Frankfurterin mit neuer Niere - Vom Leben mit einem Spenderorgan

Do 16.01.20 | 17:21 Uhr
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Symbolbild: Im Transplantationszentrum am Universitätsklinikum wird eine von einem gesunden Spender vor wenigen Minuten entnommene Niere beim Empfänger transplantiert. (Quelle: dpa/W. Grubitzsch)
Audio: Antenne Brandenburg | 16.01.2020 |Tony Schönberg | Bild: dpa/W. Grubitzsch

Eine Frau aus Frankfurt stand acht Jahre auf der Warteliste, bevor ihr 2018 eine neue Niere transplantiert wurde. Wie es sich anfühlt, mit einem Spenderorgan zu leben. Von Tony Schönberg

Mitte Februar 2018: Der Alltag von Simone Promies aus Frankfurt ist bestimmt von medizinischen Behandlungen. Aufgrund einer Erbkrankheit ist die damals 41-jährige von einer sogenannten Zystenniere betroffen - eine irreparable Schädigung, die dafür sorgt, dass sich das Gewebe des Organs zersetzt. In der Folge muss sich die Frankfurterin zu Hause täglich bis zu acht Stunden an ein Dialysegerät anschließen, um die Giftstoffe aus ihrem Körper zu filtern.

Ein normaler Alltag mit ihrem Mann und ihrem Sohn, Reisen oder Unternehmungen sind damit nur sehr eingeschränkt möglich. Auch ihren Beruf als Zollbeamtin kann sie nicht mehr ausüben. Im Laufe des Jahres baut ihr Körper trotz Behandlung immer mehr ab.

Hoffnung nach Jahren auf der Warteliste

Nach acht Jahren auf der Wartelist kommt an einem Abend im November 2018 dann der lang erhoffte Anruf. Der Arzt rät Simone Promies sich zu setzen und berichtet dann, dass ein passender Spender für sie gefunden worden ist. Gefasst, aber voller Freude nimmt sie die Nachricht auf. Anschließend geht alles ganz schnell. Ein Taxi holt sie zur Voruntersuchung in der Berliner Charité ab. Schon wenige Stunden später ist die Operation erfolgreich überstanden.

Der Eingriff ist inzwischen über ein Jahr her und die Heilung schreitet gut voran. Zwar haben die Ärzte der Frankfurterin noch eine zweijährige Schonfrist mit ständigen Kontrollen verordnet, doch führt Simone Promies wieder ein sehr gutes Leben. Das Dialysegerät und die erzwungene Tatenlosigkeit vermisst sie dabei nicht im geringsten, erzählt sie mit einem breiten Lächeln.

Simone Promies: "Vieles ist einfacher geworden, auch wenn ich noch auf viele Sachen achten muss. Und auch zu Hause geht alles schneller und unkomplizierter. Ich kann die Tage ganz anders planen und wieder spontan sein, ohne ständig an die Maschine zu denken."

Simone Promies
| Bild: Simone Promies

Seit April 2019 geht die Frankfurterin auch wieder arbeiten. Zunächst nur mit weniger Stunden, doch mittlerweile wieder in Vollzeit, was ihr sichtlich gut tut. Oft fragt sich die 43-Jährige, wer der Spender ihres Organs war. Gerne würde sie auch mit den Angehörigen in Kontakt treten, um sich bei ihnen zu bedanken und auszutauschen. Allerdings ist die Freigabe der Daten nicht gestattet.

Viele warten auf Spenden

Simone Promies ist sich durchaus bewusst, dass sie zu den wenigen Menschen gehört, denen eine Spende zukommen konnte. Deutschlandweit warten laut der Deutschen Stiftung für Organtransplantationen (DSO) aktuell 9.400 registrierte Patienten auf ein lebensrettendes Organ. Demgegenüber steht die Zahl von weniger als 1.000 Spendern im Jahr 2019. In Brandenburg waren es lediglich 20 Menschen, die nach ihrem Tod eines oder mehrere Organe zur Verfügung stellten. Im Jahr zuvor waren es noch 37. Zurzeit können Niere, Herz, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm nach dem Tod gespendet werden.

Kritik an Entscheidung im Bundestag

Die Entscheidung über die zukünftige Ausrichtung der Regelung von Organspenden am Donnerstag im Bundestag hat Simone Promies mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Vom Ausgang ist sie allerdings enttäuscht. Die Abgeordneten hatten sich für der Vorschlag von Grünen-Chefin Annalena Baerbock zur freiwilligen Entscheidungslösung und verstärkten Information der Bürger bei Amts- und Arztbesuchen ausgesprochen.

Simone Promies hätte sich die doppelte Widerspruchslösung gewünscht, in der grundsätzlich erst einmal jeder Bürger zum Spender wird, es sei denn er widerspricht dem zum Lebzeiten. Ihrer Meinung nach fehle es dem Thema in der Gesellschaft an richtiger Aufklärung. Dies gelte ebenfalls für das medizinische Personal. So sei sie selbst beispielsweise in Krankhäusern zwar über Patientenverfügungen informiert, jedoch nie zur Organspende befragt worden. Die bisherige Lösung mit einem freiwilligen Organspendeausweis auf Papier reiche ihr nicht aus. Stattdessen wäre für die Frankfurterin ein Vermerk auf dem Ausweis oder der Gesundheitskarte die bessere Lösung.

Die doppelte Widerspruchslösung hätte sich auch Stefan Wirtz, Chefarzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Heliosklinikum in Bad Saarow erhofft. Dem Transplantationsexperten zufolge leistet sich Deutschland mit der Entscheidungslösung den Luxus, die individuelle Freiheit über das Recht auf Leben zu stellen. Zudem sei die Bundesrepublik das einzige Land im Eurotransplant-Verbund (insgesamt sieben europäische Länder, u. a. Österreich, die Niederlande und Belgien, Anm. d. Red.), das keine Widerspruchslösung praktiziere und damit von den anderen Mitgliedsstaaten profitiere. Trotzdem könne er sehr gut mit der jetzigen Entscheidung leben, da die Beschlüsse und Debatten für erhöhte Aufmerksamkeit sorgen. Mehr Menschen, die zur Spende bereit wären, aber bisher uninformiert sind, würden sich nun mit dem Thema intensiver auseinandersetzen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.01.2020, 14:40 Uhr.

11 Kommentare

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  1. 11.

    Ich finde die Entscheidung des Bundestags richtig. Warum sollte man grundsätzlich "zur Verfügung" stehen und explizit verneinen müssen, zu mal man gar keine Lust hat sich zu Lebzeiten damit zu befassen?

    Warum können Angehörige nicht erfahren, wer die Organspende des Spenders erhalten hat?
    Ich möchte nicht wissen, wie viele Organe ins Ausland und an nicht wartende Promis gegen cash verschachert werden. Ich traue dem Frieden nicht, und der im Koma liegende Zwangsspender der ausgeknipst wird auch nicht.

    Wenn man zu Gesundzeiten sich gerne als Spender outen möchte, dann ist das was anderes und sicherlich eine gute Sache. Aber eben nur auf die Art. Und schon gar nicht per Gesetzeszwang. Privatsache.

  2. 10.

    Seit es diesen Organspendeausweis gibt, trage ich diesen ausgefüllt mit mir herum. Habe als 8 jähriger meine Mutter qualvoll sterben sehen. Ihr konnte nicht geholfen werden, als auch noch die letzte verbliebene Niere versagt hatte.

  3. 9.

    Welchen Film haben Sie gesehen? "Coma" mit Michael Douglas oder "Fleisch" mit Jutta Speidel? Darüber hinaus wäre es interessant, wer Ihr Schöpfer ist. Meiner sicher nicht...

  4. 8.

    Ich bin nach 15 Jahren mit einem Spenderorgan immer noch der Spenderin dankbar dass sie mir mit ihrer Spende ermöglicht weiter zu leben.
    Bevor Sie nächstes Mal einen Kommentar schreiben wäre es schön wenn Sie ansatzweise wussten worüber Sie schreiben.
    Und das Sie lieber sterben als ein fremdes Organ zu nehmen sagt sich jetzt leicht- ob Sie es noch sagen wenn Sie eins brauchen?
    Und wissen Sie ob die Seele des Spenders nicht in Ihnen weiterlebt?

  5. 7.

    Kann man noch von "Wertschätzung für die Würde des Menschen" sprechen, wenn der verstorbene "Mensch" eine Leiche ist? In der Diskussion hier fehlt mir die Empathie für jene Kranken, die auf ein Ersatzorgan warten. Jede Leiche hatte zu Lebzeiten die Möglichkeit, sich als Mensch mit dem Thema Organspende zu befassen. Eine Leiche ist eine Leiche ist eine Leiche. Ich habe übrigends seit mehr als zehn Jahren meine Organspendekarte permanent immer dabei. Falls die Ärtze mich verwerten wollen - bitte schön. Ich merke sowieso nichts mehr, wenn ich mal eine Leiche bin. Der Tag wird kommen...

  6. 6.

    Also mich hat die Berichterstattung in den letzten Tagen aufgerüttelt und ich werde mir einen Organspenderausweis holen. Meine Seebestattung kann ich auch haben, wenn nicht mehr alles dran ist... :)

  7. 5.

    vorab ich habe einene ausweis auf demm meine wünsche angekreutzt( nach dem tot spennder) sind und ich bin gegen die stattliche zwangsverordnung die jeden zum spender macht.jeder hat das recht selbst zu entscheiden ob er spennden will odernicht aber auch das recht sich nicht damit zu befassen.für viele ist die eigene sterblichkeit ein tabu das im alltag keinen platz hat .
    ich bin auch der meinung das ein verstorbener trosdem respeckt verdient und nicht automatich zum ersatzteil lager werden darf nur weil er sich nicht festgelegt hat!

    mir graut es davor ins krankenhaus zu müssen und nur noch ersatzteil lieferant zu sein.glücklicherweise ist der vorschlag von herrn spahn erstmal vom tisch.

  8. 4.

    "Ich setze die Grundrechte eines toten "Organspenders" geringer an als die eines noch lebenden Kranken, der auf ein Organ hofft!"

    ... und damit auch die Wertschätzung für die Würde des Menschen im Sterbeprozess, der mit der Organentnahme unterbrochen wird. Beides zu achten, daran kommt eine aufgeklärte Gesellschaft nicht vorbei, die nicht nur eine "technisch definierte" sein will.

  9. 3.

    "Vom Leben mit einem Spenderorgan"

    sehr viele Informationen darüber, liebe rbb Redaktion, ist in dem Artikel nicht zu finden. Anderswo würde man so etwas eine Mogelpackung nennen.

  10. 2.

    Der Organspender ist nicht tot.
    Ein Mensch liegt im sterben und wird als Ersatzteillager ausgeschlachtet.
    Dabei wird er gefesselt und erhält Spritzen gegen Schmerzen.
    Wie sollen die von Ihnen erwähnten toten "Organspender" Teile
    denn funktionieren wenn sie tot sind?
    Mein Schöpfer hat mir diesen Körper inklusive der Organe gegeben.
    Geist und Seele sind damit verbunden.
    Davon werde ich mich niemals trennen, auch
    sterbe ich lieber, als mir fremde Teile installieren zu lassen.
    Wenn die Zeit gekommen ist, das der physische Körper stirbt, wird
    alles dem Feuer übergeben, damit die Seele sich schnell trennen kann
    gegenüber der Erdbestattung.
    Es wäre interessant zu erfahren ob das medizinische Personal was Organtransplantationen
    durchführt, selbst als Organspender bereit stehen.





  11. 1.

    Ich halte es für einen Irrglauben,dass durch mehr "richtige Aufklärung" jetzt oder künftig mehr Organe in Deutschland gespendet werden. Dies wird leider ein weltfremder Wunsch bleiben. Die Realität wird sich durch den Bundestagsbeschluß in keinster Weise ändern: Auch künftig wird Deutschland in Sachen Organspende europäisches Schlusslicht sein! Die bisherige Bequehmlichkeit einer Mehrzahl von "Otto-Normalverbrauchern" bleibt das Übel. 84% aller Deutschen könnten sich vorstellen, ein Organ zu spenden, aber nicht mal die Hälfte davon hat einen Oranspenderausweis ausgefüllt. Über kurz oder lang wird der Spahn-Lösungsvorschlag erneut wieder auf den Tischen der Abgeordneten liegen. Spätestens dann, wenn europäische Länderpartner ihre Organe für ihre eigenen Bürger einsetzen und nach Deutschland keine Organe mehr "exportiert" wollen. Übrigens: Ich setze die Grundrechte eines toten "Organspenders" geringer an als die eines noch lebenden Kranken, der auf ein Organ hofft!

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