Politisch motivierte Straftaten - Der Wahlkampf in Brandenburg verläuft deutlich aggressiver

Mo 13.09.21 | 06:09 Uhr | Von Andreas Hewel
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Symbolbild: Ein zerstörtes Wahlplakat der SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz hängt in der Innenstadt. (Quelle: imago images/R. Peters)
Bild: imago images/R. Peters

Mehrere Parteien in Brandenburg sind sich einig: Der Bundestags-Wahlkampf ist in diesem Jahr rauer als 2017. Sie klagen über zerstörte Plakate, aber auch handfeste Übergriffe. Vorläufige Zahlen der Ermittler geben ihnen Recht. Von Andreas Hewel

Möglicherweise wird es in Brandenburg während des Wahlkampfs zur Bundestagswahl deutlich mehr politische Straftaten geben wie noch vor vier Jahren. Die Polizei hat bereits 263 politisch motivierte Straftaten im Zusammenhang mit der Bundestagswahl in diesem Jahr registriert. Im Vergleichszeitraum 2017 waren es 232. Zudem liegt eine hohe Zahl an zusätzlichen Meldungen von Straftaten bereits vor, ist aber noch nicht in die Statistik eingegangen.

Zahlenmäßig das Hauptziel der Übergriffe sind die Wahlplakate. Sie werden beschädigt, völlig zerstört oder gleich geklaut. Aber auch die Fälle von Bedrohungen oder Beleidigungen von Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern nehmen zu.

Es wird mit deutlich härteren Bandagen gekämpft, sagt Torsten Herbst, Pressesprecher des Polizeipräsidiums in Brandenburg. Beleidigungen und Bedrohungen, so Herbst weiter, seien ein Zeichen für die Verrohung des Wahlkampfes. Die Grenze zur Illegalität wird zusehends überschritten im Kampf um Wählerstimmen.

Borkwalde, Brandenburg, In einem Gebuesch befindet sich ein Wahlplakat der AfD. (Quelle: dpa/S. Steinache)
Bild: dpa/S. Steinach

Grüne, AfD und FDP klagen besonders über Übergriffe

Eine Wahlkampfveranstaltung in Brandenburg an der Havel im August liegt der Landesvorsitzenden der Grünen Alexandra Pichl noch heute im Magen. Rund 100 Demonstranten aus der Querdenker-Szene hätten sich unter die Gäste gemischt, sagt sie, und die Veranstaltung massiv gestört. Der ebenfalls anwesende Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, habe nach der Kundgebung nur unter Polizeischutz die Stadt sicher verlassen können. So massiv seien die Bedrohungen und Einschüchterungsversuche der Querdenkerdemonstranten gewesen.

Aggressiver, schärfer und herabwürdigender, klagt Pichl, seien die Angriffe zumindest von manchen politischen Gegner geworden. Die Grünen seien eine Partei, die für große Veränderungen werbe, versucht sie die Übergriffe zu erklären. Da werde man schnell zum Feindbild für die Gegner.

Auch die AfD klagt über deutlich mehr Plakatzerstörungen als in den vergangenen Wahlkämpfen. Auch massive körperliche Bedrohungen und sogar Angriffe habe es gegeben, sagt der Sprecher der Brandenburger AfD, Detlev Frye. In vielen Fällen aber habe man die Täter ausfindig machen und anzeigen können.

Eine harte Gangart im Wahlkampf, so die Brandenburger FDP-Spitzenkandidatin Linda Teuteberg, gebe es in ihrem Wahlkreis, zu dem Potsdam gehört, leider schon lange. Botschaften auf Wahlplakaten würden verfälscht oder die Plakate zerstört. Vereinzelt würden auch Wahlveranstaltungen gezielt gestört. Das alles sei schlecht für die Demokratie, klagt Teuteberg. Diese lebe davon, dass man andere reden lasse und nicht versuche, sie zu verbannen.

Weniger betroffen sehen sich SPD, CDU und Die Linke

Andere Parteien sind von einer Zunahme von Übergriffen hingegen eher verschont geblieben oder sie haben ein dickeres Fell. So kann auch die SPD von Plakatzerstörungen ein Lied singen. Das aber, so Landesgeschäftsführer Daniel Rigot, geschehe auf dem Niveau von früheren Wahlen.

So sieht es auch die Union. Das Niveau an Übergriffen allerdings sei sehr hoch, sagt Generalsekretär Gordon Hoffmann. Deutlich rauer geworden sei es vor allem im Internet. Das Maß an Hass und Häme sei hier enorm.

Einen rauen Wahlkampf nach bekannter Art bestätigt auch der Landesgeschäftsführer der Linken, Stefan Wollenberg. In der Summe seien die Übergriffe nicht mehr geworden als sonst, stellt er fest. Doch zur Wahrheit gehöre auch, dass eben mal in ganzen Ortschaften über Nacht Plakate der Linken verschwänden und die von politischen Gegnern der ganz anderen Seite aufgehängt würden.

Wahlplakat mit der Aufschrift: "Freiheit. Zu sein, was man ist. (Quelle: rbb/Hewel)
Bild: rbb/Hewel

Ein freiheitsliebender Flamingo wird besonders oft geklaut

Die Polizei und die Ermittlungsbehörden würden den zunehmenden Straftaten im Wahlkampf nicht tatenlos zusehen, versucht Torsten Herbst vom Polizeipräsidium zu beruhigen. Schon jetzt liege die Aufklärungsquote für politisch motivierte Straftaten im Jahr 2021 bei mehr als 45 Prozent, sagt er. Und das, obwohl viele Ermittlungsverfahren noch liefen.

2017 lag die Aufklärungsquote bei knapp 50 Prozent. Die werde man dieses Jahr, so Herbst selbstsicher, deutlich überbieten. Und weiter kündigt er an, "jeder zweite Straftäter kommt nicht ungeschoren davon".

Relativ gut durch den Wahlkampf kommen unterdessen die Freien Wähler. Nicht schlimmer als sonst sei die Lage für sie, so der Landesvorsitzender von BVB/Freie Wähler, Péter Vida. Einen Fall von massivem Plakatdiebstahl habe es zwar in Berlin gegeben, den aber führt Vida nicht auf Übergriffe von politischen Gegnern zurück.

Im Gegenteil: Es seien hier nur Plakate mit einem speziellen Motiv geklaut worden: das Flamingo-Plakat, sagt Vida. Unter einem orangefarbenen Flamingo, der unter vielen anderen Vögeln steht, ist die Schrift zu lesen "Freiheit. Zu sein, was man ist". Dieses Plakat und dieser Slogan, so vermutet Vida stolz, habe offenbar gerade in der Bundeshauptstadt besonders viel Zuspruch gefunden. Solche Übergriffe nimmt man dann offenbar gerne hin.

50 Kommentare

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  1. 50.

    Gott sei dank lernt mein Jüngster noch was über Goethe und Schiller etc. Das Elternhaus spielt da eine entscheidende Rolle. Auch die Gymnasien sind vielfach noch kulturgeschichtlich an diese gebunden. Dichter und Denker und das jüdische Leben war in Deutschland hoch kultiviert.!

  2. 49.

    Zur Ihrer Info, die Phisophie war für mich ein Pflichtfach, und die Literatur selbverstänlich auch.

    Das mit der Zestörungswut sollten Sie "stecken" lassen, ist völlig daneben.

  3. 48.

    Dagmar, Sie haben da ein Defizit im Verstehen dessen, was damit ausgedrückt werden soll. Von Philosphie und Literatur haben Sie auch keine Ahnung. Niemand bestreitet die Verbrechen der Nazi-Zeit und die Historizität dieser Phrase von "Dichtern und Denkern", die im übrigen - sogar wiki scheint Sie zu überfordern - nicht allein Deutsche für sich erdacht haben. Lassen wir das, hat auch mit dem Thema nix mehr zu tun ... obwohl, Bildung tut Not, auch um dumpfe Zerstörungswut einzudämmen.

  4. 47.

    Bildung durch Wikipedia zum Thema Denker und Dichter, das in 19. jahrhundert von deutschen Nationalisten aufkam.
    Heute sind wir in 21.Jahrhundert, und das 20.Jahrhundert sollte man auch nicht vergessen.

  5. 46.

    Na, wenn Sie das sagen, muss es wohl stimmen .... Bildung kann helfen!
    https://de.wikipedia.org/wiki/Dichter_und_Denker

  6. 45.
    Antwort auf [Ule] vom 13.09.2021 um 18:03

    Weil sie der allgemeinen Belustigung dienen...?

  7. 43.
    Antwort auf [Ule] vom 13.09.2021 um 18:03

    Zumindest machen Sie klar, woher Ihr Wind weht.

  8. 42.

    Es gibt kein Land der Dichter und Denker. In allen Nationen gab oder gibt es Dichter, Denker und (Kriegs) - Verbrecher.innen. In Deutschland waren aber die beiden Erstgenannten nicht selten gezwungen das Land zu verlassen.
    Albert Einstein hätte, wäre er in Deutschland geblieben, das 1000 järige Reich nicht überlebt. Da ist Biermann noch klimplich davongekommen.

  9. 41.

    Dufte!!! Wahlplakate sind sowatt von 20.Jahrhundert... Umweltverschmutzung hoch zehn und keinen interessieren die scheinheiligen Slogans unter den rausgeputzten Politikern. Sollte wirklich verboten werden!!!

  10. 40.

    Ich lasse mir von niemandem den Mund verbieten, denn ich habe ein Recht darauf, dass ich jedem meine Meinung sagen darf, ganz gleich was andere darüber denken!

  11. 39.

    Wer Wandlitz kennt kann Vergleiche ziehen. Für mich wäre es die höchste Ehre in den Bundestag gewählt zu werden. Ein so hohes Entgeld mit der Begründung der Unbestechlichkeit würde ich nicht beanspruchen wollen. Wer da bestechlich ist hat zu "fliegen"- sofort.

  12. 38.

    Sie stellen etwas voran was ich so nicht geschrieben habe. Für die derzeitigen Schulnoten bin ich z.B. nicht verantwortlich. Will aber sagen, dass ich es für ein Vergehen halte, dass da nicht das mögliche Potential ausgeschöpft wurde und wird. Bildung heißt Zukunftssicherung; ich wüßte was man da mehr tun muss. Ja, wir haben der Welt nicht nur diese schlimmsten 12 Jahre vorzuweisen. Ich muss ihnen jetzt nicht auch Namen von Personen nennen um die die ganze Welt weiss.

  13. 37.

    Und wenn es NIEMALS funktioniert hätte:
    Keinem Demokraten würde es jemals einfallen, jemandem den Mund zu verbieten.

  14. 36.

    Von mir aus, glauben Sie weiter, dass die Deutschen das Volk der Dichter und Denker sind.

  15. 35.

    So wie in China ? Nene; wir Bürger ind nur nicht mit allen Dingen einverstanden aber die große Linie stimmt. Sehen sie mal; nur so als Beispiel: Alle wissen, dass wir unsere Natur und Umwelt so nicht weiter zerstören dürfen. Aber keine einzige Partei ist willens die Dinge so umfassend zu benennen wie es erforderlich wäre. Ziele müssen real sein und belegt werden; mit bla-bla findet sich keiner mehr ab.

  16. 34.

    Auweia...wer bitte nimmt denn wahlplakate für voll?!
    Als wenn die entscheidungsfindung just vom wahlplakat abhängen würde...lach;)
    Wenn es nach mir ginge würde dieser schmutz erst garnicht aufgehängt...

  17. 33.

    Es hat sich aber oft genug gezeigt, dass dies mit der Kommentarfunktion deutlich nicht funktioniert.

  18. 32.

    Dem möchte ich mich anschließen. Die Abschaffung der Kommentarfunktion könnte ein wichtiger Schritt in Richtung gesellschaftlicher Befriedung sein.

  19. 31.

    Bin da gar nicht ihrer Meinung. Seriös sollte es schon zugehen und es sollte rote Linien geben. Es ist oft nicht immer leicht - gerade in politischen Fragen. Man kann aber auch positiv provozieren. Ich selbst gehöre zu den Bürgern, die die politische Landschaft lieber nicht so zersplittert sehen würden.

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