"Waldgebiet des Jahres 2023" - Wie im Choriner Wald neben Forstwirtschaft auch Naturschutz betrieben wird

Fr 28.04.23 | 06:30 Uhr | Von Ivo Ziemann
  8
Archivbild: Finowkanal bei Finowfurt, Brandenburg, Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. (Quelle: imago images/blickwinkel)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 28.04.2023 | Michael Lietz | Bild: imago images/blickwinkel

Der Choriner Wald im Nordosten Brandenburgs ist als "Waldgebiet des Jahres" ausgezeichnet worden. Er wird bewirtschaftet - aber der Erhalt von Natur und das Fitmachen für den Klimawandel spielen eine große Rolle. Von Ivo Ziemann

Gummistiefel sind in diesen Tagen für einen Spaziergang im Choriner Wald unerlässlich: Es hat in diesem Winter viel geregnet, es ist matschig - aber die Förster freut es nach der Trockenheit der vergangenen Jahre.

Rechts und links der Waldwege wachsen riesige Kiefern kerzengerade in die Höhe, wie an vielen Orten in Brandenburg. Im Choriner Wald wachsen die Kiefern jedoch umgeben auch von Buchen, Eichen und Unmengen verschiedener Sträucher. Dieses Bild ist für Brandenburg nicht selbstverständlich - und das Ergebnis jahrelanger Arbeit von Generationen von Förstern.

Vor Jahrzehnten mit Kiefern aufgeforstet

Um 1800 war das Gebiet rund um das Kloster Chorin fast vollständig entwaldet. Dann wurde wiederaufgeforstet, mit Kiefern als schnellwachsenden Nutzpflanze. Vor etwa 100 Jahren dominierte im Choriner Wald diese das Waldbild.

Doch inzwischen arbeiten die Förster kontinuierlich am Waldumbau. Das Ziel: mehr Vielfalt. "Eine einzelne Baumart birgt immer ein großes Risiko", sagt Revierförster Dietmar Discher. "Wenn die von Insekten befallen wird, hat man gleich einen großen Flächenschaden."

Mehr Stabilität durch mehr Diversität

Viele verschiedene Baumarten, sagt Discher, sorgen für eine gewisse Stabilität. Laubbäume etwa werfen teils mehr Schatten und tragen dazu bei, dass mehr Feuchtigkeit gespeichert bleibt. Das sei besonders wichtig, wenn die Sommer in Brandenburg durch den Klimawandel weiterhin heiß und trocken blieben, sagt Discher. Er als Revierförster ist für die Bewirtschaftung des Waldes zuständig, aber auch, den Wald gesund zu halten. Er sucht die Bäume aus, die gefällt werden können - und bestimmt, wo welche Bäume neu gepflanzt werden.

Forschungsinteressen einst wirtschaftlich

Im Choriner Wald wird aber auch richtig daran geforscht, wie die Brandenburger Wälder in Zukunft bestehen können. Schon 1871 wurden mit Gründung der "Hauptstation für das forstliche Versuchswesen" in Eberswalde Flächen geschaffen, die Erkenntnisse liefern sollen, wie verschiedene Baumarten mit unterschiedlichen Bedingungen zurechtkommen. Einzelne abgegrenzte Areale beherbergen hier vornehmlich Kiefern, andere wiederum Laubbäume.

Bei der frühen Forschung sei es jedoch vor allem um den Holzertrag gegangen, erklärt Jan Engel vom Landeskompetenzzentrum Forst. "Jetzt haben wir aber eine gesamtökologische Sichtweise." Dabei gehe es beispielweise auch um die Fragen rund um Totholz, also wie abgestorbenes Holz im Wald verbleibt. "Die Entwicklung des Waldbodens unter verschiedenen Bedingungen oder die Vegetation sind weitere Themen." Dabei werde auch eng mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde zusammengearbeitet. Regelmäßig gebe es von dort Exkursionen, neue Forschungsansätze oder Publikationen, die sich mit dem Choriner Wald befassen.

Die Natur einfach machen lassen

Abseits der Versuchsflächen überlassen die Förster die Veränderungen im Wald auch der Natur: durch die Verbreitung von Samen. "Welche Baumarten sich durchsetzen, wissen wir nicht, wir lassen die Natur einfach machen", beschreibt Eberhard Luft, Leiter der Landeswaldoberförsterei Chorin die Idee des natürlichen Waldumbaus. Große Hoffnungen ruhen zurzeit auf der Buche: ein Baum, der besonders gut mit schwierigen klimatischen Bedingungen klarkommt. Überall im Unterholz des Choriner Waldes sind viele kleine Schösslinge dieser Baumart zu sehen. Für sie, sagt Eberhard Luft, müssten die Förster dann nur noch die richtigen Rahmenbedingungen schaffen - wie ausreichend Licht.

Dass der Natur freien Lauf gelassen wird, zeigt sich im Choriner Wald auch an anderer Stelle. Rund um Tümpel, Waldseen und Moore finden inzwischen seltene Arten wie der Schwarzstorch und die Schellente einen Lebensraum. Ohne die natürlichen Bedingungen, die hier in den letzten Jahrzehnten entstanden sind, hätten diese sich wohl nicht angesiedelt.

Archivbild: Der trockengefallene Nettelgraben bei Kloster Chorin Amtssee. (Quelle: imago images/K. Weiss)
Bild: imago images/K. Weiss

Und dennoch: Der Choriner Wald war, ist und bleibt auch ein Wirtschaftswald. Das zeigen die Holzstapel an den Waldwegen und das belegt der Krach, den die Rückemaschine macht, die die gefällten Bäume aus bestimmten Bereichen des Waldes holt. Die Oberförsterei in Chorin ist dafür verantwortlich zu sagen, welcher Baum gefällt wird und verkauft das geerntete Holz an Sägewerke oder andere Firmen.

Bewirtschaftung - aber so schonend wie möglich

Kahlschlag von Flächen gibt es jedoch nicht mehr. Bei der Bewirtschaftung und dem Fällen wird inzwischen auch stark darauf geachtet, dass Mikrohabitate erhalten bleiben: Höhlen, Bäume mit Löchern oder Rissen, Wasserstellen in und an Bäumen - also Orte, in denen Tiere leben oder ihren Laich ablegen. Bevor im Choriner Wald ein Baum gefällt werde, hätten die Förster ganz genau auf diese Mini-Lebensräume zu achten, sagt Jan Engel vom Landeskompetenzzentrum Forst in Eberswalde.

Gearbeitet wird zwar mit großen Maschinen wie Harvestern, also Holzernte-Maschinen, aber auch die hätten ihre Vorteile, sagt Engel. "Auf einem Getreidefeld ist auch niemand mehr mit einer Sense unterwegs und diese Technik hier kann auch schonend arbeiten", erklärt der Forstwirt. mit moderner Technik könnten die Baumstämme akkurater gefällt werden. "Ein Baum, der mit so einer Maschine gefällt wird, knallt nicht einfach so auf den Boden."

Der Bund deutscher Forstleute hat den Choriner Wald für die besonders nachhaltige und naturnahe Bewirtschaftung in diesem Jahr als "Waldgebiet des Jahres" ausgezeichnet [bdf-online.de]. Der Wald sei ein "Vorbild für den Umbau anderer Waldregionen in ganz Deutschland". Es ist das erste Brandenburger Waldgebiet, das diese Auszeichnung erhält.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.04.2023, 7 Uhr

8 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 8.

    Das Umfeld des Waldes wird wie immer außer acht gelassen! Hat jemand schon Mal daran gedacht, Waldrand zu stabilisieren oder erst Mal aufzubauen, um Windruhe im Wald zu erreichen! Es ist der Wind, der die Waldböden austrocknet! Und dem Wald in Windrichtung Ost/Süd sogenannte Windschutzstreifen vorzulagern, hat niemand auf dem Schirm, genauso wie das verschließen der Entwässerungsgräben in unseren Wäldern!Man muss lernen, über den Waldrand darüber hinaus zu sehen!! Ein sächs.Waldbesitzer.,

  2. 7.

    So einfach ist das nicht.
    Im Wort Forstwirtschaft steckt Wirtschaft drin. Wir alle brauchen Holz nicht nur im Wald sondern überall in unserer Umgebung. Am meisten da wo kaum Bäume wachsen, in den Städten.
    Die Forste und Wälder in einer der baumreichsten Regionen Deutschlands zukunftsfähig zu machen ist eine Mehrgenerationenaufgabe. Warum so lange?
    Erkundigen Sie sich wer das Wort Nachhaltigkeit erfunden hat. Und auch wann.
    Ich sehe in fast allen Forsten und Wäldern Bemühungen der Anpassung.

  3. 6.

    Stimmt nicht ganz, weil die Natur an sich auch schon verdammt kaputt ist. Beispielsweise die sog." spanische Wegschnecke" , die alles niedermäht, was ihr in den Weg kommt, ist wahrscheinlich gar nicht aus Spanien sondern eine Mutation aufgrund von Pestiziden..wer weiß, vielleicht auch durch Gentechnik??? Da hilft dann nur Gemüse geschützt im luftdichten Plastiktunnel!!

  4. 5.

    "Der beste Naturschutz ist, den Wald einfach in Ruhe zu lassen." Für Wald stimmt das sicher. Aber das ist kein Wald, sonder Forst: "Um 1800 war das Gebiet rund um das Kloster Chorin fast vollständig entwaldet. Dann wurde wiederaufgeforstet, mit Kiefern als schnellwachsenden Nutzpflanze." Wenn man aus den Forstflächen überall wieder Wald machen will - wäre ökologisch sicher super - dann muß man aber auch klären, woher der hohe Holzbedarf in Deutschland gedeckt werden soll.

  5. 4.

    Forstwirtschaft, beschäftigt sich mit dem wirtschaftlichen Anbau, der Pflege und der Nutzung von Wäldern zur Erzeugung von Holz und anderen forstlichen Produkten. Neben diesen produktionsgebundenen Aspekten sind auch die Schutz- und zunehmend die Erholungsfunktionen des Waldes. Naturschutz und Forstwirtschaft gehören zusammen, aber irgendwo muss ja auch das benötigte Holz herkommen. Es gibt eine Holzbauoffensive, Holz wächst nach. Soll das holz nur aus dem Ausland kommen? Viel illegal eingeschlagenes Holz kommt aus den Naturwäldern zum Beispiel Rumäniens und anderswo her. Wald nur in Ruhe zu lassen, klappt auch nicht. Die Menschen wollen in die Natur, hinterlassen Müll und sind für Waldbrände verantwortlich.

  6. 3.

    Der beste Naturschutz ist, den Wald einfach in Ruhe zu lassen.

  7. 2.

    "Um 1800 war das Gebiet rund um das Kloster Chorin fast vollständig entwaldet. ... Schon 1871 wurden mit Gründung der "Hauptstation für das forstliche Versuchswesen" in Eberswalde Flächen geschaffen, die Erkenntnisse liefern sollen, wie verschiedene Baumarten mit unterschiedlichen Bedingungen zurechtkommen." Das zeigt auch die Zeitskalen, die für den erfolgreichen Umbau von Wald- und Fortgebieten notwendig sind, das geht halt nicht in wenigen Legislaturperioden.

  8. 1.

    Neben Forstwirtschaft wird auch Naturschutz betrieben? Genau so kommt mir das auch vor. Der Naturschutz ist in der Forstwirtschaft zum schrumpfenden Nebengeschäft geworden. So darf es aber nicht sein. Es scheint aber schon so verfestigt, dass keiner mehr merkt, wie unsinnig und fachfalsch die Überschrift ist. Forstwirtschaft muss in erster Linie Naturschutz sein. Das ist unsere Natur! Und wenn die Wälder halbwegs wiederhergestellt sind (mit Wildtieren), dann schauen wir mal nach den monetären und sonstigen Vorteilen. Aber in erster Linie muss der Wald seine natürlichen Funktionen wieder erfüllen können. Im Übrigen ist das auch sehr wirksam gegen den vielbeschworenen Klimaschutz.

Nächster Artikel

Bild in groß
Bildunterschrift