Klosterkunst aus dem 18. Jahrhundert - Restauratoren wollen Neuzeller Passionsdarstellungen bis 2025 fertigstellen

Di 02.11.21 | 14:58 Uhr
Restauration der Passionsdarstellungen des Klosters Neuzelle
Audio: Antenne Brandenburg | 02.11.2021 | Tini von Poser | Bild: rbb

Seit gut 20 Jahren läuft die Restaurierung des europaweit einzigartigen Kulissentheaters aus dem Kloster Neuzelle. Nun ist auch der nächste Abschnitt für die kommenden Jahre finanziell abgesichert. 2025 soll die Arbeit abgeschlossen sein.

Im Jahre 1751 hat der böhmische Künstler Johann Seyfried im Auftrag des Klosters Stift Neuzelle ein einzigartiges Werk geschaffen: ein Figuren- und Kulissentheater auf Holz und Leinwand. Es zeigt 14 Passionsszenen und die Auferstehungs-Szene. Um diesen einzigartigen Kunst-Schatz vor weiterem Verfall zu bewahren, lässt die Stiftung Stift Neuzelle es aufwendig restaurieren. Die Arbeiten wurden jetzt in den Restaurierungswerkstätten des Brandenburger Landesamts für Denkmalpflege in Wünsdorf (Teltow-Fläming) der Presse vorgestellt.

Im Vollschutz gegen die Spuren der Zeit

Gekleidete in weißen Schutzanzügen mitsamt Sauerstoffmasken wird konzentriert gepinselt, gestrichen und sogar zaghaft gehämmert. Eine Handvoll Restauratorinnen und Restauratoren arbeiten an einzelnen Teilen aus Holz oder Leinwand. Die Anzüge sollen sie dabei vor giftigen Dämpfen schützen. Denn Hylotox liegt in der Luft. Ein Holzschutzmittel, welches auf Dauer krebserregend wirken kann. Die giftige Chemikalie war 1958 auf die Passionsdarstellung aufgetragen worden. Nun muss sie neu aufgetragen werden. Immerhin hat das Hylotox die Holz-Platten aber vor dem endgültigen Verfall gerettet.

Viel zu erkennen ist auf dem Leinwand-Stück, an dem die Restauratorin Anja Lindner-Michael beschäftigt ist, noch nicht. Es handelt sich um einen der vorderen Bögen des Palasthofes, erklärt sie. Ein kleiner Ausschnitt der Passionsszenen des Künstlers Johann Felix Seyfried. "Ich festige gerade die Bildschicht mit einem Leimgemisch, dass das ein bisschen andickt und dafür sorgt, dass der Leim matt und nicht glänzend auftrocknet. Schließlich ist es eine matte Malerei. Da sind durch Wassereintrag Schäden entstanden und jetzt wird Schicht für Schicht das ganze Paket konserviert."

Restauration der Passionsdarstellungen des Klosters NeuzelleDie Passionsdarstellungen des Klosters Neuzelle

Barocken Künstler auf die Hände schauen

Die alten Holzplatten sind Teil einer weltweit fast einzigartigen Passionsdarstellung, die in Teilen bereits wieder in Neuzelle ausgestellt ist. Im 18. Jahrhundert hatten die Neuzeller Mönche das stumme Theater anfertigen lassen. Es zeigt den vorösterlichen Leidensweg Jesu Christi. Insgesamt sind 15 Szenen auf etwa 240 Tafeln und Leinwände, fast vollständig erhalten. Als die Passionsdarstellungen im 19. Jahrhundert aus der Mode kamen, wurden sie andernorts verbrannt. In Neuzelle verschwanden sie auf dem Dachboden, wurden später sogar mit Holzschutzmittel bearbeitet und 1997 wiederentdeckt.

Etwas mehr als die Hälfte ist bereits konserviert. Der Rest ist jetzt dran und der Schmutz der Jahrhunderte wird von den Tafeln und Leinwänden heruntergeholt. Deshalb arbeitet ein weiterer Restaurator in der Werkstatt an einem großen Holzstück. Zu sehen ist ein bärtiger Mann mit leidenden Augen. Einige Risse durchziehen das Bild. "Das Besondere an diesen Werken ist, dass wir authentisch den barocken Künstler auf die Hand schauen können", sagt die leitende Restauratorin Mechthild Noll-Minor. "Dass wir in die Gesichter der Menschen schauen können, die damals Model gestanden haben und nachvollziehen können, wie er das Holz bearbeitet hat oder seinen Pinsel gesetzt hat, um noch ein Licht auf die Wangen zu bringen."

"Das ist ein Gesamtkunstwerk, was einmalig ist."

Als die Konservierung vor über 20 Jahren begann, wurde von einer Aufgabe für Generationen gesprochen. Dass nun schon in vier Jahren alles fertig ist, liegt an der finanziellen Unterstützung durch Bund, Land und Ostdeutscher Sparkassenstiftung. Fast 800.000 Euro haben sie jetzt noch einmal zur Verfügung gestellt. "Das teuerste ist die Zeit, die man für die Bearbeitung dieser Kulissen braucht. Es gibt viele Arbeitsschritte. Es gibt die Vorfestigung, dann die nächste Festigung. Dann wird das mit kleinen Klötzchen langsam aufgebaut und das Holz ergänzt, sodass es wieder stabil wird." Daneben trügen aber auch die Arbeitsschutz-Maßnahmen zu den Kosten bei.

Restauration der Passionsdarstellungen des Klosters NeuzelleDer Leidenswerg Christi auf den Neuzeller Passionsdarstellungen

Titus Graf, Ministerialrat vom Bund für Kultur und Medien, zeigt sich über solch überschwängliche, barocke Bilddarstellungen in Brandenburg verblüfft. "Tatsächlich würde man diese Affekt-geladenen Bilddarstellungen – diese Bildpredigt – eher in einer Kirche in Süddeutschland oder dem Alpenvorland vermuten. Aber nicht nur das Kulissen-Theater, sondern die gesamte Anlage in Neuzelle ist ein selbstbewusstes Zeichen der Gegenreformation." Mechthild Noll-Minor zufolge findet sich ein so kompletter Bestand auf fünf Bühnenbildern in Menschengröße nur einmal in Europa. "Das ist ein Gesamtkunstwerk, was einmalig ist." Zu Ostern 2022 soll im Neuzeller Museum das erste Mal das Szenenbild gewechselt werden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.11.2021, 14:10 Uhr

Mit Material von Tini von Poser und Michael Lietz

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