Fragen und Antworten - Warum in Brandenburg der Impfstart missglückt ist

Fr 26.02.21 | 20:26 Uhr | Von Oliver Noffke
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Impfzentrum Eberswalde (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Bild: dpa/Patrick Pleul

Nirgendwo im Land wird derzeit so zaghaft geimpft wie in Brandenburg. Jetzt rächt sich, dass Senioren selbst Termine ausmachen mussten. Dass immer noch Zehntausende von ihnen noch immer keinen Termin haben, bringt weitere Probleme. Von Oliver Noffke

Wo steht die Brandenburger Impfkampagne gegen die Corona-Pandemie?

In Brandenburg haben laut Robert-Koch-Institut bislang 173.387 Menschen eine erste Impfung gegen Covid-19 erhalten [Stand: 25. Februar, rki.de]. Das entspricht 3,9 Prozent der Bevölkerung. In keinem anderen Bundesland ist dieser Wert niedriger.

Etwas besser steht Brandenburg da, wenn man auf die Zahl der Menschen blickt, die bereits eine zweite Impfung haben und damit die volle Schutzwirkung der Impfmittel genießen. Auf 74.118 Menschen trifft das in Brandenburg derzeit zu. Das sind 2,9 Prozent der Bevölkerung. Den Spitzenwert hat hier Rheinland-Pfalz inne mit 3,3 Prozent.

Was diese Zahlen nicht zeigen, ist, wer eigentlich geimpft wurde.

Wie wurde priorisiert?

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, Menschen über 80 Jahren zuerst ein Angebot zum Impfen zu machen. Ältere haben ein besonders hohes Risiko für schwere oder tödliche Verläufe von Covid-19 und leiden zudem öfter an Vorerkrankungen. Je älter Menschen bei einer Corona-Infektion sind, desto höher ist die Gefahr, dass sie intensivmedizinisch versorgt werden müssen – und damit die Gefahr, dass Krankenhäuser überlastet werden. Es hat also Sinn, älteren und anderweitig besonders gefährdeten Personen zuerst ein Impfangebot zu machen.

Menschen über 80 stehen auch in der Brandenburger Priorisierungsliste an erster Stelle [brandenburg-impft.de]. Dass sie tatsächlich die höchste Priorität genießen, gibt allerdings keine Statistik wieder. In der täglichen Impfstatistik des RKI wird auch angegeben, nach welcher Indikation (aus welchem Grund) eine Impfung verabreicht wurde. Das Alter war in Brandenburg nur in etwa 40 Prozent der Fälle ausschlaggebend. Im benachbarten Berlin wurde es in mehr als 70 Prozent der Impfungen als vorwiegender Grund angegeben.

Diese Zahlen haben einen kleinen Makel, denn sie können auch Mehrfachnennungen enthalten. Neben dem Alter stehen auch der Beruf, medizinische Indikation (Vorerkrankung) oder das Pflegeheim als Wohnort zur Auswahl. Es ist also durchaus möglich, dass eine Person geimpft wurde, weil sie Ärztin ist und an einer Vorerkrankung leidet. Es ist allerding unrealistisch, dass jemand eine Impfung erhalten hat, weil er in einem Beruf mit erhöhtem Risiko arbeitet und gleichzeitig über 90 Jahre alt ist. Stellt man die Indikation nach Alter allen anderen Indikationen gegenüber, wird deshalb deutlich, dass in Brandenburg ein Missverhältnis vorliegt.

Welche Versäumnisse gab es in der Organisation?

Die ZDF-Satiresendung "Heute-Show" hat vor Kurzem die Anmeldung zum Impftermin mit einer Spielshow verglichen. Zuerst sollten die Kandidaten eine App herunterladen, um die Nummer einer Hotline zu erfahren. Mit ihren Wählscheibentelefonen hatten die teilnehmenden Senioren dabei so ihre Probleme. In Brandenburg wird bei solchen Witzen sicher vielen das Lachen vergehen. Es scheint zu real.

Die Entscheidung, Termine per Hotline auzumachen, hat sich aus mehreren Gründen als eine sehr schlechte herausgestellt. Zu allererst ist das nicht sonderlich praktikabel. Endlos Zeit in Warteschleifen zu verbringen, sollte älteren Menschen nicht zugemutet werden. Auch die nun mögliche Online-Terminvergabe ist für viele Senioren eine unüberwindbare Hürde.

Das Flächenland Brandenburg ist gegenüber dichter besiedelten Regionen klar im Nachteil. Als die Arena Treptow als erstes Impfzentrum Berlins eröffnete, war das sicher nicht ideal gelegen für Menschen aus Buch oder Wannsee. Dennoch war es erreichbar. In Brandenburg wurden zuerst in Potsdam und Cottbus Impfzentren eröffnet. Für Menschen aus der Uckermark oder der Prignitz bedeutet dies stundenlange Anfahrten. Praktisch ist das nicht.

In Berlin wurde per Brief zum Impfen eingeladen, beginnend mit Menschen ab 90 Jahren. Dies ermöglichte einen kontrollierten Start der Impfkampagne und ein gezieltes Ansprechen, besonders gefährdeter Menschen. Wenn - wie in Brandenburg - die Bevölkerung selbst dazu aufgerufen wird, sich Termine zu besorgen, ist der Ansturm hingegen kaum zu steuern. Überlastungen sind dann unvermeidbar. Ebenso wie gähnende Leere an anderen Tagen. Die Diskussionen über Orte, an denen sich erstmal die Verwaltungsangestellten impfen ließen, haben obendrauf zu viel Frust geführt.

Zu welchen Problemen hat das alles geführt?

Die sogenannte "Alterspyramide" erscheint in Brandenburg eher wie ein Pilz [statistik-berlin-brandenburg.de]. Es gibt entsprechend besonders viele Menschen, die schon allein aufgrund ihres Alters zu einem schweren Infektionsverlauf neigen - mit den entsprechenden Auswirkungen auf Krankenhäuser. Wie viel höher der Nutzen ist, ältere Menschen früh zu impfen, um tödliche Verläufe zu verhindern, hat rbb|24 Anfang der Woche in einer Datenanalyse gezeigt.

Das Versäumnis, zu Beginn nicht unbedingt nur die Ältesten zu immunisieren, kann Brandenburg momentan kaum aufholen. Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind nicht in der erhofften Menge verfügbar; der Impfstoff von Astrazeneca, der dritte bereits in der EU zugelassene gegen Covid-19, darf in Deutschland jedoch nur an 18- bis 64-Jährige verabreicht werden. Zumindest vorerst.

In Berlin, wo bislang mit stärkerem Blick auf das Alter Impfangebote vergeben wurden, kann man derzeit etwas gelassener auf Lieferengpässe einzelner Pharmazeuten reagieren. Wenn die älteren Menschen bereits durch sind, muss nicht mehr zwangsläufig ein Termin im Impfzentrum abgesagt werden. Sollte ein Mittel knapp sein, kann Jüngeren ein anderes als Ersatz angeboten werden.

Was wird nun unternommen?

Am Freitag teilte das Gesundheitsminsiterium mit, dass an 17.000 Brandenburger über 85 Jahren eine Einladung zu einem Impftermin per Post gegangen ist. In der kommenden Woche sollen weitere 35.000 solcher Briefe verschickt werden, um die Terminvergabe zu entzerren. "Aus unseren Erfahrungen mit der Terminvergabe Anfang Januar haben wir gelernt", sagte Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) dazu. Das ist ein erster Schritt, um zumindest die älteren Personen von der zermürbenden Wartezeit der vergangenen Wochen zu befreien.

Außerdem soll ab kommender Woche ein Impfbeauftragter die weitere Koordination im Land übernehmen. Er hat einiges zu tun, damit Brandenburg die hinteren Plätze beim Impftempo verlassen kann.

Sendung: Brandenburg aktuell, 26.02.2021, 19.30 Uhr

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71 Kommentare

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  1. 71.

    Ich hatte versucht eine Zusammenfassung der aktuellen Probleme und des ursächlichen Versagens zu geben. Bei nüchterner Betrachtung ist es eigentlich nur die logische Fortsetzung der Politik vom Anfang der Pandemie.

    Der knappe und für Alte und Kranke vorgesehene mRNA wurde großzügig an Junge und Gesunde sowie Politiker, Verwaltungen und Funktionäre verschenkt. Der Impfprozess wurde nicht geführt sondern dem Selbstlauf überlassen. Es gab nicht einen Moment, wo ich etwas ähnliches wie Vertrauen entwickeln konnte.

    Und jetzt kriegen die wirklich Kranken, wie z. B. COPD (mit halber Lunge) den AZ mit geringerem Schutzfaktor. Man hat in Southafrica AZ gestoppt, da er vor den neuesten Mutationen, die bereits Eigenschaften aller bekannten vereinen, nicht schützt.
    Es ist naiv zu glauben, dass wir es nur mit der englischen Mutante tun haben werden. Das ist wie am Anfang wo sich von den Entscheidern keiner Gedanken machte, denn "Wuhan ist weit". Fehler wiederholen sich, leider.

  2. 70.

    Es ist schon seit der gesamten Zeit der Pandemie erkennbar, dass die Landesregierung und insbesondere Nonnemacher, mit der Situation total überfordet sind. Sicherlich ist es eine neue Situation, dass bestreitet niemand, aber dermaßen viele Fehler kann man nicht machen.
    Coronaverstöße werden nicht geahndet, eine parlamentarische Anfrage am Ende der ersten Welle, wie man während der Lockerung die Risikogruppen schützen will, wird nicht beantwortet, eine Konzeption zum Schutz derselben hat BB heute noch nicht, Kinder waren mal Überträger (nach der Schulung bei Fr Merkel) und eine Woche später nicht mehr (Kitas und Schulen auf/zu), Pendler dito und jetzt das Theater mit dem Impfen. Man macht Callcenter obwohl alle sagen geht nicht, mRNA wird wie ein Weihnachtsgeschenk verteilt und jetzt kriegen die wirklich Kranken AZ mit geringenem Schutzfaktor, auch vor den neuesten Mutationen. Diese Frau sollte wegen jedem Toten zur Verantwortung gezogen werden. Rücktritt ist zu harmlos.

  3. 68.

    Viele Bürger sind aber nun der Meinung, dass es so gewollt gewesen war. Meinen sie etwa, dass man eher geschludert hat ? In welchem EU-Land hat man es ebenso wie in Brandenburg gemacht ? SERBIEN ist Europaimpfweltmeister ! Wie viele Menschen sind in Schweden, Australien oder Neuseeland an covid gestorben ? Man muss alles im Zusammenhang betrachten. Einlullen geht nicht. Ministerin Nonnenmacher ist auch nur ein Rad im schadhaften Getriebe.

  4. 67.

    " traut sich nicht ins Khs - "

    wegen einer Cataract Op= grauer Star muß heute allgem niemand ins Krankenhaus . Es gibt genügend Praxen, die diese Op ambulant ausführen ,auch mit Anästhesieassistenz , Dauer alles in allem, also mit Vorbereitung, max 1 Std , der Eingriff selbst ca 10-15 min. Danach Augenverband und nach Hause . Kontrolle am Folgetag

  5. 66.

    Hallo Alex ich stimme in allem voll zu es klappt im Land brandenburg gar nichts was das impfen betrifft also danke Frau nonnemacher !!!!!!

  6. 64.

    AstreZeneca
    Großimpftag für Lehrer und Erzieher
    27. Februar 2021, 12:32 Uhr
    Gesundheit - Burg (bei Magdeburg)
    https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/gesundheit-burg-bei-magdeburg-lehrkraefte-und-erzieher-grosse-beteiligung-bei-impf-aktion-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210227-99-616979
    SO GEHTS AUCH:-)

  7. 63.

    Es wäre auch schön, wenn die Medien hier mal richtig Druck auf die Regierung machen würden.
    Immerhin könnten mit den Impfstoffen Zehntausende Menschenleben und Hunderttausende Arbeitsplätze gerettet werden.
    Offenkundig sieht man aus ideologischen Gründen überhaupt keinen Bedarf, bei anderen Staaten um Hilfe zu bitten.
    Gesundheit dann wohl doch nicht so wichtig, wie immer erzählt wird???

  8. 61.

    Da müßte jetzt eine Uni "anspringen" und für diesen so dringend benötigten Neuberuf ein Hochschulstudium anbieten. Völlig neue Perspektiven Regierungs-und Ämterarbeit zu beschleunigen.

  9. 60.

    Liebe Paula, vielen Dank für den Hinweis.
    Leider muss er auf Grund des Gesundheitszustandes im Khs bleiben.
    Also heisst es leider warten.
    Mit 72 kann das dauern in Brandenburg.

  10. 59.

    Nachdem klar war, dass die Bestellung der Impfstoffe über die EU laufen soll und Biontech ziemlich teuer war, haben wohl einige EU -Länder nach Verhandlungen doch wieder einen Rückzieher vom Rückzug gemacht und wollten nun doch ihren Länderanteil über die EU beziehen. Daraufhin hat Fr.Merkel wohl eingelenkt und Impfstoffanteile an andere Länder verteilt- aber lesen Sie selbst. Überschrift ziemlich reißerisch und der Artikel ist von Anf. Jan. Das alles betrifft auch in der Konsquenz alle Bundesländer und nicht allein Brandenburg:
    "Impfstoff-Verhandlungen
    Brisanter Medienbericht: Deutsche Regierung soll 70 Millionen Corona-Impfdosen freiwillig weggegeben haben"
    Aktualisiert: 09.01.21 - 07:03
    https://www.merkur.de/welt/corona-impfstoff-angela-merkel-deutschland-biontech-spahn-impfdosen-eu-strategie-90161026.html

  11. 58.

    Ich weiß nicht,ob es Ihnen bzw. Ihrem Mann weiterhilft.
    2019 hatte ich meine beiden Augenop's ( gr.Star)
    aber ambulant und konnte somit eine Std. nach dem jeweiligen Eingriff abgeholt werden. Hatte Glück,dass wir damals keine Pandemie hatten aber ambulant würde sich doch jetzt vllt. erst Recht anbieten. Weiß nicht,ob das bei allen Patienten möglich ist ( ich war damals 63) aber nachfragen lohnt vllt.
    Kann Augenarzt Dr. Vogel Kaiserdamm 5, 14057 Berlin
    nur empfehlen,die Op. führt er in den Röumen in der Reichsstr. durch.
    Ich drücke die Daumen,dass es trotz Pandemie trotzdem so risikoarm wie möglich klappt.
    Leider werden die Senioren ,die mit dem impfen dran sind, nicht mal bei stationärem Aufenthalt geimpft,wie z.B. im Humboldtkrankenhaus - moch vor Ausbruch von Corona ,sondern einfach so Nachhause geschickt - in Quarantäne. Für mich völlig unverständlich.

  12. 57.

    Die von den Grünen geführten Ministerien und ganz besonders das Gesundheitsministerium agieren in ihrer eigenen Welt. Gegenüber dem wirklichen Leben im Land Brandenburg, vom dem sie bezahlt werden, fehlt jeglicher Realitätsbezug. Es ist beängstigend wie hier mit dem Leben der Menschen umgegangen wird.

  13. 56.

    Seh ich leider auch so.. Die Sache soll möglichst lang am köcheln gelassen werden.. Ich Hoff das war jetzt nicht zu kritisch Liebe rbb Redaktion.. Mal ein Lob.. Ihr macht einen guten Job..

  14. 55.

    Es ist wenig tröstlich, wenn ich von meinen Eltern berichte und dass es dort nicht wirklich besser läuft. Meine Mutter musste nun für eine geplante OP, die aber nicht bis 2025 aufschiebbar ist (sie ist 82), ins KH zur Vorbesprechung, dann CT, dann wieder 2 Termine Besprechungen, dann OP. Das zieht sich gottlob so lang hin, dass ich es inzwischen geschafft habe, sie und meinen Vater fürs Impfen anzumelden, aber allein fürs Taxi organisieren habe ich mehrere Stunden gebraucht und unzählige Telefonate. Das geht aber nun seit Anfang des Jahres so! Ich kann mich echt nebenberuflich Vollzeit als "Organisator zum Ausgleich der Regierungsschwächen" selbständig machen! Es ist zum Erbrechen! Und zwar im Strahl.

    Wünsche allen weiterhin starke Nerven und gute Gesundheit.

  15. 54.

    #Prenzlauer, auf Einkaufstour ist gut. Erstmal muß z.B. vom Innenminister die polnische Grenze erkundet werden...
    Von der EU werden auch nur "westliche" Impfmittel in die Entscheidungen einbezogen. Die Indischen, russischen und chinesischen Impfmittel werden einfach nicht zur Kenntnis genommen. Obwohl mittlerweile Millionen oder Milliarden damit geimpft wurden. Informationen über die Wirksamkeut und Nebenwirkungen gibt es, zumindest offiziell , kaum. Würden diese Mittel aber nichts bringen und Nebenwirkungen auftreten, würde dieses bestimmt mit großem Getöse verbreitet werden.
    Könnte es sein, daß zu Gunsten der westlichen Pharmaindustrie Alternativen ausgeschlossen werden? Sicherung der Profite vor schnellerer Durchimpfung?

  16. 53.

    Wann tritt Frau Nonnemacher endlich zurück? Brandenburg hat ja komplett versagt was das Impfen angeht. Wo ist denn der Impfstoff eigentlich gelandet, den das Land bekommen hat???????

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