Dieseltechnik soll fast ganz verschwinden - Niederbarnimer Eisenbahn setzt auf grüne Schienentechnik

Mi 03.05.23 | 17:30 Uhr | Von Georg-Stefan Russew
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Das neue Design der NEB-Flotte. (Foto: NEB-FNoack-SiemensMobility)
Audio: Antenne Brandenburg | 03.05.2023| Detlef Bröcker | Bild: NEB-FNoack-SiemensMobility

Ab Ende 2024 will die Niederbarnimer Eisenbahn fast ausschließlich mit Batterie- und Wasserstoffzügen ihre Strecken in Ostbrandenburg bedienen. Ab dann sollen fast alle Dieselzüge von den NEB-Strecken verschwinden. Von Georg-Stefan Russew

Die Niederbarnimer Eisenbahn (NEB) hat jetzt einen konkreten Zeitrahmen veröffentlicht, wann sie auf ihrem Schienennetz in Ostbrandenburg sowie auf der Linie der Heidekrautbahn weitestgehend Diesel-frei unterwegs sein will. Ab Dezember 2024 sollen nagelneue Batterie- (Mireo Plus B) [siemens.com] und Wasserstoff- (Mireo Plus H) [siemens.com] betriebene Züge im Regelbetrieb eingesetzt werden.

Entsprechende Zusagen des Hersteller Siemens haben zu dieser Prognose von NEB-Chef Detlef Bröcker geführt. Noch am Dienstag bestätigte Elmar Zeiler, Chef der Siemens Regionalzug-Sparte, dass die von der NEB bestellten, 31 Batterie- und sieben Wasserstoff-betriebenen Züge pünktlich im Herbst 2024 ausgeliefert werden sollen.

14,5 Millionen Tonnen CO2 sollen pro Jahr eingespart werden

"Mit dem Einsatz dieser Fahrzeuge werden zum ersten Mal in Brandenburg und Berlin Batterie- und Wasserstoff-angetriebene Hybridtriebwagenzüge zum Einsatz kommen. Wir können davon ausgehen, dass wir so die Kohlendioxid-Emission pro Jahr um über 14,5 Millionen Tonnen Kilogramm reduzieren und etwa 5,5 Millionen Tonnen Diesel einsparen", sagte Bröcker.

Die batteriebetrieben Züge sollen dann ausschließlich in Ostbrandenburg verkehren. "Diese 31 Fahrzeuge sind für teilelektrifizierte Strecken konzipiert. Die Züge beziehen ihre Antriebsenergie in oberleitungslosen Strecken aus zwei Batterien und werden per Fahrdraht oder speziellen Ladestationen sehr schnell wieder aufgeladen", so der NEB-Chef. Hierfür sollen solche Stationen in Wriezen, Templin, Werneuchen und Beeskow entstehen.

Reichweite im Batteriemodus beträgt 120 Kilometer

Laut Zeiler schaffen die Züge im Batteriemodus rund 120 Kilometer. Während es vor allem in Berlinnähe Oberleitungen gebe, sei dies draußen weniger der Fall. Daher müssten die Ladestationen an den Endpunkten entstehen, um sicher die Strecken so bedienen zu können, hieß es. Im Schnellladebetrieb könnten die Akkus in rund 30 Minuten voll aufgeladen sein. Nachts sollen die Züge per Erhaltungsladung fahrbereit gemacht werden, ergänzte Böcker.

"Mireo Plus B und Mireo Plus H vereinen Innovation und Nachhaltigkeit, wo eine Elektrifizierung der Strecke mit Oberleitung nicht möglich oder wirtschaftlich ist. Nur mit einer starken Schiene und alternativen Antriebsarten wird es uns gelingen, einen wesentlichen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten", so Zeiler weiter.

Wasserstoffzüge werden auf der Linie der RB27 eingesetzt

Die Wasserstoff-betriebenen Züge verfügen über einen Brennstoffzellen-Antrieb. Die sieben bei Siemens georderten Züge sollen auf der RB27, der Heidekrautbahn, eingesetzt werden.

Der "Mireo Plus H" hat nach Herstellerangaben pro Zugtankfüllung eine Reichweite von bis zu zu 1.000 Kilometer. Der Wasserstoff wird komprimiert in Tanks mitgeführt, die auf dem Zugdach montiert sind. Problemlos könne der Wasserstoff wie Diesel per Schlauch nachgetankt werden. In etwa 15 Minuten seien die Tanks wieder gefüllt.

Extra hierfür wird laut NEB-Chef in einem Verbundprojekt durch die Kreiswerke Barnim eine Tankstelle gebaut. Der "grüne" Wasserstoff hierfür wird mittels Elektrolyse aus regional erzeugter, erneuerbarer Wind- und Sonnenenergie gewonnen und in einem Hybridwerk der Enertrag in Oberhavel produziert, so Bröcker. Wie es hieß, soll durch die Umstellung von Diesel auf Wasserstoff auf der Strecke der Heidekrautbahn rund drei Millionen Kilogramm Kohlendioxid eingespart werden.

VBB: "Neue Zeitrechnung" beginnt Ende 2024

Dem Verkehrsverbund Berlin Brandenburg kommt dieses Projekt zu Pass, denn er will den Öffentlichen Personennahverkehr bis 2037 CO2-frei in der Region organisieren. Hierfür spiele die Niederbarnimer Eisenbahn jetzt eine entscheidende Rolle, so der zuständige VBB-Bereichsleiter Thomas Dill. Man habe mit der NEB einen entsprechenden Forschungsvertrag geschlossen. Es gehe darum, "komplette Insellösungen" unter die Lupe zu nehmen. Zwar sei es Ziel des VBB, eine möglichst flächendeckende Elektrifizierung der Schienenstränge hinzubekommen. Da, wo dies nicht gehe, seien diese alternativen Antriebe hochinteressant, um CO2-neutral zu werden.

"Das sei absolutes Neuland", sagte Dill. Die Länder Berlin und Brandenburg hätten sich auf eine "Dekarbonisierungstrategie" bis 2037 CO2-frei unterwegs zu sein. Das mit der NEB sei "ein erster großer Schritt. Das sind erhebliche Dieselstrecken, die heute noch von Dieselwagen befahren werden und da beginnt Ende 2024 eine neue Zeitrechnung", unterstrich Dill.

Neues NEB-Zugdesign

Um dies auch optisch zu unterstreichen, ändert die NEB ihr Erscheinungbild - die Lackierung ihrer Züge. Von jetzt symetrisch angeordneten blau-weißen Streifen geht man jetzt zu Farbflächen über, erklärte Bröcker. Die Führerstände der Lokführer würden demnach komplett in blau getaucht. In der Mitte seien die Züge in weiß gestaltet. Um die Türen besser zu erkennen, würden diese in gelb getaucht. So wolle man dann symbolisch signailsieren, dass man rund um die Uhr - also Tag und Nacht - nachhaltig unterwegs sei, so der NEB-Chef.

18 Kommentare

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  1. 18.

    Könnte mir vorstellen wenn sich die 50Hz im Bahnstromnetz durchgesetzt hätten, wäre das sicher einfacher machbar.
    Ein paar MW aus dem 20 oder 30kV Netz mehrfach punktuell einspeisen wäre sicher recht einfach. Aber zerhacken auf 16 2/3 Hz ist eben doch etwas aufwändiger.
    Aber wir haben nunmal die 16 2/3 Hz die ja auch ihre guten Gründe haben aber eben auch das eigene Netz bzw. Bahnstromwerke erforderlich machen.
    Wenn da nur ein paar Züge pro Tag fahren ist so eine elektrifizierte Strecke wirtschaftlich sicher auch schwieriger zu betreiben als ein paar Ladepunkte gespeist aus dem öffentlichen Netz.

  2. 17.

    "sind in zwei Jahren Testbetrieb kaum gealtert" Zwei Jahre Betriebzeit ist bei Schienenfahrzeugen sowas wie nichts.

  3. 16.

    Warum elektrifiziert man nicht alle Strecken? Ist das auf lange Sicht nicht preiswerter als die Akkutechnologie?

  4. 15.

    ...und auf vielen Strecken fährt man jetzt mit HVO-Kraftstoff 90% CO2-reduzukturiert.
    Ohne CO2-Fußabdruck neuer Antriebe und Infrastrukturen.

  5. 14.

    Die Ausschreibungen sind längst gelaufen, der RBB hat mehrfach berichtet. BaWü, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz haben übrigens die Wasserstofftechnik verworfen, weil zu teuer. Stattdessen haben sich dort Ladeinseln ohne lange Zwischenstopps als wirtschaftlicher erwiesen. Im Rhein-Main-Gebiet haben einige ob des Wasserstoffs Albträume bekommen - bei Bussen wie bei Zügen.

  6. 13.

    Es gibt auch ein Lastenrad mit Wasserstoff Zelle. Das fährt seit einigen Jahren im Testbetrieb. Die Zelle ist halt etwas groß aber nicht zu groß für ein Lastenrad...
    Ich freue mich über solche Meldungen hier. Meine Kinder werden mit sehr geiler Technologie in Marktreife konfrontiert.
    Wie cool ist das denn?!

  7. 12.

    "Wir haben vor allem festgestellt, dass die Batterietechnologie auf die wir gesetzt haben, sehr robust ist. Die eingesetzten Lithium-Ionen-Titanat Zellen sind in zwei Jahren Testbetrieb kaum gealtert, noch gab es Probleme durch Schwankungen der Umgebungstemperatur, die wegen eines Betriebs in den Alpen teilweise erheblich waren. Das hat uns positiv überrascht."

    Sie hätten nur den Link, vom RBB zur Verfügung gestellt, folgen müssen...

  8. 11.

    'da beginnt Ende 2024 eine neue Zeitrechnung' - Ich bin gespannt wann der Herr EVU Chef dem VBB auf'm Plan rückt mit, wir brauchen mehr Geld.

    Sollte das Eisenbahnverkehrsunternehmen tatsächlich das Finanzierungsrisiko tragen ist das nicht vollständig auszuschließen.

    Aber. es ist erstmal ganz toll. Die Welt wird jetzt besser. Ganz toll. Alternativen dazu werden erst gar nicht in Betracht gezogen.

  9. 10.

    Na hoffen wir es.

    Haben auch nochmal mit einer Mitarbeiterin im Zug gesprochen. Da heisst es, dass die Züge wohl zu klein werden sein. Ausserdem ist es wohl so, dass gerade die Problematik der wenigen Stellplätze für Kinderwagen, Fahrräder & co. für die Mitarbeiter so stressig ist, dass diese bereits darauf hingewiesen haben. Leider wurden sie nicht gehört.

    Naja, wir drücken die Daumen, dass es da doch noch Spielraum gibt.

  10. 9.

    Merkwürdig, dass der Beitrag den Einsatz von klimafreundlichem HVO-Kraftstoff in bestehenden Dieselzügen verschweigt.
    Die CO2-Emission wird dabei um 90% reduziert. Und zwar ohne CO2-Fußabdruck neuer Züge, Antriebe und Infrastrukturen.

  11. 8.

    @Schmöb
    In irgendeinem Text - ich weiß nicht ob bei der NEB oder dem VBB - wurde geschrieben, dass die neuen Triebwagen dann gekoppelt fahren sollen. Das wäre sicherlich möglich, die Bahnsteige würden das bieten können.

    Ansonsten wäre das ja kaum mehr Kapazität als ein Pesa und das ist heute schon eine Katastrophe...

  12. 6.

    "Wir können davon ausgehen, dass wir so die Kohlendioxid-Emission pro Jahr um über 14,5 Millionen Tonnen Kilogramm reduzieren und etwa 5,5 Millionen Tonnen Diesel einsparen", sagte Bröcker."
    Mit den Zahlen stimmt etwas nicht.
    Das wären ca 2-3% der deutschen CO2 Emissionen und ein paar Mrd. EUR Dieselkosten pro Jahr nur durch/für die NEB mit den paar Zügen.
    Ansonsten Respekt für die Schnelligkeit. Also geht doch einiges.
    Dann freu ich mich mal auf die Zugfahrt ins Oderbruch und wenn es nur zum ausprobieren ist.

  13. 5.

    Funktioniert das alles auch so im Winter ?

  14. 4.

    Wasserstoff bei der Bahn ist Verschwendung.
    Hier wäre Akku/E-Traktion effizienter. Selbst die Akkutriebwagen aus den 30er Jahren wiesen praxistaugliche Reichweiten auf. Freilich ohne den Schbickschnack, den der Reisende aktuell offenbar erwartet. Also kein Klima, wlan etc. dafür konnte man die Fenster öffnen. Heute könnte man kurze Oberleitungen einfügen, oder den Fahrplan so legen, daß der Triebwagen unter Fahrleitung aufladen kann.
    Aber Wasserstoff ist nunmal schick und angesagt.

  15. 3.

    Ich wünsche der NEB viel Erfolg bei den Projekten.Als ehemaliger Mitarbeiter bin ich stolz darauf dass die NEB der Vorreiter in dieser Technologie ist

  16. 2.

    @1 Eigentlich müsste man ja froh sein, wenn die Züge überhaupt fahren.
    Ob es nun das Design bringt? M.E. allles Beiwerk, mir ist wichtig, dass man nicht nur alle 2 Std. abfahren kann, sondern bei dieser kleinen Kopplung, müsste der Takt anders sein: Wird aber vermutlich nicht gehen, da die Strecken eingleisig sind -- oder?
    Ich erinnere mich nur an sehr lange Wartezeiten/Zugausfälle etc. und lange Zeit verkehrten nur Busse. Leider kann man das Betroffenheits-/Tränenemoji nicht platzieren. Bleibt die Hoffnung, dass es besser wird.
    Ich denke da auch sehr an die Leute, die in dieser Gegend wohnen.

  17. 1.

    Das ist ja alles toll aber wer hat denn diese Züge bestellt und nicht darauf geachtet, wie gross die sein müssten.

    Wir pendeln regelmässig mit Rad im RB12. Im Sommer ist das schlicht eine Katastrophe. Laut NEB haben die neuen Züge genauso wie die alten Züge nur 12 Fahrradstellplätze. Das wird nie und nimmer reichen.

    https://www.neb.de/aktuelles/details/mireo-plus-b-und-mireo-plus-h-neue-wege-im-fahrzeugdesign/

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