Interview | Geschäftsführende des polnischen Kosmetik-Konzerns "Dr. Irena Eris" - "Wir werden zukünftig nicht mehr von der Grenze sprechen"

Do 26.11.20 | 16:00 Uhr
Geschäftsführer des Kosmetik-Unternehmens Irena Eris und Henryk Orfinger in Polen
Bild: Tony Schönberg/rbb

Vom Zwei-Personen-Betrieb im sozialistischen Polen zur internationalen Kosmetik-Marke: Mit 40 Jahren Erfahrung blicken Irena Eris und Henryk Orfinger als Gast-Redner an der Frankfurter Europauniversität Viadrina auf die deutsch-polnischen Wirtschaftsverhältnisse.

In der polnischen Wirtschaft sind sie Superstars, in Deutschland so gut wie unbekannt. Anfang der 80er-Jahre gründete das Unternehmerpaar Irena Eris und Henryk Orfinger in der Nähe von Warschau unter sozialistischer Herrschaft ein Kosmetik-Imperium mit Pflegeprodukten, Hotels und Salons. 30 Millionen Produkten verkauft der Konzern jedes Jahr in 60 Ländern der Welt und ist das einzige nicht-französische der 84 Unternehmen, dass neben Playern wie Chanel, Lancôme oder Dior in die exklusive Luxusmarken-Vereinigung Comité Colbert aufgenommen wurde.

Am Donnerstag haben die beiden Unternehmer an der Europauniversität Viadrina in Frankfurt (Oder) von ihren Erfahrungen berichtet.

rbb|24: Warum ist Ihre Firma in Deutschland so unbekannt?

Henryk Orfinger: Wir entwickeln uns langsam, aber sehr bewusst. Das ist kein Zufall. Wir suchen uns die Vertriebspartner in dem jeweiligen Land, und das muss sehr gut überlegt werden. Wir haben vor, uns auch in Deutschland weiter zu entwickeln. Aber das ist ein großer Schritt, der sehr gut vorbereitet sein muss.

Irena Eris: Wir haben unsere Marke vor allem in die Nische der Luxusgüter etabliert. Bei uns geht es nicht um Masse, sondern um Qualität. Und die Verbindung zum Comité Colbert wird uns helfen auch auf den deutschen Markt zu kommen. Jetzt haben wir auch eine Kooperation mit Douglas.

Wie sehen Sie das Verhältnis der deutschen und polnischen Wirtschaft?

Irena Eris: Aus polnischer Sicht sehe ich, dass die deutsche und polnische Wirtschaft zusammengewachsen sind. Es ist eigentlich schon ein gebundenes Wirtschaftssystem. Wenn die deutsche Wirtschaft wächst, wächst auch die polnische. Von daher ist das ein Organismus, der auch weiterhin zusammenwächst. Wirtschaft ist eine Sache, Politik eine andere. Die Wirtschaft steht und fällt auf eigenen Wegen.

Ich denke, dass die Wirtschafts- und Businessmenschen auf gleicher Augenhöhe sind, denn sie haben dieselben Ziele, Träume, Ideen und Herausforderungen.

Henryk Orfinger: Allerdings gibt es in beiden Ländern nach wie vor unterschiedliche Lebensstandards. Der deutsche Lebensstandard ist viel höher als in Polen. Das ist zu beobachten und jeder weiß davon. Wichtig ist aber, ob man vor Ort ist, sich austauscht und ob man Kontakte pflegt. Damit können Vorurteile und Stereotype abgebaut werden.

Wie sehen Sie denn zukünftig den deutsch-polnischen Wirtschaftsraum?

Irena Eris: Ich glaube, dass die deutsch-polnischen Beziehungen hier an der Grenze immer enger sein und dass wir uns immer mehr kennenlernen werden. Die Kontakte werden enger und wir werden zukünftig nicht mehr von "der Grenze" sprechen. Vielleicht wird das in unserer Vorstellung eine Region. Und wenn wir uns besser kennen, haben wir keine Vorurteile mehr Kontakte zu knüpfen. Das ist sowohl für die Region als auch für die großen deutsch-polnischen Beziehung - auch politisch - sehr wichtig.

Henryk Orfinger: Die Universität hier an der Grenze spielt im Alltag eine enorme Rolle. Ich wusste nichts von der Viadrina, aber in Warschau ist sie sehr bekannt. Und als ich mich mit dem Thema beschäftigt habe, habe ich festgestellt, wie wichtig eine solche Plattform für den alltäglichen Umgang ist, dass man sich versteht und zusammenlebt.

Frau Eris, Sie sind Chefin eines international erfolgreichen Unternehmens. Wie sehen Sie das Ansehen der Frau in der polnischen Wirtschaft?

Irena Eris: Die Stellung der Frau im polnischen Wirtschaftsleben ist ziemlich stark. Natürlich könnte noch mehr geschehen. So müssen wir weiter an den Rahmenbedingungen arbeiten und diese verbessern. Aber heutzutage wundert es niemanden eine Frau als Chefin zu haben. Im Gegenteil: Die Frauen machen die Arbeit sehr gut. Die Kooperation mit und Konkurrenz zu den Männern laufen wunderbar. Oft erledigen sie die Aufgaben besser als männliche Teile der Belegschaft. Ich glaube auch, dass die Erfahrungen des Sozialismus in Polen hierbei eine Rolle gespielt haben. Natürlich hat es auch hier übertriebene Slogans wie "Frauen auf die Traktoren" oder Fragen des Alphabetismus, dass Frauen lernen sollen sich in der Arbeitswelt zu betätigen, gegeben. Aber diese Erfahrung hat in Polen gezeigt, dass man als Frau auch Entscheidungen treffen und unabhängig vom Mann sein kann. Die Frage der freien Wahl ist heutzutage sehr wichtig. Unter den Business-Women in Polen sehe ich, dass sie das sehr gut machen.

Ist es denn gerade die Zeit für junge Menschen ein Unternehmen zu gründen?

Irena Eris: Jede Zeit ist gut. Früher war es vielleicht leichter eine Firma zu gründen, viel schwieriger aber eine Firma zu führen. Jetzt ist die Gründung schwieriger, weil die finanziellen Hürden höher und die Konkurrenz größer ist. Ich kenne aber auch in unserer Branche kleine Firmen, die gerade in Corona-Zeiten entstehen und ihre eigene Nische beziehungsweise ihren Markt finden. Je größer das Unternehmen ist, desto schwieriger ist es auch die Kontrolle zu behalten und mit der Konkurrenz zu kämpfen. Ich würde trotzdem sagen, jede Zeit ist gut.

Man braucht für einige Ideen Mut, hat aber auch viel Verantwortung für die eigene Firma und die Menschen, die dort arbeiten. Das heißt auch harte Arbeit. Selbstverständlich muss das sehr gut überlegt sein und vielleicht sollte man nicht sofort ins kalte Wasser zu springen. Vielleicht brauche ich etwas Zeit, um meine Ideen zu verwirklichen - und auch eine objektive Beurteilung, ob meine Idee realistisch ist.

Man braucht für einige Ideen Mut, hat aber auch viel Verantwortung für die eigene Firma und die Menschen, die dort arbeiten. Das heißt auch harte Arbeit. Selbstverständlich muss das sehr gut überlegt sein und vielleicht sollte man nicht sofort ins kalte Wasser zu springen. Vielleicht brauche ich etwas Zeit, um meine Ideen zu verwirklichen. Auch und eine objektive Beurteilung, ob meine Idee realistisch ist.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Tony Schönberg für Antenne Brandenburg. Dieser Text ist eine redigierte und gekürzte Version des Gesprächs.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.10.2020, 15:00 Uhr

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