Partnerstadt von Frankfurt (Oder) - Das sagt man in Slubice über die polnische Präsidentschaftswahl
Europäische Union oder Nationalismus, Schwulenrechte oder konservatives Familienbild - bei der Präsidentschaftswahl in Polen geht es um Grundsatzfragen. Das treibt auch die Bürger in der Grenzstadt Slubice um.
Der nationalkonservative Amtsinhaber Andrzej Duda hat die Präsidentschaftswahl am Sonntag in Polen gewonnen. Der Kandidat der rechtspopulistischen PiS-Partei, die auch die polnische Regierung stellt, verpasste jedoch mit knapp 44 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Deshalb muss er in einer Stichwahl am 12. Juli gegen den zweitplazierten liberalen Kandidaten Rafal Trzaskowski antreten.
"Die anderen Parteien kann man in die Oder schmeißen"
In Slubice, direkt an der deutschen Grenze, gegenüber von Frankfurt (Oder), sind die Reaktionen nach der Wahl gemischt. "Ich habe den dritten Kandidaten gewählt. Der ist ein so konkreter, parteiloser Kandidat. Die anderen Parteien kann man doch nur in die Oder schmeißen", erzählt eine ältere Dame und fuchtelt mit ihrem Gehstock.
Mit ihren Beschwerden ist sie nicht allein in der Stadt mit knapp 17.000 Einwohnern. "Viele Leute wollen eine Änderung. Man schätzt, dass es 70 Prozent sind", sagt ein Familienvater, der mit seiner Tochter den Nachmittag auf dem Spielplatz verbringt, "aber trotzdem wählen sie immer die bestehenden Parteien." Auch ein weiterer Passant zeigt sich wenig begeistert: "Ich bin nicht zufrieden. Die Polen sollten sich schneller entscheiden, weil es sehr viel Geld kostet, so eine Stichwahl zu organisieren."
"Weniger Stimmen als prognostiziert"
Krzysztof Wojchiechowski ist Soziologe und leitet in Slubice das Collegium Polonicum, einen Teil der deutsch-polnischen Viadrina-Universität. Er zeigt sich vom Wahlsieg Dudas nicht überrascht. "Signifikant ist, dass der amtierende Präsident weniger Stimmen bekommen hat, als ihm prognostiziert wurden", sagt Wojchiechowski.
Noch im Mai hatten viele Umfragen dem Amtsinhaber die absolute Mehrheit zugetraut. Duda unterzeichne selbst die problematischsten Gesetzesvorschläge der PiS ohne Kritik, kritisiert der Soziologe. Gerade in Westpolen und den großen Städten wendeten sich deswegen immer mehr Menschen von Duda und der PiS ab.
Deutsch-polnische Beziehungen
Das Ergebnis der Stichwahl könnte auch die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen beeinflussen. Der Herausforderer Rafal Trzaskowski, derzeit Bürgermeister von Warschau, gilt als viel europafreundlicher als Amtsinhaber Duda und seine PiS-Partei. "Trzaskowski würde sich zweifellos um gute Beziehungen mit Deutschland und der europäischen Union bemühen", sagt Wojchiechowski. Auch die PiS habe inzwischen gemerkt, dass die meisten Polen eine gute Beziehungen zu Deutschland wollten, sagt Wojchiechowski. Dennoch glaube er, dass Duda die Stichwahl gewinnen werde.
Sendung: Antenne Brandenburg, 29.06.2020, 19:40 Uhr.