30 Jahre Neues Forum - Warum die Wende-Proteste in Grünheide ihren Anfang nahmen

Di 10.09.19 | 17:08 Uhr | Von Michel Nowak
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Der Briefkasten von Robert Havemann vor seinem Haus in Grünheide.
Video: Brandenburg aktuell | 10.09.2019 | Michel Nowak | Bild: rbb/Michel Nowak

Grünheide ist einer der wichtigsten Ursprungs-Orte für die Wende-Proteste. Von diesem idyllischen Ort im Kreis Oder-Spree aus verbreitete sich vor 30 Jahren ein Aufruf des neu gegründeten Neuen Forums wie ein Lauffeuer durch die DDR. Von Michel Nowak

Ein unscheinbares, weißes Haus am Ortsrand von Grünheide. Fast wirkt es wie ein Wochenend-Bungalow. Für die deutsche Geschichte ist dieser schlichte Bau wichtig. Denn hier wohnte der DDR-Regimekritiker Robert Havemann. Jahrelang unter Hausarrest, immer begleitet von Stasi-Spitzeln. Nachbarn wie Reinhard Große erinnern sich daran lebhaft. "Also ich kenne ihn nur als freundlichen Menschen, der immer gewunken hat und habe dann eben gesehen, wie er verfolgt wurde, wenn er in seinen Wartburg Tourist eingestiegen ist, wie dann die Mannschaft der Staatssicherheit hinter ihm hergefahren ist", sagt Große. "Das war beklemmend und schrecklich."

Ein eingeschossiges Haus mit flachem Dach, weißen Wänden und braunen Fensterrahmen. Das Haus von Robert Havemann in Grünheide.
Bild: rbb/Michel Nowak

Neues Forum Grünheide

Im Jahr 1982 stirbt Robert Havemann. Seine Witwe Katja Havemann setzt die politische Arbeit fort. Vor 30 Jahren versammeln sich in Grünheide DDR-Oppositionelle wie Bärbel Bohley oder Jens Reich. Hier gründen sie mit weiteren Bürgerrechtlern das Neue Forum und veröffentlichen den Aufruf 89. Mit dabei war damals auch der Anwalt Rolf Henrich. "Der eine glühte für den wahren Sozialismus, der andere wollte eine Räterepublik. Und erst als wir uns dann so ein bisschen abgearbeitet hatten, dann hat Jens Reich und dann habe ich jeweils einen vorbereiteten Aufruf aus der Tasche gezogen."  

Aufruf mit Folgen

Einen „demokratischen Dialog“ verlangen die Initiatoren. Der Aufruf hat Folgen. Überall in der DDR sammeln Unterstützer Unterschriften. Insgesamt 200.000 Menschen beteiligen sich. Der Unmut über das System bricht sich endgültig Bahn, wie Tina Krone, Mitarbeiterin der Berliner Robert-Havemann-Gesellschaft sagt. "Ab September 89 war alles, was die Menschen gemacht haben, ob sie zu den Montags- oder Mittwochsgebeten in die Kirchen und danach auf die Demonstrationen gegangen sind, das war alles illegal", sagt sie. "Sie mussten damit rechnen, verhaftet zu werden. Das ist schon bewunderungswert."

Haus in ursprünglichem Zustand

Der Aufruf 89 des Neuen Forums gilt bis heute als einer der wichtigsten Wende-Motoren. Und der DDR-Regimekritiker Robert Havemann ist heute Ehrenbürger von Grünheide. Die Mitinitiatorin des Aufrufs 89, Katja Havemann, ist vor einigen Jahren aus Grünheide weggezogen. Die aktuellen Besitzer haben das unscheinbare Haus aber in seinem ursprünglichen Zustand belassen. Und so erinnert dieser stille, starke Ort weiter an einen Wendepunkt deutscher Geschichte.  

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.09.2019, 13 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Am vergangenen Sonnabend waren wir in Grünheide, um einen Bekannten in der REHA zu besuchen.
    Davon, dass Grünheide irgendetwas mit dem Neuen Forum zu tun gehabt hatte, wussten wir nichts.
    Bei einem kleinen Spaziergang durch den Ort entdeckten wir zufällig in dem Kasten mit Bekanntmachungen von der Evangelischen Kirchengemeinde diesen Zettel:
    http://www.thomasius.de/images/Neues_Forum.jpg

  2. 5.

    Das frage ich mich auch.
    Grünheide liegt nahezu angrenzend an Berlin, nahezu angrenzend an den Bezirk Treptow-Köpenick. Nur Erkner ist noch dazwischen.

    Lieber RBB, auch ich bitte das zu korrigieren.

    Das scheint nichts überragend Wichtiges zu sein, ist aber für mich immer ein kleines Alarmzeichen, dass im Kleinen zu schnell gearbeitet wird, was sich dann irgendwann und irgendwo zum Großen hin auswächst.

  3. 4.

    robert havemann ist eine vorbildfigur der ostdeutschen bürgerrechtsbewegung. umso erschütternder ist es, dass bei der grünheider bürgermeister-stichwahl kommenden sonntag ein vermutlich stasi-belasteter Mensch 30 Jahre nach dem Mauerfall gute Chancen hat, wieder(!)-gewählt zu werden. Die alten strukturen halten dort nach wie vor.

  4. 3.

    Es stand ein Auto mit 2 Leuten am Anfang der Burgwallstraße. Das war die Stasi Überwachung. Mehr habe ich dort nie gesehen. Und ich bin Alt Buchhorster.

  5. 2.

    Warum liegt Grünheide im Film in der Uckermark (roter Punkt auf der Karte)?

  6. 1.

    Das sind die eigentlichen Protagonisten der Wende und nicht jene, die nun unter falscher Flagge damit werben!

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