Theater in der Energiekrise - Solarstrom für die Bühne und gedimmtes Licht - aber kommt das Publikum?

Di 27.09.22 | 07:39 Uhr | Von Barbara Behrendt
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Symbolbild: Leere Sitzreihen in einem Theater (Quelle: IMAGO/Frank Sorge)
Audio: rbb24 Inforadio | 27.09.22 | Barbara Behrendt | Bild: IMAGO/Frank Sorge

Wird das Gas teuer, müssen das auch die Theater bezahlen. Und wird Gas knapp oder gar abgeschaltet, bleibt es an den Bühnen kalt. Die Theater in Berlin und Brandenburg haben vorgesorgt - manche sogar sehr gut. Von Barbara Behrendt

Seit voriger Woche ist klar: Wenn es bei der Gasversorgung im Herbst zu einer Notlage kommt, kann der Theaterbetrieb eingestellt werden. In einem entsprechenden Papier hat Claudia Roth (Grüne), die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Ausnahmen festgelegt. Das heißt, dass Einrichtungen Vorrang haben, also weiter versorgt werden, deren Kunst- und Kulturschätze Schaden nehmen könnten, wenn sie nicht entsprechend geschützt vor Kälte gelagert werden, also etwa Museen, Archive, Bibliotheken.

Die Theater gehören aber nicht zu diesen Ausnahmen. Hier also kann zur Not die Versorgung gekappt werden.

Allein die hohen Preise sorgen für Kopfzerbrechen an den Bühnen

Doch selbst wenn es nicht zu einer solchen Notlage kommt, haben die Theater mit den explodierenden Energiepreisen zu kämpfen. Die Geschäftsführer der Häuser sind längst am Überschlagen, Berechnen, Neukalkulieren. Sie kalkulieren, welche Mehrkosten über den Winter auf sie zukommen könnten. Das Problem für sie allerdings ist, dass Preisexplosion und Gasengpass bislang vor allem eine Drohkulisse sind, denn es ist unklar, was in den nächsten Monaten genau bei der Versorgung und bei den Preisen passieren kann und wird.

Das Deutsche Theater etwa hat für Energiekosten 20 Prozent mehr Geld im Haushalt eingeplant. Das kleine freie Theater Ballhaus Ost im Prenzlauer Berg geht von einer Verdoppelung der Heizkosten aus, die durch Rücklagen gestemmt werden soll. Und Tobias Veit, der Direktor der Schaubühne, kalkuliert immer wieder neu: "Vor drei Monaten haben wir gedacht, mit hundert Prozent Mehrkosten müssen wir rechnen. Das ist überholt. Das wird mehr."

Staatliche Hilfen für die Bühnen sind nicht vorgesehen

Staatliche Hilfen sind nicht vorgesehen. Und so tun die Theater das, was wir alle momentan versuchen: den Stromverbrauch so gering wie möglich halten. Dabei gilt: Wer sich in den vergangenen Jahren schon um Klimaeffizienz und Nachhaltigkeit gekümmert hat, ist jetzt im Vorteil. Für die Schaubühne etwa kann Tobias Veit mit einem Vorteil der neuen Technik arbeiten: "Der hydraulische Abgleich der Heizungsanlage führt zu einer Einsparung von zehn Prozent im gesamten Haus. Der ist abgeschlossen."

Das Deutsche Theater ist seit einiger Zeit dabei, 400 Fenster auszutauschen, um damit 15 bis 20 Prozent Energie zu sparen. Auch die Lichter in vielen Theatern, sowohl in den Büros als auch im Bühnenbereich, werden inzwischen durch LED-Lampen ausgetauscht. Damit sollen bis zu 75 Prozent Beleuchtungsstrom gespart werden.

Deutsches Theater sieht sich gut vorbereitet

Wegen ihrer umsichtigen Planung fühlen sich die Theater, was die Gasversorgung angeht, halbwegs gut vorbereitet. "Die Planung ist jedenfalls nicht leichtsinnig. Wir haben uns gut fit gemacht", sagt Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters im Blick auf die getroffene Vorsorge.

Am allerwenigsten Sorgen um Kälte und einen Gas-Blackout muss sich das Strausberger Theater "Die Andere Welt Bühne" machen. Es läuft seit einem Jahr komplett unabhängig von Gas und Öl – mithilfe einer klimafreundlichen Erdwärme-Pumpe. Auch hier zahlt sich aus, dass das Kulturquartier in Strausberg, zu dem das Theater gehört, in seinen Anfängen vor fünf Jahren auf Nachhaltigkeit statt auf Schnelligkeit gesetzt hat. Für die "Andere Welt Bühne" hieß das aber auch, die ersten Winter geschlossen zu bleiben, denn die Anschaffung der Wärmepumpe dauerte.

Wärmepumpenanlage zahlt sich aus für die Bühne

"Wir hätten viel früher eine Heizung haben können, wenn wir uns eine Gasheizung angeschafft hätten", sagt Melanie Seeland, Teil des dreiköpfigen Leitungsteams in Strausberg. Sie ist froh, die teure Wärmepumpe eingebaut zu haben, die sich inzwischen längst rechnet.

Im nächsten Jahr will das Theater komplett auf Photovoltaik umstellen, so dass auch der Strom im eigenen Haus produziert wird. Und selbst die Drehbühne ist sozusagen selbstgemacht, entstanden aus dem alten Holz des Waldes, das zum Kulturquartier gehört. Die Stühle im Zuschauerraum sind übrigens die in den Kammerspielen des Deutschen Theaters ausrangierten Möbel. Die "Andere Welt Bühne" ist eine Vorreiterin in puncto Nachhaltigkeit.

Unsicherheitsfaktor: Was kann sich das Publikum noch leisten?

Wovon sich allerdings auch das Strausberger Theater nicht unabhängig machen kann, ist das Publikum. Wie sich neue Corona-Wellen und hohe Lebenshaltungskosten auf das Verhalten der Zuschauer auswirken, das weiß keiner. "Natürlich spürt jeder einzelne die Heizungsdramatik auch zu Hause", so Ulrich Khuon. "Viele denken: Was kann ich am leichtesten weglassen? Nicht ins Restaurant zu gehen, nicht ins Theater zu gehen, das ist nun einmal leichter als weniger einzukaufen. Für uns ist das eine echte Sorge."

Tobias Veit denkt derweil darüber nach, wie man den Theaterbesuch gemütlicher gestalten könnte: "Man wird sicherlich eine Jacke mit in den Zuschauerraum nehmen können, kein Problem. Wir können auch Decken ausgeben. Aber die Schwelle, ins Theater zu gehen, wird bei den Menschen höher werden." Vielleicht, das könnte doch ein Anreiz sein, gibt’s dort bald ja auch Glühwein.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.09.2022, 16:40 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Selbst zu Zeiten der Leningrader Blockade als Hunger und Kälte grausam wüteten, hat es noch einen irgendwie gearteten Kulturbetrieb gegeben. Bibliotheken und Theater blieben geöffnet. Berühmt die Ur-Aufführung der 7. Sinfonie, der Leningrader Sinfonie, von Schostakowitsch am 9. August 1942 mit den wenigen Musikern des Radioorchesters, die überlebt hatten. Das sollte auch den Lebenswillen zeigen.

  2. 5.

    Im letzten Abschnitt wird deutlich, dass sich Deutschland ein Armutszeugnis ausstellt. Oh wo sind wir nur gelandet, mit Pelzmantel, Decke und Glühwein ins Theater...na ja, wer das gut findet.

  3. 3.

    Besser kühler und dunkler als gar keine Kultur.
    Die Menschen sind verwöhnt.

  4. 2.

    Der letzte Abschnitt ist wohl ein Witz. Ich sitze bestimmt nicht im Pelzmantel und Decke über den Knien im Konzert oder Theater. Dann spare ich das Geld und drehe zu Hause dafür die Heizung auf.

  5. 1.

    Einfach irre,bin gerade in Florida. Alles Nachts toll beleuchtet und kw Strom 7 Cent. Die Deutschen machen sich selbst kaputt

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