Urteil am Bundesverwaltungsgericht Leipzig - Gericht weist Rosneft-Klage zu Treuhandverwaltung ab

Di 14.03.23 | 14:25 Uhr
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Bundesverwaltung Leipzig verhandelt über Rosneft Treuhand
Video: rbb24 | 14.03.2023 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: rbb

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Klage des russischen Ölkonzerns Rosneft gegen die Treuhandverwaltung für zwei deutsche Tochterfirmen abgewiesen. Sie sind Mehrheitseigner von PCK. Der Bund verlängert indes die Treuhand um sechs Monate.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag die Klage von zwei Töchtern der Rosneft Deutschland gegen die Bundesregierung abgewiesen. Die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns hatte sich juristisch gegen die Treuhandschaft durch die Bundesnetzagentur über zwei ihrer Firmen gewehrt.

Gericht: Gefahr für Versorgung hat bestanden

Nach vier Verhandlungstagen kam das Gericht zur Überzeugung, dass es im September vergangenen Jahres ausreichend Zeichen gab, die einen ungefährdeten Weiterbetrieb zum Beispiel der PCK-Raffinerie in Schwedt in Frage stellten.

Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme wird damit die Position der Bundesregierung gestützt.

Die Klagen wurden als zulässig bewertet, aber als nicht stichhaltig abgewiesen. Zu einer Anhörung der Klägerinnen war das Bundeswirtschaftsministerium demnach vor der Verkündung der Treuhandschaft nicht verpflichtet. Der Grund: Es sei Gefahr im Verzug gewesen. In seiner Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht vor allem darauf, dass wie beim russischen Gaslieferanten Gazprom auch bei Rosneft eine Insolvenz vorstellbar war.

Die konkrete Gefahr habe bestanden, dass eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit gegeben war. Dies wird als wesentliches Argument für die verfassungsgemäße Treuhandschaft gewertet.

Erleichterung in Teilen der Politik und Wirtschaft

Brandenburgs Landesregierung und die regionale Wirtschaft reagierten erleichtert auf das Urteil, richteten aber auch Appelle an den Bund. "Wichtig ist nun ein weiterhin tragfähiges Konstrukt, das den Energiemarkt in Deutschland stabil hält", erklärte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD). "Die Verbraucher zählen auf eine verlässliche und bezahlbare Energieversorgung." Auch der ostdeutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller sieht den Bund in der Pflicht.

Die Wirtschaft in Berlin und Brandenburg begrüßt das Urteil zur Treuhandverwaltung. "Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts schafft dringend notwendige Klarheit", erklärte die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg. Die PCK-Raffinerie gehöre zur kritischen Infrastruktur der Region, betonte der Unternehmerverband. "Jetzt muss rasch die neue Eigentümerstruktur geklärt werden", forderte Verbandsgeschäftsführer Sven Weickert. "Eine Hängepartie wäre nicht verkraftbar, auch angesichts der mittelfristigen Investitions- und Umrüstungspläne für die Raffinerie in Richtung Wasserstoff."

Uckermark-Landrätin reagiert verhalten auf Urteil

Die Verkündung des Urteils in Leipzig verfolgt hat auch die Landrätin der Uckermark, Karina Dörk (CDU). Sie warte ab, wie es nun in Bezug auf die Raffinerie unter der Treuhand oder anderen Bedingungen weitergeht. "Wir sehen ja, dass die unter Treuhandstellung dazu geführt hat, dass ab 1.1. kein russisches Öl mehr kommt. Das, was im Prinzip in Begründung der Richterin dargestellt worden ist - die Versorgungssicherheit und das Interesse daran - wird damit doch ein Stück weit konterkariert."

Bund verlängert Treuhandverwaltung um sechs Monate

Ebenfalls am Dienstag teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, dass die Treuhandverwaltung um sechs Monate verlängert werde. "Das ist eine gute Nachricht für die Versorgungssicherheit und die Zukunft der PCK Schwedt", erklärte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Die Versorgungssicherheit ist oberste Priorität und daher handlungsleitend. Sie sicherzustellen, war und ist Zweck der Treuhandverwaltung."

Die Treuhandverwaltung wäre ohne Verlängerung am 15. März ausgelaufen. Ob die Verlängerung allerdings ebenfalls rechtens ist, bleibt abzuwarten. Denn das Urteil in Leipzig bezieht sich nur auf die bisherigen Maßnahmen.

Landrätin Karina Dörk zufolge arbeite die Bundesregierung zudem an einem Gesetz, welches ermöglicht, unter Treuhand gestellte Unternehmen zu enteignen. Mit der Fortsetzung und Inkrafttreten eines möglichen Enteignungsgesetzes, fürchtet die CDU-Politikerin auch um Öl-Lieferungen aus Kasachstan. "Dann wird Russland auch nicht zulassen, dass Öl aus Kasachstan über sein Gelände geliefert wird", sagt Dörk weiter. Eine Versorgung hauptsächlich über die Pipeline von Rostock zum PCK wäre wirtschaftlich schwierig "und fatal für die Region".

Linke fordert Verstaatlichung von Rosneft-Töchtern

Nach der Bestätigung des Bundesverwaltungsgerichts plädiert die Linke für Verstaatlichung. "Wir fordern, dass Bund und Land Brandenburg jetzt Anteile an der PCK-Raffinerie in Schwedt übernehmen", sagte Landtagsfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag.

Auch der Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Görke meinte: "Das Verfahren hat gezeigt, dass die halbgare Treuhandlösung auf tönernen Füßen steht und überwunden werden muss." Der Bund müsse bei der PCK GmbH einsteigen. Damit könne er direkten Einfluss auf die Arbeitsplatzsicherung der 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das Jahr 2024 hinaus nehmen. Auch die Versorgungssicherheit in Ostdeutschland sei "staatspolitische Aufgabe".

Seit September hat der Bund die Kontrolle

Mit der Treuhandverwaltung hatte der Bund im vorigen September faktisch die Kontrolle über Rosneft Deutschland und RN Refining Marketing übernommen. Die Unternehmen sind Mehrheitseigner der wichtigen PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark). Rosneft hielt die Anordnung der Treuhandverwaltung für rechtswidrig und hat dagegen geklagt.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Februar und März insgesamt vier Tage ausführlich über die Klage verhandelt. Dabei wurden intensiv Zeugen zur Lage bei den Rosneft-Töchtern befragt. Der Bund hatte die Anordnung der Treuhandverwaltung mit einer drohenden Gefahr für die Versorgungssicherung der Bundesrepublik Deutschland begründet. Das Gericht ist in erster und letzter Instanz zuständig.

Die PCK-Raffinerie Schwedt spielt mit ihren gut 3.000 direkt und indirekt Beschäftigten für die Versorgung von Ostdeutschland mit Benzin und anderen Raffinerieprodukten eine zentrale Rolle.

Rosneft versorgte PCK bis zum Importstopp mit russischem Öl und hält noch 54 Prozent der Anteile. Mit dem Embargo gegen russisches Öl seit Anfang des Jahres ist dieses Geschäftsmodell entfallen. Die Rosneft-Anteile sind unter der Treuhand, gehören rechtlich aber weiter dem russischen Unternehmen. Jenseits davon liegen weitere 37 Prozent der Anteile bei Shell und gut acht Prozent bei der italienischen ENI.

Sendung: Antenne Brandenburg, 14.03.2023, 07:30 Uhr

64 Kommentare

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  1. 64.

    Habe mich mehr auf die Folgen konzentriert; die sind jetzt schon schlimm genug.

  2. 63.

    Kein Neubau von Straßen mehr?

    Bestand erhalten sollte locker reichen...

  3. 62.

    Das stimmt. Bitumen wird mithilfe der Vakuumdestillation so wie in der Anlage im PCK realisiert, ausschließlich aus hochschwefligen, „schweren“ Rohölen gewonnen.
    Aber das Erdöl aus Kasachstan ist dafür auch bestens geeignet.

  4. 61.

    Das Urteil war das Erste im Rahmen des Energiesicherheitsgesetzes. Es bedurfte also der Klärung ob hier überhaupt eine Treuhänderschaft hätte eingerichtet werden dürfen und wenn ja welche Voraussetzungen gegeben sein müssen. Was die Enteignung betrifft hatte das BMWI angekündigt eine Enteignung anlog Gazprom zu prüfen und einzuleiten. Man kann nur dem Kopf schütteln über Ihr Kenntnis des gesamten Sachverhalts.

  5. 60.

    Sie scheinen die Berichterstattung zu PCK wohl nicht gelesen zu haben. Das BMWI hatte angekündigt erst PCK in Treuhänderschaft zu überführen und dann eine Enteignung zu prüfen und einzuleiten anlog zu Gazprom!

  6. 59.

    Die Effekte sind regional unterschiedlich aber
    im Mittel z. B. in Deutschland schon, solange nicht die nächsten Tippingpoints wieder einen „Phasenwechsel“ einleiten. Denn Klima ist nur der Mittelwert des Wetters.

  7. 58.

    In Sachen Ölherkunft wird es ja nun bald ernsthafte Probleme geben. Unsere Politiker haben bisher ein Geheimnis daraus gemacht oder wussten es nicht. PCK produzierte aus dem russischen Erdöl auch Bitumen für den Straßenbau. Bald geht es damit wieder los und mit dem "Ersatzöl" von anderswo geht das nicht. Bitumen aus den westlichen Bundesländern zu transportieren verteuert jeden km der geplanten neuen Straßen. Wie kommt man aus der Klemme ?

  8. 57.

    wie gesagt Herr TramSR, es liegen ungenutzte Pipelines sowohl in der Ukraine als auch in Belarus.

    Wenn Putin wollte könnte er liefern, aber er beliefert nur seine politischen Assets im Westen Österreich und Ungarn, und das nichteinmal günstig.

  9. 56.

    Aber lange Zeit preiswert und später immer noch preiswerter als jedes LNG.

  10. 55.

    Sie sind offensichtlich Enteignungsfanatiker. Wozu das denn aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit führt ist auch im Text erlesbar. Wir werden aber noch einige Zeit nicht ohne Erdöl auskommen.

  11. 54.

    Leider hinter Bezahlschranke, aber so wie ich den Zusammenhang verstehe, geht es dabei ja darum, dass Deutschland einen vergleichsweise hohen Preis für russisches Gas gezahlt hat, im Vergleich zu anderen Ländern, die ebenfalls russisches Gas gekauft haben.

    Aber Deutschland hat sich eben so abhängig gemacht, dass Gazprom nicht günstig anbieten musste. Das lernt im Moment auch Orban (wobei der Typ wahrscheinlich lernresistent ist). Gazprom und Rosneft kennen nämlich keine Freunde sondern nur Opfer....

  12. 53.

    Sie kennen wie ich die Wetterstation am Kaniswall. Ist so ein kleines Hobby von mir so nebenbei geworden etwas mehr über Wetter und Klima zu wissen als allgemein üblich. Klimawandel heißt nicht nur milde Winter. Ich erinnere was gerade in den USA los war.

  13. 52.

    Gehts noch? Wir beide debattieren über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, was für sie offenbar eine große Überraschung im Gegensatz zu allen anderen Kommentatoren ist.
    Das Bundesverwaltungsgericht hat aber nicht über die Zulässigkeit einer Enteignung entschieden. Und eine mögliche Enteignung nach GG Artikel 14 sehe ich auch nicht. Dazu müsste die Enteignung das einzige und angemessene Mittel zum Schutz des Allgemeinwohls sein. Ist es aber nicht, da, wie wir gerade sehen, eine Treuhandverwaltung rechtens war, genauso Schaden vom Allgemeinwohl abzuwenden.

  14. 51.

    Wie wäre es, wenn Sie die Berichterstattung zu PCK nochmals durchlesen. Dort stand, dass während der befristeten Treuhandverwaltung eine Enteignung geprüft wird!

  15. 50.

    Sie wissen vieles "besser". Wissen inzwischen viele. Wieviel Tanker mit LNG ( Tankernormalgröße )benötigt man denn um mit der einst bestehenden sicheren Gasversorgung erst mal mengenmäßig überhaupt konkurieren zu können ? Mehraufwand und Verluste lassen wir jetzt erst mal weg damit Sie es leichter haben. Es ist so primitiv hier immer mit dem Trabi zu kommen. Dabei gibt es heute doch eiserne Trabifans sogar in den Bundesländern jenseits der Elbe.

  16. 49.

    Oha, das lassen sie mal nicht Franz Josef Radermacher hören. Der wird ihnen gleich etwas von Jacques Neirynck's "Der göttliche Ingenieur" und dem im Zusammenhang behandelten Boomerang-Effekt erklären.
    Kurzform; mit einer Poblemlösung schaffen sie wenigstens ein neues Probleme. Leider ist dieses Problem größer als das vermeintlich Gelöste, usw. usf.

  17. 48.

    Ja das sind doch traumhafte Zeiten für Naturwissenschaftler aller Fachrichtungen.
    So viele Aufgaben und Aufmerksamkeit.
    Energie, Wasser, Ernährung, Chemie, Medizin etc.
    Alles richtig gemacht bei der Berufswahl.

  18. 47.

    Suchen Sie mal den Artikel "Der Mythos vom billigen russischen Gas" in der FAZ vom 12.08.2022. Demnach "hat die deutsche Industrie etwa 10 Prozent mehr für Erdgas gezahlt als ihre Konkurrenten in anderen großen europäischen Volkswirtschaften.“

  19. 46.

    "Landrätin Karina Dörk zufolge arbeite die Bundesregierung zudem an einem Gesetz, welches ermöglicht, unter Treuhand gestellte Unternehmen zu enteignen."
    https://www.rbb24.de/studiofrankfurt/wirtschaft/2023/03/rosneft-urteil-treuhand-pck-bundesregierung-leipzig.html

  20. 45.

    Das ist schön von einem Ingenieur zu hören. Für diese EInstellung und seine Ingenieure wurde Deutschland immer beneidet und daß die Ingenieure es auch nahezu immer wiklich hinbekommen haben (auch mit Störfeuer aus der Politik). Ich setze da auch auf "deutsche Ingenieurskunst" und weniger auf Verlautbarungen der Politik. Ich bin zwar Chemiker, aber Chemiker sind auch bekannt für flexible Lösungsansätze, wenn man sie denn läßt.

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