Interview: Martin Patzelt - CDU-Bundestagsabgeordneter - Das Rentensystem wird so in Zukunft nicht mehr funktionieren

Mo 11.11.19 | 15:15 Uhr | Von Stefan Kunze
Martin Patzelt (CDU)
Bild: dpa/Patrick Pleul

Der Kompromiss zur Grundrente hilft vor allem Ostdeutschen, da besteht weitgehend Einigkeit bei CDU- und SPD-Politikern in Brandenburg. Doch der CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Patzelt sagt: Auf Dauer funktioniere das Rentensystem so  nicht. Von Stefan Kunze    

rbb|24: Herr Patzelt, nach langem Ringen gibt es nun einen Kompromiss bei der Grundrente. War der aus Ihrer Sicht überfällig?

Martin Patzelt: Überfällig ja, weil so viele Menschen auf die Entscheidung gewartet haben, andererseits war es wirklich eine schwere Geburt, weil die Aufassungen einander so diametral gegenüber standen. Und ich persönlich habe auch gesagt, wir müssen einen guten Kompromiss finden und der jetzt gefundenen Kompromiss ist der, den ich von Anfang an für gangbar gehalten habe: Vermögen bleibt unangetastet, Einkünfte werden berechnet. 

Warum gefällt Ihnen diese Berechnungsgrundlage besser? Es bleiben ja diejenigen, die vielleicht viel Vermögen haben und trotzdem Grundrente beziehen?

 Weil die Kuh vom Eis ist. Mir liegt daran, dass die Koalition erhalten bleibt. Wir haben gut gearbeitet, wir haben noch viel vor, es würde keinem im Land geholfen sein, wenn das jetzt auseinander bricht. Zum anderen, weil ich auch immer schon beobachtet habe, wie schwer ältere Menschen davon betroffen sind, wenn sie an ihr Sparbuch müssen, welches sie sich für das Alter aufgehoben haben, wenn sie das alles vorzeigen müssen, wenn ihr Haus mit Hypotheken belastet wird, wenn sie eine Aufstockung ihrer nicht ausreichenden Rente bekommen. Das ist damit jetzt alles vom Tisch.
Ich habe zwar große Bedenken, weil wieder einmal das Prinzip zerstört wird, dass die Rente sich danach richtet, was jemand eingezahlt hat. Jetzt greift der Staat mit Gesetzen ein, aber das werden wir an anderen Stellen auch noch erleben; und wir haben es schon erlebt, zum Beispiel bei der Mütterrente, dass nicht erbrachte Leistungen trotzdem zu einer erhöhten Rente führen, wenn andere Faktoren auschlaggebend sind. Ich trete jedenfalls rückhaltslos am Dienstag Nachmittag in der Fraktion dafür ein, dass dieser Kompromiss auch durchgesetzt wird.

Wird es so einfach sein, den Kompromiss in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Dienstag durchzusetzen?

Nach den vorherigen Diskussionen in der Fraktion scheint es schwer zu sein, aber Mehrheiten waren da noch nicht auszumachen von dieser und von jener Seite. Ich denke, dass die Vernunft uns dann wieder zusammenbringt und das ist ja auch ein Kennzeichen unserer Fraktion bisher immer gewesen, zum Schluss haben wir uns zusammengerappelt. Ich jedenfalls werde so argumentieren.

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke sagte, dass von dieser Regelung vor allem ostdeutsche profitieren werden. Teilen Sie seine Einschätzung?

Ich kenne den Vergleich der Niedrigrenten zwischen Ost und West nicht. Ich weiß, dass es im Westen sehr viele Frauen gibt, die nicht berufstätig waren, weil sie ihre Kinder betreut haben, zum Teil auch länger nicht in Tagesstätten betreuen ließen, und dadurch nur ein Gehalt da war. Ich weiß nicht, wie hoch deren Rente ist, aber wenn wir das Einkommen insgesamt anrechnen, zählt ja auch die Rente des Mannes oder gegebenfalls sein Einkommen.
Ich kann es nicht beurteilen, ich glaube aber viele Frauen aus dem Osten werden tatsächlich Nutznießerinnen davon sein. Ich weiß das aus der Verwandtschaft, meine eigene Frau hätte bzw. hat eine Rente bekommen, da hätte sie eine Aufstockung bekommen, aber weil ich gutsituiert bin, braucht sie die nicht, da sind wir beide überzeugt. Da muss man ein bisschen Gerechtigkeit widerfahren lassen: Also wer genug zum Leben hat, der muss nicht noch vom Rentengeld oder vom Steuergeld etwas draufbekommen. Aber wer zu wenig hat, der soll sich nicht in langen Antragsverfahren befinden und sich dabei noch nackig machen müssen vor Grundsicherungsämtern.

Ein weitere Aspekt ist, dass es in Ostbrandenburg bzw. Ostdeutschland sehr viele Geringverdiener gibt, weil sie Niedriglöhne beziehen. Das wird sich auf deren künftigen Rentenzahlungen auswirken. Glauben Sie, dass dieser gefundenen Grundrentenkompromiss für diese künftige Rentengenerationen dann ausreicht?

Wir werden an der Rentenzahlung noch weitergehend arbeiten müssen. Es ist jetzt schon klar, dass das Rentensystem so in Zukunft nicht mehr funktionieren wird. Wir werden vielleicht mit einer Steuerrente umgehen müssen, also einer Rente, die aus Steuergeldern bezahlt wird, wir werden das ganze System umstellen müssen.
Bisher sind wir mit unserem Rentensystem gut gefahren und wir müssen gucken, dass wir das auch erhalten; unsere Rentenkomission ist dabei, Vorschläge zu erarbeiten und durchzurechnen. Da werden noch erhebliche Veränderungen kommen, auch wirtschaftlicher Art und unser Aufkommen an Steuereinnahmen wird auch noch einmal ganz neu angeguckt werden müssen.
Aber ich finde, dass wir im Moment denen zur Seite stehen müssen, die ihre Perspektive im Leben ganz anders gesehen haben und die auch durch die deutsche Einheit in einer viel schwereren Weise belastet wurden und werden, und dass wir für eine bestimmte Zeit jetzt erst einmal diesen Menschen helfen. Das ist ja nicht nur die Entwürdigung, dass man im Amt um Hilfe bittet, sondern dass ich mein Vermögen, mein Sparbuch hinlegen muss und dass davon dann Rente mitbezahlt werden muss. Das entfällt jetzt mit der Grundrente und darüber bin ich eigentlich dankbar.    

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Stefan Kunze für Antenne Brandenburg.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.11.2019, 15.10 Uhr

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