Schöneiche und Gosen-Neu Zittau - BER-Fluglärm belastet Brandenburger Gemeinden

Fr 19.11.21 | 18:27 Uhr | Von Isabel Röder
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Flugzeug im Landeanflug auf die Suedbahn des Berliner Hauptstadtflughafens BER (Quelle: dpa/Reinhard Kaufhold)
Audio: Antenne Brandenburg | 19.11.2021 | Isabel Röder | Bild: dpa/Reinhard Kaufhold

Bisher wurden die beiden Start- und Landebahnen des Flughafens BER im monatlichen Wechsel genutzt. Doch Bürger aus Schöneiche und Gosen-Neu Zittau wollen nicht warten, bis der Lärm sie täglich belastet. Sie fordern, die Flugrouten zu überarbeiten. Von Isabel Röder

Wenn Hans-Joachim Schlaak aus Schöneiche bei Berlin morgens aufsteht, wirft er als erstes einen Blick auf die Windkarte. "Ich sehe, wenn der Wind aus Osten weht", sagt der Rentner. "Dann richte ich meine Tätigkeit so aus, dass ich an diesem Tag nicht im Garten bin."

Denn wenn die Flugzeuge auf der Nordbahn des BER starten und der Wind aus Osten weht, wird es in Schöneiche laut. Das sei in rund 40 Prozent der Tage der Fall, schätzt Schlaak. Rund 100 Mal am Tag überfliegen die Flieger auf der Müggelseeroute dann Schöneiche. Die Müggelseeroute führt die Flugzeuge nach Osten, dann drehen sie nach Norden ab und fliegen an Schöneiche und Neuenhagen vorbei.

Hans-Joachim Schlaak aus Schöneiche bei Berlin
Bild: Isabel Röder/rbb

Schlaak ist Mitglied der Bürgerinitiative "Schöneicher Forum gegen Fluglärm". In seinem Garten hat er ein kalibriertes Mikrophon aufgestellt. Sechs Meter ragt es an einer Stange in die Höhe. Die Daten übermittelt die Station direkt an den Deutschen Fluglärmdienst, sie sind im Internet einzusehen.

So laut wie ein vorbeifahrender LKW

Eine der Karten mit Lärmkurven hat Schlaak ausgedruckt. "Hier sind sehr häufig Pegel über 60 dB zu sehen, der höchste Wert liegt bei 68 dB", erklärt Schlag, der sich auch während seines Berufslebens mit Schall beschäftigt hat. Ein vorbeifahrender LKW entspräche einem Lärmpegel von 70 dB. "Allerdings hören wir ein Flugzeug rund 30 Sekunden lang."

Besonders ärgere Schlaak der Fluglärm, weil die Müggelseeroute lange gar nicht vorgesehen gewesen sei. Er deutet rechts auf das Nachbargründstück. "Dieser Nachbar ist aus Müggelheim hergezogen, weil ihm versichert wurde, dass Schöneiche nicht betroffen sei."

Vielfach hat sich Schlaak bereits beim Lärmschutzbeauftragten des Flughafens BER beschwert. "Doch die Antwort ist immer die Gleiche. Man bekommt das Gefühl, es bringt nichts, sich zu beschweren", sagt er. Der Lärmschutzbeauftragte verweise auf Messungen, die der BER selbst mit einer mobilen Station im September in Schöneiche habe durchführen lassen. Doch diese Messwerte seien zu klein, sagt Schlaak. "Die Messungen wurden 1,3 Kilometer entfernt von dem Flugkorridor durchgeführt, den die Flugzeuge tatsächlich überfliegen." Warum der BER diesen Standort für die Messungen gewählt hat, könne Schlaak nicht nachvollziehen.

Bürgerinitiative will Müggelseeroute streichen lassen

Um die Lärmbelästigung zu mindern, hat sich die Schöneicher Bürgerinitiative an die Fluglärmkommission gewandt. In einem Schreiben möchte sie die Gründe wissen, die für den Erhalt der Müggelseeroute sprechen. Aus Sicht der Schöneicher könnten die Flieger von der Nordbahn auch in einem leichten Schlenker geradeaus nach Osten fliegen, wenn von der Südbahn die Hoffmann-Kurve geflogen werde. "So kommen sich die Flieger nicht in die Quere", sagt Schlaak.

Thomas Schwedowski (SPD), Bürgermeister in Gosen-Neu Zittau
Bild: Isabel Röder/rbb

Thomas Schwedowski (SPD), Bürgermeister in Gosen-Neu Zittau, steht diesem Vorschlag kritisch gegenüber. Denn dann könnten die Flieger über seine Gemeinde hinwegfliegen. Und dabei leide Gosen bereits unter dem Landeanflug der Flugzeuge auf die Südbahn. "Problematisch ist, dass die Flughöhe von 700 Metern über den Ort zu gering ist", sagt Schwedowski. Er fordert, dass die Flugzeuge steiler starten, sodass sie schneller an Flughöhe gewinnen, und einen steileren Landeanflug fliegen.

Um die Beschwerden aus der Gemeinde mit Messungen zu unterstreichen, würde Schwedowski gerne eine vom BER anerkannte Messtation aufstellen. "Wir bezahlen diese auch", sagt der Bürgermeister, "aber der Flughafen möchte das partout nicht." Jetzt wartet Schwedowski auf die Messwerte, die bei der mobilen Messung des BER im Oktober in Gosen aufgezeichnet wurden.

Zeitpunkt für Überprüfung der Flugrouten ungewiss

Derweil hat sich die Gemeinde beim ersten Treffen der Fluglärmkommission seit Eröffnung des BER Anfang November beschwert. Doch das Anliegen sei lapidar zurückgewiesen worden, beklagt der Bürgermeister: "Nach dem Motto, die Flugrouten werden erst überprüft, wenn der Flughafen ein Jahr in Betrieb ist, im vollständigen Betrieb."

Wann das genau sein wird, ist bisher unklar. Im Dezember wolle der Flughafen die beiden Start- und Landebahnen parallel betreiben, bestätigte eine Sprecherin des BER auf Anfrage des rbb. Weiter teilte der Flughafen mit, dass er für die Bestimmung eines Überprüfungszeitraums im Austausch mit den Behörden stehe. Eine Überprüfung der Flugrouten halte er aber erst für sinnvoll, wenn der Flughafen höher ausgelastet sei. Denn der verminderte Flugbetrieb führe im Ergebnis bisher dazu, dass es keinerlei erweiterten Anspruch auf Schallschutz gebe.

Dass nicht bereits mit den gewonnenen Daten gearbeitet wird, können weder Schlaak von der Schöneicher Bürgerinitiative noch Gosens Bürgermeister Thomas Schwedowski verstehen. "Es geht doch darum, die Menschen zu entlasten", sagt Schlaak.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.11.2021, 14:40 Uhr

43 Kommentare

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  1. 43.

    Sperenberg liegt weder an einer Autobahn noch an einer Bahnstrecke. (Jedenfall aktiven Bahnstrecke)

    Das Industriegebiet Freienbrink hat beides.

    Was vergleichen Sie also?



  2. 42.

    Analog wie in Freienbrink! Da scheint's wohl zu klappen mit der Infrastruktur oder nicht?

  3. 39.

    Die Lufttemperatur jedenfalls nicht;)

    Eher Die Strahlungstemperatur. Aber auch die nur mehr schlecht als Recht, dafür gibt es spezielle Messgeräte.

  4. 38.

    Wo in Sperenberg hätte der Flughafen denn gebaut werden sollen? an der Bahnlinie Dresden-Berlin? (Dann hätte Dresden wohl endgültig keinen mehr gebraucht.)

    Wo hätte man eine Autobahnzubringer gebaut? Die ganze Infrastruktur drumherum hätte dort doch erst einmal gefehlt oder nicht?

  5. 37.

    Ich meine, es ist schon hilfreich, wenn man mit einem bezahlbaren Handgerät (ca. 65 Euro) den Lärm erst einmal misst, um mehr zu wissen, als dass man es als heftig laut empfindet. Mit diesem Messergebnis allein kann man natürlich nicht gegen den Fluglärm vorgehen, nicht einmal mit einer regelmäßig kalibrierten Fluglärm-Messstation, die dreitausend Euro kostet. Dafür ist ein hochpreisiger eichfähiger Schallpegelmesser nötig (über 10 T€), der dann auch noch von einem Profi bedient werden muss. Aber einem Profi wird es dann schon interessieren, welche Lärmpegel sie gemessen haben, auch wenn sie nicht besonders genau sind, Nur „sehr laut“ ist wenig Information für eine Verständigung.

  6. 36.

    Der Gutachtersschuß für Grundstückswerte des Landkreises Dahme-Spreewald hat laut Tagesspiegel den neuen Trend für die Grundstückspreise veröffentlicht. Es gibt offensichtlich genügend Menschen, die bereit sind, tiefer bei Hauskauf in die Tasche zu greifen obwohl vermehrt geflogen wird. „Es gibt keine negativen Effekte trotz des Fluglärms. Die Leute kaufen dort“, sagte Dirk Schiefelbein, Vizechef des Gutachterausschusses.

  7. 35.

    Nein, aber den richtigen Standort wählen. Und nicht auf Kosten der Steuerzahlet.

  8. 34.

    Genau, so sehe ich das auch :).Ubd was in der Vergangenheit falsch entschieden wurde, muss ja nicht wiederholt werden.

  9. 33.

    Sehe ich auch so. Überlege auch ob wir nächstes Mal ab LEJ fliegen. Und ja, es gibt Stauzeiten, wo man 2 Stunden mit dem Auto zum BER benötigt. Der Nahverkehr ist definitiv besser als am alten Flughafen Tegel, aber nicht von überall. Aus dem Osten dürfen sie erst in die Stadt (Ostkreuz) fahren, um dann wieder rauszufahren. Generell sollte man erstmal abwarten, wie es sich einruckelt, es dauert aktuell natürlich zu lange, ist man aber hier in Deutschland, speziell Berlin gewöhnt. Und das die Flugrouten erst nach einem Jahr überprüft werden, auch irgendwie verständlich. Es wird hier definitiv Verlierer geben.

  10. 32.

    Man braucht z B. genaue Messergebnisse, wenn man gegen den hier im Artikel thematisieren Fluglärm vorgehen will. So mancher Laien stellt dann nämlich plötzlich verwundert fest, dass die Werte seines Handmeßgerätes nicht akzeptiert werden. Auf dem S-Bahnsteig macht es ja auch einen Unterschied, ob man vor der Werbewand misst oder dahinter 100 m freies Feld kommen. In der Bundesrepublik gibt es deshalb detaillierte Meßvorschriften wie ja auch der DWD manchmal Meßstationen verlegt, weil die zwar eindrucksvolle Werte für BILD und Co liefern, die aber durch äußere Faktoren verfälscht sind.

  11. 31.

    Wer misst denn die Temperatur, wenn die Sonne aufs Thermometer scheint? Und wer stellt sich vor eine Mauer, wenn er Lärmpegel messen möchte? Es werden nicht Viele sein! Und wer braucht hochgenaue Messergebnisse?

  12. 30.

    Bei der Messung der Lufttemoeratur kann man ähnlich leicht Fehler machen wie bei der Messung des Schallpegels. Erstere sollte man nicht in der prallen Sonne vornehmen, letztere kann leicht durch Reflexionen verfälscht werden. Das könnte man sogar, wenn man den wollte, als Laie leicht auf dem S-Bahnsteig erkennen, wenn man an versch. Stellen misst. Die Messerwerte sind durch solche Anfängerfehler dann schnell für den Popo.

    Aber hey, der Pilot auf der Nordbahn hat ja auch eine gute Glaskugel und weiß deshalb ausreichend zuverlässig, dass der Jet auf der Südbahn die Kurve fliegen wird. Die BFU braucht sich dadurch nicht mehr um gefährliche Annäherungen zu kümmern.

  13. 29.

    Danke, für die Hinweise. Für mich zählt auch immer das ZDF-Prinzip (Zahlen, Daten, Fakten). Damit ich sachlich bleiben kann, werde ich mich bei den von Ihnen angegebenen Quellen informieren. FG Chris MOL

  14. 28.

    In vielen europäischen Hauptstädten sind deren Flughäfen allerdings auch internationale Drehkreuze für das gesamte Land und nicht nur aus historischen Gründen - die deutsche Teilung haben viele schon vergessen - auf die Funktion als Hauptstadtflughafen reduziert.

  15. 27.

    Den einzigen Berliner Flughafen schließen??
    Wo leben Sie denn....die meisten europäischen Millionen-Hauptstädte haben mehrere internationale Flughäfen.
    Soll man dann auch alle unwirtschaftlichen Bus- und Bahnlinien schließen?

  16. 26.

    Selbst der Osten der Bundesrepublik ist allerdings noch dicht besiedelt. Dass es auch weiter weg von der Hauptstadt NIMBYs gibt.

    Haben Sie Ihre Aussage zu den Flughöhen mal mit Tools wie Flightradar24 überprüft? Dank der Kollissionlampen sieht man Flugzeuge im Dunkeln zwar sehr gut, kann aber nur wenig zuverlässig die Höhe einschätzen. Auch wäre zu prüfen, ob nicht ein vergleichsweise tiefer Gegenanflug (beim EDDF sind es 3000 bis 6000 Fuss) auch aus Gründen der Staffelung erfolgt.

  17. 25.

    In Hoppegarten/ Münchehofe auch Lärm durch diese Flieger. Am Wochenende fällt man 5 Uhr aus dem Bett. Furchtbar. Und nein, wir fliegen nicht, fliegen ist schlecht für die Umwelt und egoistisch. Wegen mir kann der Flughafen wieder dicht machen, ist eh ne Fehlplanung.

  18. 24.

    Re: Nicole. Sie haben meinen Beitrag nicht verstanden u. falsch interpretiert. Ich war bereits vor (!) der Festlegung des Ausbaus des damaligen Flughafens Schönefeld zum BER gg. diesen Standort. Es ging mir hauptsächlich um d. Einhaltung der Flugrouten. Übrigens, a. d. Flugplatz in SRB waren nur 14x AN2 u. 2 x L410 stationiert u. flogen kaum. Der meiste Flugbetrieb durch Tiefflieger u. Kampfflugzeuge kam Mo, Mi, Fr aus Marxwalde (NVA) damal. DDR u. Di, Do, Sa aus Werneuchen ((GSSD) damal. SU.

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