Frauenhaus Eisenhüttenstadt - Die lange Suche nach einer Nachfolgerin

Do 07.05.20 | 15:48 Uhr | Von Uta Schleiermacher
Nigar Ibrahimova hat an der Europa-Universität studiert und ist nun Sozialarbeiterin Frauenhaus Eisenhüttenstadt
Audio: Antenne Brandenburg | 07.05.2020 | Autorin: Uta Schleiermacher | Bild: rbb/Uta Schleiermacher

Im Frauenhaus Eisenhüttenstadt gibt es eine neue Mitarbeiterin, eine ehemalige Studentin der Europa-Universität Viadrina. Damit ist die Zukunft des Frauenhauses nun gesichert - denn ohne Sozialarbeiterin hätten sie nicht weiterarbeiten können. Von Uta Schleiermacher  

Das Stellenangebot für das Frauenhaus Eisenhüttenstadt hat Nigar Ibrahimova ganz klassisch und eher durch Zufall gefunden, in einer Pause an der Uni. "Ich habe die Stelle auf einem Aushang am Schwarzen Brett der Viadrina gesehen", sagt sie. "Da stand: Frauenhaus und Sozialarbeiterin, das war direkt sehr motivierend für mich."

Die 25-Jährige hat internationale Soziale Arbeit studiert und ist im Masterprogramm internationale Menschenrechte und humanitäres Recht an der Europa-Universität Viadrina. Ihre Bewerbung war für das Frauenhaus ein Glücksfall: Die Mitarbeiterinnen hatten schon lange nach einer qualifizierten Nachfolgerin gesucht.  

Sozialarbeiterin dringend gesucht

Ein ganzes Jahr lang habe das Haus vergeblich Anzeigen geschaltet und Aushänge gemacht, sagt Ibrahimovas Vorgängerin Irmtraud Paschke. Denn ohne ausgebildete Sozialarbeiterin im Team hätten sie nicht weiterarbeiten können.  

"Ich bin 2014 mit 65 Jahren in Rente gegangen und wollte dann noch ein bisschen nebenbei weitermachen", sagt Paschke. Dass dieser Zustand noch fünf Jahre anhalten sollte, war allerdings nicht geplant. Aber sie fanden einfach keine Sozialarbeiterin, und deshalb blieb Paschke mit wenigen Studen weiter im Team. Sie selbst hatte sich damals noch berufsbegleitend qualifiziert.  

Generationenwechsel in vielen Frauenhäusern

So wie dem Verein in Eisenhüttenstadt geht es derzeit vielen Frauenhäusern in Brandenburg. Denn sie sind nach 1989 vielfach aus frauenpolitischen Vereinen hervorgegangen, und in vielen Häusern steht derzeit ein Generationenwechsel an. Doch laut dem Netzwerk der Brandenburgischen Frauenhäuser hat die erste Generation sehr viel Engagement und Herzblut in die Arbeit gesteckt. Nicht immer sei es einfach, Nachfolgerinnen zu finden, die sich genauso auf diese Aufgaben einlassen.  

Auch Irmtraud Paschke war von Anfang an dabei. Sie hat das Haus in Eisenhüttenstadt seit 1991 mit aufgebaut. Damals arbeitete sie als Unterstufenlehrerin. Aber nach 1989 hatte sie Lust auf eine neue Aufgabe. Sie gab ihren sicheren Job auf und fing als ABM-Kraft im Frauenhaus an. Dabei blieb sie bis heute.  

Frauen mit anderer Muttersprache

Sieben Zimmer gibt es in Eisenhüttenstadt, mit 15 Plätzen für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder. Mit den Jahren hat sich die Arbeit und die Zielgruppe in den Frauenhäusern geändert. Laut Paschke haben 60 bis 70 Prozent der Frauen, die in Eisenhüttenstadt Hilfe suchen, nicht Deutsch als Muttersprache. Zunehmend fänden etwa Frauen aus Polen, Tschetschenien oder Syien den Weg in die Beratung oder in die Schutzwohnungen.

"Diese Frauen erfahren dann, welche Gesetze in Deutschland gelten und dass sie der Gewalt in der Ehe nicht wehrlos ausgeliefert sind", sagt sie. "Manchmal gehen sie auch wieder zurück zu den Männern, so ist das halt. Aber Sie sehen dann doch, dass sie hier andere Möglichkeiten haben."  

Eigene Erfahrungen stärken

Auch deshalb freuen sie sich in Eisenhüttenstadt über die neue Mitarbeiterin. Denn Nigar Ibrahimova, die selbst aus Aserbaidschan kommt, spricht neben ihrer Muttersprache auch Deutsch und Englisch, Russisch, Türkisch und ein bisschen Arabisch. Sie ist damit spezialisiert auf die Arbeit mit Flüchtlingen und Migrantinnen.

"Wir zeigen ihnen die Möglichkeiten: etwa Sprachkurse und eine eigene Arbeit. Und wir zeigen ihnen, wie sie die vielen Erfahrungen, die sie aus ihren Herkunftsländern mitbringen, in Deutschland nutzen können."  

Auch die Kinder sind gefährdet

Nigar Ibrahimova sagt, ihr sei es wichtig, die Frauen zu unterstützen. Dafür hat sie auch schon viele Ideen. "Wir wollen, dass die Frauen sich in Sicherheit fühlen und versuchen also, so mit ihnen zu kommunizieren, dass sie Vertrauen aufbauen", sagt sie, "und ich möchte auch die Kinder vor Verletzungen schützen", denn wenn ihre Mutter verletzt würden, verletze das auch deren psychische Gesundheit und erschwere ihnen ihre Zukunft.  

Bei ihrer Arbeit helfen ihr nicht nur die Sprachkenntnisse. "Ich komme aus einer ähnlichen Kultur wie viele der Frauen, mit denen wir jetzt arbeiten", sagt Ibrahimova. Daher falle es ihr leicht, einen Zugang zu ihnen finden. Irmtruad Paschke sieht ihre Arbeit damit in guten Händen. "Wir sind froh, dass wir Frau Ibrahimova nun haben - dann kann ich endlich in Ruhe in Rente gehen", sagt sie. Im Frauenhaus Eisenhüttenstadt scheint der Generationenwechsel damit nun geglückt.

Beitrag von Uta Schleiermacher

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