Grundsteuer bei Landwirten - Klicken, klicken und weiterklicken

Fr 05.08.22 | 15:52 Uhr
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Eine Landwirtin bedient im Rahmen eines Forschungsprojektes das Lenksystem eines Mähdreschers (Bild: dpa/Thomas Trutschel)
Audio: Antenne Brandenburg | 05.08.2022 | Michael Lietz | Bild: dpa/Thomas Trutschel

Weil die Grundsteuer neu berechnet wird, müssen seit Juli Grundstückbesitzer den Finanzämtern ihre Daten online übermitteln. Landwirte mit vielen Flurstücken beklagen den bürokratischen Aufwand und bekommen nun Hilfe.

Im Büro von Martin Schultze stapeln sich die Akten. Dazwischen liegen Flurkarten, Bauunterlagen aus DDR-Zeiten und Schreiben von zwei Finanzämtern: Cottbus und Calau sind zuständig für die Ländereien des Landwirtschaftsbetriebes Ressen-Lindchen GmbH. Die Ackerflächen verteilen sich auf exakt 1.339 Flurstücke. Und genau das sei das Problem, sagt Geschäftsführer Martin Schultze, nachdem er sich online im Finanzamt-Portal eingeloggt hat.

Bis Ende Oktober müssen Millionen Menschen in Deutschland eine Grundsteuererklärung beim Finanzamt abgeben, weil die Werte für die Grundsteuern veraltet sind. Landwirte, die wie Martin Schultze mehrere Flurstücke besitzen, stehen vor einer großen Herausforderung: "Man muss jedes einzelne Flurstück für sich behandeln", sagt er. Jedes Mal anklicken, bearbeiten, Angaben machen. "Das dauert mehrere Minuten und wenn man das mit Tausend multiplizieren muss, dann kommen Arbeitsstunden, -tage und -wochen zusammen."

Ein "bürokratischer Kraftakt"

Die Neuberechnung der Grundsteuer wird nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2018 notwendig. Das Gericht hatte die bisherigen Regelungen für die Berechnung der Steuer für verfassungswidrig erklärt. Erst im Juli 2022 wurden Wohnungs-, Haus und Grundstücksbesitzer dazu aufgerufen, im Online-Portal des Finanzamtes ihre Daten einzutragen. Aufgrund der Angaben soll die Grundsteuer bis Ende 2024 neu berechnet werden. In Brandenburg werden nach Angaben der Landes etwa 1,3 Millionen Hektar – fast die Hälfte der Landesfläche – von 5.300 landwirtschaftlichen Betrieben benutzt.

"Hier wird relativ viel Arbeit abgewälzt", beschwert sich Borjana Dinewa-Zelt, Sprecherin beim Bauernverband Südbrandenburg. Sie spricht von einem "bürokratischen Kraftakt". Es gebe viel Unverständnis für das Prozedere, da die Daten bereits bei den Finanzämtern vorliegen würden. "Warum müssen wir jedes Mal jedes einzelne Flurstück anfassen und die Daten einpflegen?", sagt Dinewa-Zelt dem rbb. Für Landwirte auf dem Land sei dazu die wackelige Internetverbindung ein Problem, so die Sprecherin.

Finanzämter arbeiten an Lösung für Landwirte

Derzeit leisten die Bauernverbände Nachhilfe und bieten Schulungen an, wie Diwana-Zelt dem rbb sagt. Bei Bedarf gebe es auch Einzelfallhilfe. Der Landwirt Schultze hat auch Hilfe bekommen – allerdings vom Finanzamt selbst. "Die Beamten vom Finanzamt haben mir zugesagt, dass sie sich um meine Probleme kümmern wollen", sagt Schultze. "Die Bauern neigen ja immer dazu zu meckern, aber jetzt muss ich mal loben", so der Landwirt.

Er müsse jetzt die vielen Flurstücke nicht einzeln eintippen, es werde an einer Lösung gearbeitet. Er freue sich, dass das Problem beim Finanzamt endlich angekommen sei. Er empfiehlt anderen Landwirten, beim Finanzamt anzurufen. Drei Monate Zeit haben sie noch.

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.08.2022, 14:20 Uhr

Mit Material von Michael Lietz

18 Kommentare

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  1. 18.

    Wenn illusorische Daten dort erfasst sind, die mit der tatsächlichen Zahl am Markt rein gar nichts zu tun hat, dann ist die falsch und angreifbar. Beispiel: Man zahlte eine viel geringere Summe als angegeben und wertet durch eigene Leistungen auf. Durch die eigene Aufwertung könnte man nun höherwertig verkaufen. Man soll nun die eigenen Leistung nachteilig versteuern und derjenige der nichts gemacht hat soll weniger zahlen, weil der Richtwert durch Nichtstun nicht gestiegen ist? Wenn der Richtwert der Datenbank also zu stark abweicht von der am Markt gültigen und echt bezahlten Summe, dann macht man was?

  2. 17.

    Ich rede von der offiziellen Datenbank des Landes Brandenburg, die genau für diesen Zweck eingerichtet wurde. Und dann kommt sowas dabei heraus.

  3. 16.

    Eventuell ist „Ihre Richtwertdatei“ fehlerhaft und nicht geeignet? Es gibt vermutlich gar keine Richtwerte die stimmen, wie. die Betreiber solcher Seiten selbst einräumen, im Kleingedruckten. Deshalb will die Finanzverwaltung eine eigenen Datei aufbauen. Im Zweifel genügt der Kauf/Verkaufspreis, und zwar der Tatsächliche?

  4. 15.

    Die Bodenrichtwerte haben sehr unterschiedliche Werte. So wie es für jedes Bundesland eine Öffnungsklausel gibt, gibt es für die verschiedenstartigen Grundstücke unterschiedliche Berechnungen.

    Das Sachwert Verfahren bei nicht zu wohnzwecken genutzten Einheiten. Und das ertragewert Verfahren für Wohnung.

    Mit fehlt in Ihren Ausführungen die EMZ (Ertragsmesszahl).
    Von daher viel Freude bei der Berechnungen der mehre hundert Hektar.

    Dem Landwirt mit den über 1300 Flurstücken viel Erfolg bei der Umsetzung. Ob die Software Elster dieses Menge an Zeilen überhaupt bearbeiten kann ?

  5. 14.

    Im Westen gibt es das gleiche Problem. Die Bodenreform hier in den Beitrittsgebieten hat nur bestand, weil die damalige UDSSR ihr Gesicht nicht verlieren wollte. Die Bodenreform ist auf Grund eines Gesetzes der Besatzungsmacht UDSSR hervorgegangen! Beschäftigen Sie sich doch bitte mit der Geschichte!

  6. 13.

    Bundesbehörde? Auf der Grund der BVerG-Entscheidung ist die Grundsteuer durch die Länder zu regeln. Die Gelder gehen an die Kommunen und im Rahmen der jeweiligen Landesgesetze Anteil ans Land! Bitte den Text lesen!

  7. 12.

    Ich arbeite selber in ein Bürojob, aber wenn ich mache Softwarelösung sehe, dann frage ich mich, wer in drei Teufels Namen hat diesen Mist ausgeheckt. Es wird in der IT-Branche vielfach nicht mit den Anwendern gesprochen, sondern einfach nur sogenannte Pflichtenhefte umgesetzt. Bei der Programmierung schauen viele Programmierer nicht über den Tellerrand. Ich arbeite selber mit Programmierer zusammen und besprechen sehr viel Details die über das Pflichtenheft hinausgehen. Ergebnis: 0 Beschwerden.

  8. 11.

    Selbstverständlich sind die Preise gestiegen, und zwar auf die von mir genannte Höhe. Das sind die aktuellen Zahlen. Wenn nun pauschal für landwirtschaftliche Flächen in Brandenburg der zehnfache Wert angesetzt wird, und dieser in die Ermittlung der neuen Grundsteuer einfließt, ist das entweder total unseriös, oder ein ganz offensichtlicher Datenbankfehler.

  9. 9.

    Boris, ich weiß nicht, ob Sie sich mit landwirtschaftlichen Flächen in Brandenburg auskennen. Das ist nicht Magdeburger Börde mit über 100 Bodenpunkten. Meine Flächen haben zwischen 29 und 31 Bodenpunkten. Solche Flächen wurden in den vergangenen Jahren für etwa 12.000 bis maximal 14.000 EUR pro Hektar verkauft. Ein Hektar hat 10.000 Quadratmeter. So komme ich auf meine 1,30 EUR pro Quadratmeter. In der Datenbank, die man nutzen soll, steht aber der zehnfache Wert. Daher meine ich, dass da wohl ein Komma verrutscht sein muss.

    Betrachten wir das doch mal realistisch: Ich habe 150 Hektar, davon 50 Hektar Wald, die restlichen 100 Hektar habe ich für 200 EUR pro Hektar an einen Landwirt verpachtet. Das bringt mir im Jahr gerade mal 20.000 EUR, davon kann ich im Alter nicht leben. Würde ich alles verkaufen, bekäme ich vielleicht 1,5 Millionen, aber doch nicht 19,5 Millionen. Das ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Das ist märkischer Acker!

  10. 7.

    Ich finde es ja genial von einer Bundesverwaltung, die Digitalisierungsarbeit für die Flurstücke nun den Grundstücksbesitzern und Landwirten/Pächtern überzuhelfen. Ein genialer Schachzug, muss man schon sagen. Hoffentlich wirkt sich diese Heimarbeit der Grundstücksbesitzer auch auf die Grundsteuerhöhe aus? Und wer tippelt eigentlich die weissen Flecken der Flurkarte ein, also die Grundstücke, deren Besitzer nicht „feststellbar“ ist? Oder sind das die, die keine Grundtstücksteuer zahlen brauchen?

  11. 6.

    Was wollen Sie damit? Sie klingen nicht so, als wenn Sie Ahnung von Landwirtschaft hätten.

  12. 5.

    Sie haben aber schon verstanden, dass Landwirte sehr viel Land benötigen um sehr viel Lebensmittel für die sehr vielen, sehr hungrigen oder sehr verschwenderischen Menschen zu produzieren?
    Das dies historisch über Tausende kleine Flurstücke verteilt ist, ist das Problem nicht die Größe. Bodenreform ist die Ursache. Da wurde schön verteilt und zwar so das Großbauern damals möglichst verhindert werden.
    Meine Frau hat solche Handtuchäcker in Sachsen-Anhalt. Sehr guter Boden aber keine Fläche neben der anderen. Schön weit verteilt. Ergebnis der Bodenreform.

  13. 4.

    Das ist vermutlich eine Genossenschaft in Form einer GmbH!!
    Gedanken sollten sich vielmehr die Finanzämter machen, die anscheinend den Softwareentwicklern nicht die komplizierte Grundstücksstruktur im ländlichen Raum Brandenburgs "vertickt" haben. Ist aber heutzutage auch eine Riesenleistung, wenn die Verwaltung mal die Perspektive der "Verwalteten" einnimmt!

  14. 2.

    Da hat jemand sehr sehr viel Land und beschwert sich, dass er damit Arbeit hat. Haha. Wenn du überfordert bist, dann verkauf doch. Ich nehm dir gern eins ab!

  15. 1.

    Das Problem ist ja nicht nur der extrem hohe Arbeitaufwand, sondern in dieser Datenbank sind aus irgendwelchen Gründen vollkommen unrealistische Bodenrichtwerte hinterlegt. Die sind etwa zehn Mal so hoch wie der realistische Preis. Da kann sich jeder überlegen, was das wohl für Auswirkungen auf die Höhe der neuen Grundsteuer haben wird. Für sämtliche meiner Flächen im Land Brandenburg finde ich dort den Bodenrichtwert von 13 EUR pro Quadratmeter. Offenbar scheint da das Komma um eine Stelle verrutscht zu sein, realistisch wäre 1,30 EUR pro Quadratmeter, das wären dann 13.000 EUR pro Hektar. 130.000 EUR pro Hektar sind weit weg von der Realität. Vielleicht möchte sich der rbb ja mal darum kümmern.

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