar flächenmäßig am stärksten im Land verbreitet, gefolgt von Heidelbeeren (410 Hektar), Süßkirschen (340 Hektar), Sanddorn (330 Hektar) und Pflaumen (120 Hektar).
Tobias Hahn, der Technische Leiter der Versuchsstation sagt im Gespräch mit rbb|24, dass sich die Bedingungen für den Obstbau in Brandenburg gewandelt haben. In zunehmend trockeneren Sommermonaten, aber vor allem zum Schutz gegen Frost sei das Beregnen größerer Plantagen vielerorts nur noch durch den Bau großer Wasserreservoirs möglich. "Beregnung von Obstbäumen war in dieser Region früher gar kein Thema, inzwischen kommt man da nicht wirklich dran vorbei", sagt Hahn. Wegen ihrer Kälteanfälligkeit gelten viele früh blühende Obstsorten inzwischen als Risikosorten. In der Versuchsstation würden aktuell mehr als 1.000 Sorten gezüchtet, ein Teil werde davon auf Klimawandelresistenz getestet.
Der Koordinator der Versuchsstation, Daniel Kaiser, erklärte gegenüber rbb|24, dass sich der Obstanbau in der Region auf lange Sicht schwer vorhersagen lasse. Für Direktvermarkter könnten von den exotischeren Sorten möglicherweise Melonen, Khaki oder Indianerbananen interessant sein.
Thomas Bröcker, der die Waren von seiner Obstwiese bei Frankfurt (Oder) auch in einem Geschäft in Schöneberg anbietet, hat sich bei der Obstproduktion für einen Mix aus verschiedenen Sorten entschieden. Dabei sind Tafeltrauben, Aprikosen, Sauerkirschen, Süßkirschen, Äpfel, Pflaumen, Mirabellen und Birnen. Bröcker sagt, inzwischen seien die Existenzsorgen vieler Obstbauern inzwischen groß. "Das Risiko liegt bei den Produzenten und gegen die Gefahr mancher Wetterereignisse lässt sich kaum vorbeugen. Es ist inzwischen vieles möglich, aber es kann auch sehr viel schiefgehen."