Impflogistik in Berlin und Brandenburg - Wie Ärzte auf eine Impfpflicht vorbereitet sind
1,5 Millionen Menschen in Berlin und Brandenburg sind bislang nicht gegen Corona geimpft. Wenn der Bund eine Impfpflicht beschließt, würde wohl eine gewaltige Impfwelle anrollen. Schaffen Ärzte und Impfzentren das? Von Sylvia Tiegs
Bei der Hausärztin oder vor dem Möbelhaus, im Club oder im Impfzentrum, auf der Trabrennbahn Karlshorst oder in den Spandauer Arcaden: Impfmöglichkeiten gibt es wahrlich viele in Berlin. Dennoch haben rund 714.000 Berliner und Berlinerinnen sich noch gar keine Spritze gegen Corona geben lassen, Kinder unter fünf Jahren nicht mitgerechnet.
Käme eine allgemeine Impfpflicht, rechnet die Berliner Gesundheitsverwaltung allein für die Erwachsenen mit etwa 2,5 Millionen notwendigen Impfungen. Drei Spritzen für die komplett Ungeimpften: macht 2,1 Millionen Impfungen - plus all jene, die am Stichtag erst die erste oder zweite Impfung intus haben.
Impfstoff-Lieferungen unzuverlässig
Auf die Berliner Impfzentren und Ärzte käme also einiges zu. Die Kassenärzte sehen das gelassen. "Die Kapazität für das Erreichen einer notwendigen Menge an Impfungen, die durch eine allgemeine Impfpflicht käme, hätten wir tatsächlich jetzt schon. Die haben wir zusammen in den Arztpraxen mit den mobilen Impfteams. Das ist nicht das Problem", sagte Burkhard Ruppert, Vorsitzender der Kassenärzte Berlin.
Das Problem ist laut KV-Chef Ruppert eher der Impfstoff – beziehungsweise die Unzuverlässigkeit bei dessen Lieferung. "Wir haben ein Problem bei der Frage: Wie viel Impfstoff steht überhaupt zur Verfügung, wann kommt der Impfstoff in die Praxen?"
In Berlin impfen viele unterschiedliche Akteure
Dennoch: Allein im Dezember haben Berlins niedergelassene Kassenärzte nach Angaben ihrer Vereinigung 660.000 Corona-Impfungen durchgeführt. Auf 20 Arbeitstage gerechnet waren das 33.000 pro Tag. Am Start sind nicht nur die Allgemeinmediziner und Kinderärzte der Stadt, sondern auch Fachärzte aller Richtungen.
Und sie impfen nicht alleine, es gibt ja auch noch drei große Impfzentren - in Tegel, im ICC und an der Messe sowie etliche kleinere Impfstellen, verteilt über die ganze Stadt.
Wie lange bräuchte Berlin also, um geschätzt rund 2,5 Millionen Impfungen zu stemmen? Die Senatsverwaltung für Gesundheit teilt dazu auf rbb-Anfrage mit: "Mit der aktuell zur Verfügung stehenden Infrastruktur wäre diese Impfleistung in voraussichtlich drei bis vier Monaten zu bewältigen". Um eine allgemeine Impfpflicht vorzubereiten, wären wahrscheinlich nur wenige Tage möglich, heißt es in der Berliner Gesundheitsverwaltung.
In Brandenburg gibt es mehr Impfmöglichkeiten als je zuvor
Das Land Brandenburg ist etwas vorsichtiger in seiner Einschätzung, wie schnell man im Falle einer Impfpflicht reagieren könnte. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es auf Anfrage, das hänge vom tatsächlichen Zeitpunkt der Einführung der Impfpflicht ab, außerdem von Fristen, eventuellen Ausnahmeregelungen und davon, wieviele Impfungen verpflichtend vorgesehen wären. "Erst mit diesen Informationen ist eine verlässliche Antwort auf die Frage möglich, ob die bestehenden Strukturen ergänzt werden müssten", hieß es.
Klar ist, wie viele Bürgerinnen und Bürger aktuell noch gar nicht gegen Corona geimpft sind: Laut Statistischem Landesamt sind es rund 716.000 Männer und Frauen in der Mark - absolut gesehen etwas mehr als in Berlin. Dafür haben die Brandenburger seit Jahresbeginn mehr Impfmöglichkeiten als je zuvor: Aktuell gibt es rund 150 Impfstellen, verteilt über ganz Brandenburg. Manche impfen nur ein Mal, andere sechs Tage die Woche. Hinzu kommen 1.400 niedergelassene Ärzte in Brandenburg, die regelmäßig Corona-Schutzimpfungen anbieten.
Keine Kapazitäten für Unwillige
Wolfgang Kreischer vom Hausärzteverband Berlin-Brandenburg weist auf den enormen Aufwand hin, den niedergelassene Ärzte in der Region mit dem Impfen haben. Auch er beklagt, wie der Chef der Berliner Kassenärzte, die anhaltenden Probleme bei der Belieferung der Praxen mit Impfstoff. Im Falle einer allgemeinen Impfpflicht befürchtet Kreischer ein großes Chaos in den Praxen. "Wir wollen in den Praxen diejenigen impfen, die impfwillig sind. Die Impfunwilligen können wir nicht versorgen. Wir können gar nicht diese Diskussionen neben der normalen Tätigkeit ausführen", sagte Kreischer. Um die Gruppe solle sich besser der öffentliche Gesundheitsdienst kümmern.