Arbeiterwohlfahrt Brandenburg Ost - Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verantwortliche von AWO-Bezirksverband

Fr 23.09.22 | 16:31 Uhr | Von Lisa Wandt
  10
Symbolbild: Logo und Schriftzug der AWO an einer Hauswand (Quelle: imago/Fotostand)
Bild: imago/Fotostand

Es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung: Nach rbb-Informationen wird gegen Verantwortliche des AWO-Bezirksverbandes Brandenburg Ost ermittelt. Der Bezirksvorstand suspendiert derweil Mitglieder, die Aufklärung fordern. Von Lisa Wandt

Die Abteilung für schwere Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt gegen verantwortliche Personen des Bezirksverbandes Brandenburg Ost e.V. der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Das haben gemeinsame Recherchen von rbb24 Brandenburg aktuell und des ARD-Politikmagazins Kontraste ergeben. Die Staatsanwaltschaft wollte sich auf rbb-Anfrage mit Verweis auf das Steuergeheimnis nicht zu dem Vorgang äußern.

Der AWO-Bezirksverband Brandenburg Ost mit Sitz in Frankfurt (Oder) ist einer der größten Arbeitgeber der Region. Mit rund 650 Mitarbeitenden betreibt der gemeinnützige Sozialverband Kinder- und Jugendeinrichtungen, Seniorenzentren und Beratungsstellen im Osten Brandenburgs.

Kreditvergabe an Tochterfirma soll Ursache sein

Weil der Verband vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt ist, ist er von Körperschafts- und Gewerbesteuern befreit – doch dieses Privileg könnte der AWO-Bezirk in den Jahren 2013 bis 2019 verwirkt haben; somit wäre die AWO Brandenburg Ost steuerpflichtig gewesen.

Grund für den möglichen Verlust der Gemeinnützigkeit soll ein Darlehen sein, das der Bezirksverband einer gewinnorientierten Tochtergesellschaft gegeben hatte. Die Tochterfirma AWO Service GmbH, die in der Vergangenheit unter anderen Namen firmierte, war in eine finanzielle Schieflage geraten, wohl auch weil angebotene AWO-Seniorenfahrten sich oftmals nicht rentierten, auch aufgrund des starken Wettbewerbs durch Online-Reiseveranstalter.

Der Bezirksverband sprang ein und lieh seiner Tochterfirma zur Abwendung einer Insolvenz knapp eine Million Euro. Der Verband soll dann auch noch einen sogenannten "Rangrücktritt" erklärt haben, dieser bedeutet faktisch, dass andere Gläubiger gegenüber dem Bezirksverband im Falle einer Insolvenz der GmbH bevorzugt werden. Und genau das dürfte zu den Problemen mit dem Finanzamt geführt haben.

Bezirksverband: Keinerlei Anhaltspunkte bei Überprüfung

Wenn Gelder aus einem gemeinnützigen Bereich in einen gewerblichen Bereich verschoben werden, spricht man juristisch von einer Mittelfehlverwendung, die zur Folge haben kann, dass für das jeweilige Jahr eine Steuerpflicht der ansonsten gemeinnützigen Organisation besteht. Hätte die AWO Brandenburg Ost dies dem Finanzamt verschwiegen, ergäbe sich daraus der Verdacht der Steuerhinterziehung. Ob das Darlehen inzwischen vollständig zurückgezahlt worden ist, ist unklar.

Die Geschäftsstelle des AWO Bezirksverbands Brandenburg Ost erklärte dazu auf rbb-Anfrage, der Verband werde jährlich durch Wirtschaftsprüfer geprüft. "Auch eine nochmalige Überprüfung hat ergeben, dass es für den Vorwurf einer Steuerhinterziehung keinerlei Anhaltspunkte gibt. Abgesehen davon wurde die Mittelverwendung damals geprüft und sowohl vom Wirtschaftsprüfer als auch vom zuständigen Finanzamt nicht beanstandet. Selbstverständlich unterstützen wir die zuständigen Behörden bei der Aufklärung ihrer Fragen und kooperieren uneingeschränkt."

Der AWO-Bundesverband teilte auf rbb-Anfrage mit, die Ermittlungen seien ihm bekannt und man stehe hinter allen Schritten, die zur Klärung beitragen würden. Vom AWO-Landesverband hieß es, er werde seine Aufsichtspflichten wahrnehmen und den Fortgang des Ermittlungsverfahrens begleiten.

Machtkampf im AWO-Bezirk - Kreisverbände fordern externen Aufklärer

Aus dem Umfeld der wegen Steuerhinterziehung Beschuldigten heißt es, hinter den Vorwürfen stecke eine Kampagne von AWO-Mitgliedern, die Verantwortliche diskreditieren wollen. Ganz anders scheinen das viele Mitglieder in den AWO-Kreisverbänden Bernau, Eberswalde und Fürstenwalde zu sehen. Sie fordern, dass der Vorgang schon am Samstag auf der AWO-Bezirkskonferenz in Frankfurt (Oder) ein Nachspiel haben soll.

Die Kreisverbände, die die Hälfte der sechs Kreisverbände des Bezirks ausmachen, wollen nach Informationen von rbb24 Brandenburg aktuell und Kontraste durch einen Initiativantrag die Einsetzung eines besonderen Vertreters beschließen lassen, da man Zweifel am Aufklärungswillen des geschäftsführenden Bezirksvorstands hat. In dem Antrag, der dem rbb vorliegt, heißt es: "Wären die Vorwürfe der Steuerhinterziehung ohne Substanz, hätte der geschäftsführende Bezirksvorstand kooperieren und die notwendigen Auskünfte erteilen können."

Sollte es zur Einsetzung eines unabhängigen Vertreters kommen, wäre dies ein klares Misstrauensvotum gegenüber dem geschäftsführenden Vorstand. Der besondere Vertreter – die Kreisverbände schlagen dafür einen Cottbusser Fachanwalt vor – soll demnach Schadensersatzansprüche gegen die Beschuldigten prüfen und die AWO gegenüber dem Finanzamt und der Staatsanwaltschaft vertreten.

Mitglieder werden suspendiert - Betroffener spricht von "Putschversuch"

Unterdessen sollen am Freitag AWO-Mitglieder aus den drei Kreisverbänden, die die Einsetzung eines externen Vertreters fordern, zu Hause von ihnen unbekannten Männern aufgesucht worden sein, die ihnen ein Protokoll überreichten. Darin wird festgehalten, dass bei einer Sitzung des geschäftsführenden Bezirksvorstandes faktisch eine Suspendierung ihrer AWO-Mitgliedschaft bis zum 31.08.2027 beschlossen wurde – dies hätte zur Folge, dass sie am Samstag bei der Bezirkskonferenz nicht abstimmen dürfen, da ihnen auch ein Hausverbot ausgesprochen worden ist. Als Begründung werden diverse Verletzungen gegen das AWO-Verbandsstatut genannt. Das Protokoll liegt dem rbb vor.

Einer der Betroffenen spricht in diesem Zusammenhang von einem "Putschversuch", bei dem die grundgesetzlich verbrieften demokratischen Rechte von Mitgliedern missachtet würden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 23.09.2022, 16:30 Uhr

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Durch die Mitgliedsbeiträge ( Geldberträge)finanziert sich der Verein, und dies hat mit Ehrenamt nichts zu tun, wenn man so will, es zählt ebenso zu dem kommerziellen Teil des Vereins.

    Ob Parteien oder Vereine, beide finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden, manche tun sich vor, sie seien sozial aingestellt, aber die "Hauptamtlichen" füllen sich trotzdem gerne die Taschen voll.

  2. 9.

    In diesem Beitrag betrifft es wohl eher den kommerziellen Teil bei der AWO und nicht den ehrenamtlichen Verein.

  3. 8.

    Ach ja, aber das die AWO sich zum großen Teil aus Mitgliedsbeiträgen der sozial denkenden Menschen finanziert, betrifft diese Kausa insbesondere diese Spender, aber wer meldet sich im Forum eiferig zu Wort?

  4. 7.

    Es gibt wohl keine andere soziale Organisation, bei der der Sumpf größer ist als bei der AWO.Da hört man kaum noch hin. Die Verflechtungen sind kaum zu entwirren (siehe Frankfurt/M. )

  5. 6.

    Der AWO-Landesverband wird seinen Aufsichtspflichten nach kommen?! Das ist doch ein Witz, oder? Was soll dabei rausgekommen, wenn beide eng verflochten sind und einer vom anderen lebt? Die drücken ihren Stempel drauf, dass schon alles passt. Hier wird die Öffentlichkeit, insbesondere der Steuerzahler, für dumm verkauft.

  6. 5.

    Der Strausberger Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt stellt sich an die Seite der drei suspendierten Kreisverbände. Er zeigt sich sehr befremdet über den Umgang des Bezirksverbandes Brandenburg-Ost mit den Kreisverbänden Bernau, Eberswalde und Fürstenwalde. Es zeigen sich Parallelen zu unseren Erfahrungen, als der Bezirksverband eine konkurrierende Hauskrankenpflege zu unserer Sozialstation in Strausberg etablierte, heißt es in einer Erklärung des Vorstandes. Der Umgang wirft ein schlechtes Licht auf die demokratische Verfasstheit des Bezirksverbandes der AWO Brandenburg-Ost. Jens Sell, Vorsitzender, OV Strausberg

  7. 4.

    Irgendwo hin muss das Geld der AWO ja fließen, in Ihre Kitas jedenfalls nicht! Nicht ein Cent...

  8. 3.

    AWO sozial? Mitnichten.

    https://www.hessenschau.de/panorama/prozess-gestartet-awo-frankfurt-will-ueber-zwei-millionen-von-ex-fuehrungsriege-zurueck,awo-prozess-vor-dem-arbeitsgericht-100.html

    Selbstbedienung ist bei „Sozialen“ wohl auch sehr verbreitet.

  9. 2.

    Vergessen Sie Frankfurt am Main nicht.
    Der OB muß zurücktreten und es gab Dienstwagen und hohe Gehälter mit Postengeschacher.

    Wahrscheinlich hat das Finanzamt auf Weisung nicht so genau hingeschaut. Kennt man ja schon aus anderen Ländern z.B. Cum Ex in Hamburg.
    Wirtschaftsprüfer müssten genauer geprüft werden und jährlich neu zertifiziert werden. Es droht sonst scheinbar Filz, sieht man bei Wirecard, KPMG und Co

  10. 1.

    Und wieder die AWO, die als gekaufter und korrupter Verein auffällt. Erst der Riesenskandal in MV, wo Schwesig natürlich keine Verantwortung übernommen hat und weiter ihr genehme Org. schmiert. Dann in NS, NRW usw. wo dieser schmutzige Verein immer wieder die Grenzen der Legalität überschreitet. Aber da gibts sicherlich ein Kontrollrat wie beim rbb, der alles richtet... haha

Nächster Artikel

Bild in groß
Bildunterschrift