Kritik an der "Galerie Fenster" - Alibi-Kultur für Brennpunkt in Eberswalde?

Sa 20.07.19 | 13:22 Uhr | Von Maximilian Horn
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Galerie im Fenster Eberswalde. (Quelle: rbb/Maximilian Horn)
Bild: Audio: Antenne Brandenburg | 19.07.2019 | Maximilian Horn

Im Brandenburgischen Viertel in Eberswalde hat die "Galerie Fenster" eröffnet – in einem Abrissblock. Die verantwortliche Wohnungsgesellschaft will dadurch den schlechten Ruf des Viertels verbessern. Heftige Kritik muss sie von einem umtriebigen Stadtverordneten einstecken. Von Maximilian Horn

Das Brandenburgische Viertel in Eberswalde hat ein Imageproblem. Es gilt als ein Ort, an dem man nicht wohnen möchte - als "Brennpunkt". Zuletzt war es durch den Mordfall "Emily" in den Medien. Der mittlerweile zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte Vater und Mörder der zweijährigen Emily wohnte im Brandenburgischen Viertel.

"Wir würden uns wünschen, dass die Leute wieder Stolz entwickeln für ihr Brandenburgisches Viertel", sagt Volker Klich, Vorstand der WG 1893, einer Wohnungsgenossenschaft in Eberswalde. Er will einen Imagewechsel: "Wir wollen in zehn Jahren ein attraktives Wohnumfeld haben, wo unser Leerstand sich auf null bewegt."

Galerie Fenster Eberswalde (Quelle:rbb/Maximilian Horn)
Bild: rbb/Maximilian Horn

Der Leerstand ist ein großes Problem

Denn von den 1.500 Wohnungen der Genossenschaft stehen rund ein Drittel leer. Deshalb baue man auch drei von etwa 40 Häusern der Genossenschaft zurück, sagt Klich. Eins davon ist die Brandenburger Allee 19, der Abriss ist für 2021 geplant. Von den fünfzig Wohnungen im Haus sind noch vier oder fünf bewohnt. Und jetzt gibt es etwas Neues in der aschfahlen Platte: Die "Galerie Fenster", betrieben von der Wohnungsgenossenschaft. In einer ersten Ausstellung sind hier Comiczeichnungen zu sehen, am vergangenen Dienstag (16.7.2019) gab es eine Lesung.

"Die Idee ist einerseits diesem vielleicht schlechten Image mal etwas Positives entgegenzusetzen", sagt Genossenschaftsvorstand Volker Klich. "Und wir erhoffen uns auch dadurch, Leute aus dem Rest von Eberswalde mal ins Brandenburgische Viertel zu holen. Und seien es die Kulturschaffenden, weil Kultur für uns ein wichtiger Bestandteil ist." Die Galerie Fenster sei eines von mehreren kulturellen und sozialen Projekten hier, um das Viertel attraktiver zu machen, sagt Klich.

Kritik vom Stadtverordneten Zinn

Kultur ins Viertel, Imagewechsel - so weit, so schön? Nein. Heftige Kritik übt Carsten Zinn. Der umtriebige Stadtverordnete aus dem Brandenburgischen Viertel (fraktionslos) schreibt von "Zynismus" und einem "diskriminierenden Alibi-Akt". Letztlich bezahle ein nicht geringer Teil der Eberswalder "WG-Genossinnen und Genossen" die Galerieeröffnung mit teilweise sehr anspruchsvollen Mieterhöhungen.

Im persönlichen Gespräch sagt Carsten Zinn: "Es kommt die Kulturszene aus der Innenstadt. Das was sich auch alles um unseren Kulturpapst Udo Muszynski versammelt." Aber nach allem, was er gehört habe, seien aus dem Viertel vielleicht fünf Leute bei der Eröffnung gewesen. Er selbst hat die Galerie zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht besucht.

Brandenburger Allee 19 im Brandenburgischen Viertel in Eberswalde. (Quelle: rbb/Maximilian Horn)
Die Brandenburger Allee 19 gehört der Wohnungsgenossenschaft Eberswalde 1893. Der Abriss ist 2021 geplant. Die "Galerie Fenster" wurde von der WG 1893 als Übergangsprojekt bis zum Abriss der Platte eingerichtetBild: rbb/Maximilian Horn

Bloß eine Elitenveranstaltung?

"Das kommt bei den meisten nicht an", sagt Zinn über die Bewohner des Viertels. "Die ignorieren das." Man könne ja mal durchs Viertel gehen und die Leute fragen. Das mache ich zweieinhalb Stunden lang. Auf der Straße treffe ich niemanden, der die Galerie schon besucht hat oder sie auch nur kennt. Es mag daran liegen, dass der Auftakt erst vor drei Wochen war und die Galerie nur sonntags geöffnet ist. Die Frage, ob sie denn hingehen würden, verneinen die meisten Menschen, die ich treffe.

Zwei Schwestern, die einen Kinderwagen schieben, sagen mir, dass sie lieber Netflix gucken, anstatt Ausstellungen zu besuchen. Und ein Mann mit drei Goldzähnen sagt im Vorbeigehen: "Normalerweise habe ich keine Zeit dafür. Viel arbeiten." Einer, der sich Roland nennt und eine Tüte mit frischen Kirschen in der Hand hält, sagt: "Mich interessieren eher größere Museen, oder Bücher." Aber er werde sich die Galerie jetzt mal anschauen. "Kunst soll nicht für eine Elite sein, sondern allen Menschen zugänglich", sagt Roland noch.

"Es soll kein Ufo werden"

Bleibt noch das Geld. Denn der Stadtverordnete Zinn kritisiert ja auch, dass durch die Galerie Mieterhöhungen der Genossenschaft kaschiert oder gar erst begründet würden. Spricht man mit dem Genossenschaftsvorstand Volker Klich darüber, kann der seine Wut über diesen Vorwurf kaum im Zaum halten. "Beides hängt nicht miteinander zusammen", sagt er mit sichtlicher Beherrschung. "Ja, wir haben Nutzungsentgelder angepasst, wie es bei uns heißt. Vereinzelt, nicht flächendeckend." Ein Zusammenhang, wie Zinn ihn herstelle, sei für ihn nicht nachvollziehbar.

In der Nähe der Galerie sitzt Monika Icke und macht eine Pause vom Spaziergang. Sie wohnt seit zehn Jahren im Brandenburgischen Viertel. Ich befrage sie zum Geld: "Die Mieterhöhung hat nichts mit dem Kulturellen zu tun. Das ist totaler Blödsinn", sagt sie. Sie ist Mieterin bei einer anderen Genossenschaft. Ihre Miete sei von 360 auf 419 Euro gestiegen, für zweieinhalb Zimmer. "Die machen doch trotzdem Mieterhöhungen! Auch wenn hier nichts Kulturelles gemacht wird!", sagt Icke. Die Galerie der WG 1893 will sie sich jetzt aber anschauen: "aus Neugier!"

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.07.2019, 17:40 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

    Man sollte sich mehr an der Realität orientiren. Das BBV erlebt weiterhin Zuzug und rückt langsam wieder in den Blickpunkt der restlichen Stadt. Es gibt wieder Investitionen und viele neu Hinzugezogene bringen sich sehr aktiv ein. Das Viertel ist spannend und bietet viele neue Möglichkeiten sich einzubringen. Es bedarf natürlich weiterhin einer kosequenten Unterstützung der Stadt. Und es muss ein Umdenken in den Köpfen stattfinden. Ein positiver Beitrag des rbb wäre da zur Abwechslung mal hilfreich. Man kann sich ja für die problembehaftete Berichterstattung dann in Potsdam umsehen.

  2. 1.

    Ein Imagewechsel für das Brandenburgische Viertel wäre schön. Diesen aber mit einer Galerie erreichen zu wollen empfinde ich als sehr optimistisch. Der Rückbau, welcher im Artikel angesprochen wird, wird schon seit mehr als 10 Jahren betrieben. Anstatt die Häuser zu renovieren, werden sie abgerissen. Denn jenes ist ja billiger. ;) Sicher, wer will in einen "Brennpunkt" investieren? Dennoch werden zukünftig wahrscheinlich immer mehr Wohnungen im Viertel freistehen, wenn diese nicht attraktiver gestaltet werden. Wer möchte denn bitte in einer grauen Platte leben, die einem eine Zeitreise in die UdSSR beschert.

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