Zwölf Abgeordnete - Das sind die Brandenburger Neuen im Bundestag

Fr 15.10.21 | 18:08 Uhr | Von Oliver Soos
Ein Handwerker montiert neue Sitze im Bundestag. (Quelle: dpa/AP/Markus Schreiber)
Video: Brandenburg Aktuell | 15.10.2021 | Ismahan Alboga | Bild: dpa/AP/Markus Schreiber

Die Brandenburger Parteienverbände schicken insgesamt zwölf Neulinge in den Bundestag. Darunter sind eine Fußballschiedsrichterin, ein Diplomat, ein Bürgermeister und ein Soldat, der vom MAD als rechtsextrem eingestuft wird. Von Oliver Soos

SPD - Maja Wallstein aus Cottbus

Die 35-jährige Maja Wallstein ist eine, die polarisiert. Bei manchen Brandenburger SPD-Genossen spürt man ein Naserümpfen, wenn sie über sie sprechen. Maja Wallstein soll Biss haben, hoch hinaus wollen und manchmal auch anecken. Als Vize-Landesvorsitzende der Brandenburger Jusos sorgte sie 2012 für Schlagzeilen, als sie den Rücktritt der damaligen SPD-Wissenschaftsministerin Sabine Kunst forderte, wegen einer geplanten Hochschulfusion. Seitdem hat sie in der SPD den Spitznamen "Maja Krawallstein". "Mittlerweile trage ich diesen Spitznamen mit einem gewissen Stolz, weil er für mich für Politik mit Rückgrat steht", sagt Wallstein.

Im Wahlkampf wanderte sie rund 450 Kilometer zu Fuß durch ihren Wahlkreis Cottbus/Spree-Neiße, mit Bollerwagen und zum Teil auch mit ihrem Baby in der Tragetasche. Das Direktmandat gewann sie dann ganz knapp gegen ihren AfD-Konkurrenten Daniel Münschke, auch weil Linke und Grüne ihre Wähler aufforderten, die Erststimme Maja Wallstein zu geben, um ein Direktmandat für die AfD zu verhindern.

Maja Wallstein (Quelle: rbb/Ismahan Alboga)
| Bild: rbb/Ismahan Alboga

Der Lausitz im Bund Gehör verschaffen

Von Beruf ist Wallstein Wissenschaftsmanagerin. Ihre Freizeit verbringt sie auf dem Fußballplatz, als Schiedsrichterin in der Regionalliga der Frauen und der Landesklasse der Männer. Im Bundestag würde sie gerne die Themen Forschung und Wissenschaft bearbeiten und der Lausitz "Gehör" verschaffen. "Diese Region muss mitgedacht werden. Lebensleistungen müssen anerkannt und Ungleichheiten müssen beseitigt werden", sagt Wallstein. Sie sei für die Beibehaltung des Kohlekompromisses und gegen einen Ausstieg vor dem Jahr 2038.

Maja Wallstein unterstreicht das ihr nachgesagte große Selbstbewusstsein mit einer bemerkenswerten Aussage für einen Bundestagsneuling. "Das erste, was ich im Bundestag angehen werde, ist, mich in Stellung zu bringen. Wenn es um die Ausarbeitung des Koalitionsvertrags geht, werde ich sicherlich über verschiedene Netzwerke meine Wege und Mittel finden, meine Inhalte zu platzieren - das auf jeden Fall", sagt Wallstein.

CDU - Knut Abraham aus Dubro (Elbe-Elster)

Mit etwas mehr Demut geht der 55-jährige gebürtige Hamburger, Knut Abraham, an die neue Aufgabe Bundestagsmandat heran. Immerhin hat seine CDU die Wahl krachend verloren. Er ist als Viertplatzierter auf der Landesliste gerade noch so in den Bundestag hineingerutscht. Mitte Oktober hat er drei Tage auf dem Landgut Stober in Nauen verbracht, zusammen mit rund 40 Neulingen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie wurden unter anderem von Fraktionschef Ralph Brinkhaus und dem Chef des Bundeskanzleramts Helge Braun gecoacht, was Bundespolitik bedeutet, wie man gute Reden hält und sich organisatorisch aufstellen muss.

Abraham habe das als sehr hilfreich empfunden, doch das Treffen habe für ihn auch einen anderen interessanten Aspekt gehabt. "Ich bin der einzige Neuling aus Brandenburg. Die Kollegen aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen kannten sich jeweils schon und saßen schon zusammen am Tisch und da habe ich mich dann dazugesetzt und auch Kontakte geknüpft", erzählt Abraham.

Knut Abraham (Quelle: rbb/Oliver Soost)
| Bild: rbb/Oliver Soost

Als Diplomat führt man aus, als Politiker bestimmt man

Während der Tagung sei schon auf den Fluren darüber gesprochen worden, wer welchen Ausschuss besetzen könnte. Abraham würde sich gerne um die Themen EU- und Außenpolitik kümmern, denn er habe als Diplomat schon in den deutschen Botschaften in Washington, Helsinki, Sofia und Warschau gearbeitet. "Als Gesandter in Warschau habe ich loyal das ausgeführt, was mir von Berlin vorgegeben wurde. Als Politiker kann man die Inhalte selbst bestimmen, wenn man nicht gerade in die Opposition gewählt wurde", sagt Abraham.

In der Brandenburger CDU mögen ihn viele, weil er immer Energie und gute Laune versprühe, heißt es. Und vermutlich auch, weil er als Politikneuling nie in die erbitterten Machtkämpfe innerhalb der Brandenburger CDU verwickelt war.

Friedhelm Boginski, Bürgermeister Eberswalde (Quelle: privat)

FDP - Friedhelm Boginski aus Eberswalde

Die Bundestagskandidatur des 66-jährigen Friedhelm Boginski war für viele Eberswalder eine große Überraschung. Warum wird ihr Bürgermeister, der 15 Jahre lang die Stadt im Landkreis Barnim gestaltet hat, im Rentenalter noch einmal Hinterbänkler im Bundestag? Boginski beantwortet die Frage so: "Ich will weiter gestalten und mit dabei sein und hatte einfach Lust darauf. Und ich kann eine Menge Erfahrungen mit einbringen, auch mit meinem Background als Lehrer und Schulleiter." Boginski würde dementsprechend am liebsten den Bildungsausschuss für die FDP besetzen.

Er freue sich, dass eine Ampelkoalition in Aussicht ist, denn diese Konstellation stehe für einen "neuen Schwung" in Deutschland. "Wir sind alle angetreten, weil wir gesagt haben, so wie es ist, kann es nicht bleiben und wir müssen was verändern", sagt Boginski. Einer, der ihn schon seit vielen Jahren kennt, ist da etwas skeptisch.

Weitere "Neue" aus Brandenburg im Bundestag

SPD:
- Wiebke Papenbrock, Referentin BPA, vorher im Büro von zwei SPD-MdB, Listenplatz 12, wohnt in Neuruppin

- Ariane Fäscher, Pressesprecherin Stadtverwaltung Hohen Neuendorf

- Simona Koß, 2014-2019 MdL, Schulrätin FF, zuletzt Nachrückerin für Ortwin Baier im Landtag

- Sonja Eichwede, Richterin, 33 Jahre, Mitarbeiterin der Vizepräsidentin Dagmar Ziegler

- Matthias Papendieck, IT-Fachmann, Betriebsrat, aus Schöneiche

- Hannes Walter, Betriebswirt im Familienbetrieb, lebt in der Niederlausitz

Linke:

- Christian Görke, Ex-Finanzminister, Ex-Vize-MP

B'90/Grüne

- Michael Kellner, Partei-Bundesgeschäftsführer, Wahlkampfchef der Partei

"Die Jungen laufen schneller, aber die Älteren kennen Abkürzungen"

Sebastian Walter ist Linken-Fraktionschef im Brandenburger Landtag und in der Eberswalder Stadtverordnetenversammlung. Er findet, Boginski sei kein schlechter Bürgermeister gewesen und habe ohne Frage seinen Anteil an der guten Entwicklung der Stadt gehabt. Doch dabei sei er eher als Verwalter und nicht unbedingt als Politiker in Erscheinung getreten.

"Boginski ist Konflikten gerne aus dem Weg gegangen, mit dem Hinweis, er sei als Bürgermeister kein Politiker. Da bin ich gespannt, wie er sich in seine neue Rolle im Bundestag einfinden wird", sagt Walter. Der 31-jährige Linken-Politiker erzählt von einem Spruch, den er immer wieder von seinem Bürgermeister gesagt bekommen habe: "Die Jungen laufen zwar schneller, aber die Älteren kennen die Abkürzungen."

AfD - Hannes Gnauck aus Prenzlau

Der 30-jährige Hannes Gnauck hat die volle Unterstützung seiner Partei, auch wenn er einer ihrer radikalsten Kandidaten war. Er zog auf Platz fünf der AfD-Landesliste in den Bundestag ein. Seine Wahlkampfreden waren oft gespickt mit Kampfansagen. "Es wird Zeit, dass im deutschen Bundestag gelüftet und einmal durchgefegt wird und dass die Deutschland-Abschaffer aus den Büros verschwinden", sagte Gnauck bei einer Rede in Oranienburg. Im Interview mit dem rbb erklärt er, dass zur Abschaffung Deutschlands die Corona-Maßnahmen gehören würden und die "Diffamierung" ihrer Kritiker als "Verschwörungsanhänger".

Außerdem findet Gnauck, dass der deutsche Sozialstaat zu einem "Selbstbedienungsladen, in den die ganze Welt einmarschieren kann", verkommen sei. Bei solchen Aussagen handelt es sich eindeutig um rechtsextreme Parolen, erklärt der Rechtsextremismus-Forscher des Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam, Christoph Schulze. "Hannes Gnauck ist für uns eindeutig ein Rechtsextremist. Er gehörte zum Umfeld des ehemaligen Brandenburger AfD-Vorsitzenden Andreas Kalbitz und zeigte sich im Wahlkampf mit Björn Höcke. Außerdem war er Autor bei der rechtsextremen Zeitschrift 'Compact', war für die rechtsextreme Kampagnenorganisation 'Ein Prozent' aktiv und stellte sich als Gesprächspartner für die 'Gegenuni', ein Online-Weiterbildungsformat der rechtsextremen Identitären Bewegung zur Verfügung", sagt Schulze.

Hannes Gnauck (Quelle: rbb/Oliver Soost)

Vom Militärischen Abschirmdienst als Extremist eingestuft

Hannes Gnauck spricht von "Bürgerbewegungen", deren Stimme er im Parlament sein wolle. "Ich bin kein Freund davon, sich an die Altparteien anzubiedern. Wir dürfen nicht zu einer CDU oder FPD 2.0 verkommen und uns als Juniorpartner in irgendeine Koalition drängen lassen. Wir sind ja mit unserem Kurs, den wir hier im Osten fahren, sehr erfolgreich", sagt Gnauck.

Der gebürtige Prenzlauer ist Oberfeldwebel und war für die Bundeswehr in Afghanistan. Seit 2020 darf er seine Uniform allerdings nicht mehr tragen und seine Kaserne nur nach Aufforderung betreten. Denn der Militärische Abschirmdienst der Bundeswehr (MAD) hat ihn als Extremisten eingestuft. Gnauck sagt, es liege nur an seinen Mitgliedschaften beim AfD-Landesverband Brandenburg und bei der Jungen Alternative. Beide Organisationen werden vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Verdachtsfälle geführt. Der MAD wollte sich auf rbb-Nachfrage nicht zu den Details äußern. Die Ermittlungen könnten nun vier Jahre ruhen, solange Gnauck Bundestagsabgeordneter ist.

Sendung: Inforadio, 15.10.2021, 07:09 Uhr

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