Sozialgericht Frankfurt (Oder) - Ehemaliger politischer Häftling klagt auf Zahlung einer Westrente

Di 09.08.22 | 14:17 Uhr
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Symbolbild. (Foto: T. Koehler/phototek)
Audio: Antenne Brandenburg | 09.08.2022 | Sabine Tzitschke | Bild: T. Koehler/phototek

Nachdem das Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen eine Entscheidung ablehnte, zieht ein 75-Jähriger aus Schöneiche vor das Sozialgericht. Als freigekaufter politischer Häftling will er per Rente nicht als DDR-Bürger behandelt werden.

Das Sozialgericht Frankfurt (Oder) hat am Dienstag nach zweieinhalbstündiger Verhandlung den Prozess eines 75 Jahre alten Mannes aus Schöneiche (Oder-Spree) auf unbestimmte Zeit unterbrochen, der unter anderem auf die Zahlung einer Westrente pocht. Der ehemalige DDR-Bürger musste noch vor der Wende in die Bundesrepublik übersiedeln. Bis 1990 wurden diese so behandelt, als hätten sie Rentenbeiträge in der BRD geleistet. Doch beim 75-jährigen Kläger lief es anders.

Bundesverfassungsgericht lehnte Überprüfung von fünf Jahren aus formalen Gründen ab

Mehr als 300.000 Menschen haben und hatten laut "Fremdrentengesetz" auf eine gute Rente gehofft, wurden aber später enttäuscht. So wie Wolfgang Graetz aus Schöneiche bei Berlin, der 1988 als politischer Häftling aus dem Gefängnis Cottbus freigekauft wurde. Da war er 40 Jahre alt. Doch der Bauingenieur erhielt mit Rentenbeginn 800 Euro pro Monat weniger als erwartet, weil er für das Rentensystem auf einmal wieder als DDR-Bürger galt. Laut Graetz leben viele der Betroffenen, die noch leben heute in großer Armut und können sich gerichtlich nicht wehren.

Zudem verlangt Graetz eine höhere Opferrente für erlittenes Unrecht in der Cottbuser Haftzeit. Er habe nicht unerhebliche Folgen davongetragen. Weil verschiedene Gutachten unter anderem von Medizinern fehlten, müssten diese erst eingeholt werden, bevor die Verhandlung wieder aufgenommen werden könne, hieß es.

Das Bundesverfassungsgericht (Az: 1 BvR 713/13) hatte vor fünf Jahren eine Überprüfung der Rentenpraxis nicht angenommen - wegen Formfehlern. Der damalige Beschwerdeführer habe sich weder ausreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt noch einen Grundrechtsverstoß schlüssig dargelegt, so dass Bundesverfassungsgericht 2017.

Hintergrund zur veränderten Rentenpraxis nach der Wende

Wer in den Westen übersiedelte und deshalb seine Rentenansprüche in der DDR verlor, wurde im Rentensystem ursprünglich so behandelt, als ob er die ganze Zeit in der Bundesrepublik gelebt hätte. Nach dem Fall der Mauer wurde diese Praxis auf Menschen beschränkt, die vor dem 1. Januar 1937 geboren waren. Für alle Jüngeren gibt es neue, allgemeine Regeln für die Überleitung, die sich an den tatsächlich in der DDR eingezahlten Beiträgen orientieren. Das betraf rückwirkend auch Übersiedler, die schon seit den 1970er Jahren im Westen lebten.

Der damalige Kläger wollte seine finanziellen Nachteile dadurch nicht hinnehmen. Dem Karlsruher Beschluss zufolge gibt es auf die ursprünglich höhere Rente aber keinen geschützten Anspruch, weil sie nie auf Eigenleistung beruhte. Der Mann, der noch bis 2009 arbeiten ging, habe auch genug Zeit gehabt, sich darauf einzustellen.

Nun folgt also der Weg des heutigen Klägers - Wolfgang Graetz - durch die Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.08.2022, 08:30 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Na da sollten Sie sich doch darüber freuen, haben Sie ihr altes WB.Gehalt weiterhin bekommen, so ergibt sich aus dem Hochrechnen sogar noch ein höherer Rentenwert.

  2. 11.

    „habe sich weder ausreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt noch einen Grundrechtsverstoß schlüssig dargelegt“
    - ist eine typische Ausrede, wenn man nicht will. "
    Eigentlich nicht. Es sagt vielmehr, das sich der Kläger weder inhaltlich noch formell hinreichend mit dem Problem beschäftigt hat.

  3. 10.

    Unglaublich ist nur was sie schreiben. Eine große amerikanische Computerfirma zog von Tegel (also West) zum Alexanderplatz (also ost) und die Mitarbeiter zwangsläufig mit. Für diese Zeit bekomme ich eine Ostrente.

  4. 9.

    Unglaublich - dieser Unsinn den sie hier von sich geben. Wenn sie ins Beitrittsgebiet versetzt wurden, bleiben sowohl ihre Renten Ansprüche, als auch alle anderen Zahlungen aus dem alten Bundesgebiet erhalten. Sollten sie freiwillig einen Job in den neuen Bundesländern angetreten haben, ist das natürlich anders, aber das hat man ja dann vorher gewusst.

  5. 8.

    Gut kommentiert. Noch besser ist, wenn man erläutern kann was „hochrechnen“ bedeutet. Ob dies ein Nachteil oder Vorteil ist hängt vom Einzelfall ab. Beides ist möglich. Im Osten ist die Durchschnittsrente höher, nicht aber die Einzelrente. Das hat damit zu tun, dass Frauen eine längere Erwerbsbiographie haben und alle eingezahlt haben, auch Rechtsanwälte, Ärzte, Beamte usw.

  6. 7.

    Dafür werden Ihre Entgelte im Beitrittsgebiet doch nach wie vor mit dem Faktor der Anlage 10 hochgewertet. Paragraf 256a Abs. 1 SGB VI.
    Und wer sich vor dem 19.05.90 gewöhnlich in der BRD aufgehalten hat, bekommt für die davor liegenden Entgelte im Beitrittsgebiet Entgeltpunkte West ohne Hochwertung (P. 254d Abs. 2 SGB VI). Geltendes Recht bleibt geltendes Recht. Kein "Wünschdirwas". Das SED-Unrechtsbereinigungsgesetz gibt es übrigens auch noch.

  7. 6.

    Ganz ehrlich, er wurde vom Westen freigekauft und nun verlangt er Westrente und Opferentschädigung .
    Kann doch froh sein, dass er in den Westen konnte und die DDR gibt es nicht mehr! Wer soll denn jetzt die Opferentschädigung zahlen? Immer nur fordern, ein bisschen Dankbarkeit wäre vielleicht angebracht.
    Unsere Rentenkasse wurde bei der Wiedervereinigung leergemacht und unsere Kinder dürfen jetzt nur zahlen und werden selbst, wenn überhaupt, nur eine Minirente bekommen. Was sollen die den sagen!

  8. 5.

    Es gibt weitere Ungerechtigkeiten. Ich wurde im Westen geboren, habe dort gearbeitet, wurde dann dienstlich ins Beitrittsgebiet versetzt, und werde seitdem mit Ostrente berechnet. Wo gehe ich klagen? Wer kauft mich frei? ;-)

  9. 4.

    Die DDR wurde zwar umgangssprachlich "wiedervereinigt" mit der BRD. Aber juristisch ist sie dem Rechtsraum der BRD beigetreten und unterwirft sich damit den gültigen und künftigen Gesetzen. Das der sogenannte "Einigungsvertrag" mit heißer Nadel gestrickt wurde und Fehler aufweist, dürfte allen klar sein.Aber jetzt haben die Abgeordneten des Bundestages nicht den Mut, diese Fehler zu korrigieren, sondern schmeißen unser Steuergeld mit vollen Händen den Oilmultis (Tankrabbat) in den Rachen.

  10. 3.

    In vielerlei Hinsicht interessant, weil dann moralische Praktiken zur Sprache kommen, die weit über den Einzelfall reichen.

    „habe sich weder ausreichend mit der Rechtslage auseinandergesetzt noch einen Grundrechtsverstoß schlüssig dargelegt“

    - ist eine typische Ausrede, wenn man nicht will. Die Richter ahnten wohl, wo das hinläuft? Die Praxis sich zu drücken ist gängig und zeigt auch in anderen Bereichen, wo es an richterliche Gerechtigkeit, hapert zum Leidwesen vieler Menschen. Es liegt nicht immer an den Gesetzen, manchmal ja aber nicht immer.

  11. 2.

    Es ist nicht gerecht das es immer noch unterschiedlich gehandhabt wird!
    Es sollte die Politik endlich mal schaffen endlich die Rente einheitlich zu zahlen und die dafür gearbeitet haben auch deutlich mehr zu zahlen als manche die faul waren wir reden nicht von Ausnahmen.

  12. 1.

    Die Rechnung des Herrn Graetz geht nicht auf, sie dient, wie die unüberprüfte Übernahme durch schlecht arbeitende sog. Journalisten, nur der Spaltung.

    Wenn er mit 40 übergesiedelt ist und Bauingenieur war (Abschluss im Alter von ca. 25), geht es um die Bewertung von 15 Jahren, in welchen er nun nach seinem tatsächlichen Ostverdienst (offenbar ohne FZR-Einzahlung), statt nach einem Westgehalt bewertet wird. Aufgrund der Beitragsbemessungsgrenze können das maximal ca. 200 Euro monatlich sein (was viel Geld sein mag), aber unter keinen Umständen 800 Euro monatlich.

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