Antenne-Stammtisch "Kino, Kunst – und keine Kohle" - Was passiert mit dem Lichtspieltheater der Jugend in Frankfurt?

Mi 04.12.19 | 08:57 Uhr | Von Philip Barnstorf
Antennestammtisch. (Quelle: rbb/Philip Barnstorf)
Bild: rbb/Philip Barnstorf

Seit mehr als 20 Jahren verfällt das alte Kino in der Frankfurter Innenstadt. Am Dienstag diskutierten Vertreter aus Politik und Kultur den geplanten Einzug eines Kunstmuseum. Das Publikum debattierte leidenschaftlich mit. Von Philip Barnstorf

Es war der wohl kälteste Antenne-Stammtisch jemals. Bei herbstlichen vier Grad versammelten sich am Dienstag Vertreter aus Kultur und Politik sowie ungefähr 70 Zuhörer im provisorisch hergerichteten alten Kino in Frankfurt (Oder). Weil das Haus seit mehr als 20 Jahren verfällt, funktionierte die Heizung nicht. Umso dringender war das Thema des von rbb-Redaktionsleiter Andreas Oppermann moderierten Stammtisches: Wie geht es mit dem Prestigebau in der Frankfurter Stadtmitte weiter?

Graffiti und moderne Kunst

Nachdem die Stadt Frankfurt (Oder) die Immobilie Anfang dieses Jahres gekauft hatte, ist jetzt geplant, dass das Brandenburgische Landesmuseum für Moderne Kunst einzieht. Beim Stammtisch widersprach Direktorin Ulrike Kremeier dem Vorwurf, Moderne Kunst sei nur etwas für intellektuelle Eliten. "Wir öffnen unsere Türen für alle Menschen. Ein Museum ist ein geteilter Raum für Kommunikation und Bildung", erklärte sie. Auch solle die Substanz des alten Kinos erhalten bleiben, sagte die Kunsthistorikerin und regte den Erhalt einiger Graffiti im Innenraum des Kinos an. Zu Kostenfragen verwies Kremeier auf Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke (Die Linke), der neben ihr auf der Bühne im alten Kaisersaal des Kinos stand.

Stadt, Land und Stiftung sollen zahlen

Wilke rechnet mit Gesamtkosten von ungefähr 20 Millionen Euro, die von der Stadt, dem Land und der Brandenburgischen Kulturstiftung Cottbus-Frankfurt (Oder) aufgebracht werden sollen. "Wenn man das etwa mit der Sanierung des Rathauses vergleicht, ist das machbar und in Ordnung", sagte er. Als gebürtiger Frankfurter kennt der 35-Jährige das Kino schon aus Kindertagen.

Bevor er zum Bürgermeister gewählt wurde, hatte sich Wilke für Bürgerinitiativen zum Erhalt des Lichtspielhauses eingesetzt. So half er 2012 mit Unkraut rund um das Haus auszurupfen. "Die Eigentümer haben nichts getan. Da haben sich Bürger formiert, weil die Stadt auf dem Privatgrundstück nichts machen durfte", erzählte Wilke beim Stammtisch. Als Bürgermeister setzte er dann den Kauf des Kinos durch die Stadt durch.

Skulptur vor Eingang vom "Lichtspieltheater der Jugend" in Frankfurt (Oder) (Bild: rbb)
Bild: rbb/Fred Pilarski

Engagement der Bürger

Wilke ist nicht der Einzige, den eine persönliche Geschichte mit dem Haus verbindet. Ein alteingesessener Frankfurter im Publikum forderte, den Schriftzug überm Eingang "Lichtspieltheater der Jugend" sowie die Garderobe unbedingt zu erhalten. Auch viele Jugendliche aus der Stadt, die das Lichtspielhaus nicht mehr in Betrieb erlebt haben, ist der Bau ans Herz gewachsen. Davon berichtete Winfried Bellgardt, Galerist des Frankfurter Kunstvereins und Kunstlehrer. Mit seinen Schülern hatte er ein Freilichtkino vor dem Lichtspielhaus organisiert. Einer seiner ehemaligen Schüler saß im Publikum und betonte, das Kino solle auch als Teil der städtischen Jugendkultur erhalten werden.

Die Verbundenheit der Frankfurter mit dem Kino zeigte sich nach Ansicht aller Diskutanten besonders deutlich am Tag des Offenen Denkmals im September diesen Jahres, als über 2.000 Menschen in langen Reihen darauf warteten, das alte Kino besuchen zu können. "Da waren Schlangen wie seit dem Ableben der DDR nicht mehr in Frankfurt. Da haben die Leute wirklich mit dem Schlangestehen abgestimmt", sagte Ulrich-Christian Dinse, Denkmalschützer beim Bauamt der Stadt Frankfurt.

Baubeginn vielleicht bereits in zwei Jahren möglich

Sahra Damus, die für die Grünen in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und im Brandenburger Landtag sitzt, war ebenfalls unter den Diskutanten. Sie hat den Kenia-Koalitionsvertrag mitverhandelt, der vorsieht, das alte Kino "zu einem attraktiven Standort des Landesmuseums für Moderne Kunst zu machen", heißt es in dem Text. "Wenn alles gut läuft, haben wir Anfang kommenden Jahres ein Gesamtkonzept. Dann gibt’s einen Wettbewerb und wir können beginnen, Geld einzusammeln", skizzierte Damus die nächsten Schritte. Sie rechnet bei günstigen Bedingungen mit einem Baubeginn in zwei bis drei Jahren.

Damit bliebe Zeit für eine Zwischennutzung, die als letztes Thema des Abends diskutiert wurde. Hier brachte sich Brigitte Kabel ein. Die ehemalige Dramaturgin am Frankfurter Kleist Theater organisiert mit ihrem Verein Kleines Kino Filmvorführungen an wechselnden Orten in Frankfurt. Beim Stammtisch schlug sie vor, beim Tag des offenen Denkmals im kommenden Jahr einen Film im Kino zu zeigen.  

Beitrag von Philip Barnstorf

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