Berkenbrück in Oder-Spree - Anwohner helfen "alleinerziehendem" Storch in Berkenbrück

Mi 10.06.20 | 18:16 Uhr | Von Michel Nowak
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Der "alleinerziehende" Storch in seinem Horst in Berkenbrück (Oder-Spree). (Quelle: rbb/M. Nowak)
Video: rbb|24 | 11.06.2020 | Material: zibb | Bild: rbb/M. Nowak

Seit Jahren ziehen im brandenburgischen Berkenbrück Störche ihre Jungen groß. In diesem Jahr muss sich einer jedoch alleine durchkämpfen - der Partner wurde von einem Auto getötet. Mit einer Wanne voll Fisch versuchen die Anwohner zu helfen. Von Michel Nowak

Hinter dem Haus der Familie Gallasch in Berkenbrück (Oder-Spree) steht seit fast fünf Jahrzehnten ein rund zehn Meter hoher Horst. Genauso lange ziehen dort Storchenpaare ihre Küken groß. Doch diesmal kümmert sich nur noch ein Elternteil um einen winzigen, verbliebenen Jungvogel. "Als wir erfahren haben, dass unser zweiter Storch von einem Auto angefahren wurde, waren wir regelrecht geschockt", sagt Grundstücks-Eigentümerin Veronika Gallasch. Der Storch war so schwer verletzt, dass er von einem Polizisten mit der Dienstwaffe erschossen werden musste.

Von den ursprünglich zwei Storchenküken blieb bald nur noch eins übrig. Wie bei Störchen in Situationen von Nahrungsmangel üblich, wurde das schwächere Küken offenbar vom Altvogel aus dem Nest geworfen. Groß war die Sorge, dass auch das verbleibende Jungtier nicht ausreichend versorgt werden kann. Veronika Gallasch erinnerte sich da an eine Aktion vor knapp 30 Jahren.

Schon einmal halfen die Berkenbrücker mit Fisch aus

Weil da gleich fünf Storchenküken im Nest saßen und die Eltern sie nicht satt bekamen, hatten die Berkenbrücker seinerzeit eine Wanne mit Fischen unter den Horst gestellt. Und genau das passiert jetzt wieder. Die Berkenbrücker helfen auch ihrem "alleinerziehenden" Storch.

Thomas Merten vom Angelsportverein "Die Berkenbrücker" ist jetzt beispielsweise deutlich häufiger als sonst an den Altarmen der Spree anzutreffen. "Wir versuchen nach Feierabend, Jungfische zu angeln", sagt er. "Wir bringen sie dann in einen Behälter unterhalb des Horsts." Dort bedient sich der Storch nun tatsächlich regelmäßig an Ukeleien, Plötzen oder auch Rotfedern und fliegt damit hinauf zum Horst.

Veronika Gallasch und Dietmar Aurich mit der Fischwanne für den Storch.
Veronika Gallasch und Dietmar Aurich mit der Fischwanne für den Storch. | Bild: rbb / Michel Nowak

Naturschützer sehen ein solches Zufüttern bei Wildtieren meist durchaus kritisch. In diesem Fall begrüßt es Lutz Ittermann, der Artenschutzbeauftragte des Landkreises Oder-Spree, aber ausdrücklich. "Der zweite Storch ist letztlich durch ein menschengemachtes Problem umgekommen", sagt er. "Da sehe ich schon eine gewisse moralische Verpflichtung."

Nahrungsmangel treibt Störche an die Straßenränder

Gleichzeitig schildert Lutz Ittermann aber auch ein grundsätzliches Problem für Störche, die ihr Futter viel auch auf frischgemähten Wiesen finden. Bei oft akuten Nahrungsmangel seien inzwischen viele Störche gezwungen, an frisch gemähten Straßenrändern auf Beutefang zu gehen - in unmittelbarer Nähe zu den Autos. "Das liegt auch daran, dass sich die landwirtschaftliche Nutzung in den letzten 30 bis 40 Jahren massiv verändert hat", sagt Ittermann. Früher seien häufiger kleine Flächen für Grünfutter gemäht worden, so dass laufend neue Jagd- und Futtergebiete für Störche entstanden seien. Heute einzelne große Betriebe auf großen Arealen Silage produzieren. "Da werden schon mal auf einen Schlag 300 Hektar abgemäht und verarbeitet", so der Artenschutzbeauftragte. "Die drei Tage danach haben die Störche einen reich gedeckten Tisch." Aber davor und auch später fänden die großen Vögel vielfach nur sehr schwer Futter.

Storchennachwuchs vielleicht bald flügge?

Zumindest das Storchenküken auf dem Berkenbrücker Horst gedeiht im Moment prächtig. In den nächsten Tagen und wenn nötig auch Wochen wollen die Berkenbrücker weiter regelmäßig 15 bis 20 kleine Fische in der Wanne servieren.

Veronika Gallasch hofft nun, dass der Jungvogel auch mit einem Elternteil flügge wird. "Wir haben das vor Jahren mit fünf Jungstörchen gehabt, da werden wir das auch mit einem schaffen", sagt sie. Zumindest für Berkenbrücks Störche könnte es so noch ein kleines Happy End geben.

Dietmar Aurich angelt in der Müggelspree Futter für den "alleinerziehenden" Storch.Dietmar Aurich angelt in der Müggelspree Futter für den "alleinerziehenden" Storch.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.06.2020, 15:40 Uhr.

Beitrag von Michel Nowak

8 Kommentare

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  1. 8.

    Fischer als Mehrzahl von Fisch ist berkenbrühisch und somit völlig korrekt. Wir sagen auch Steiner und nicht Steine oder auch Klötzer und nicht Klötze. Sicher geht diese spezielle Sprache irgendwann verloren. In meinen hohen Alter kenne ich sie auch nur noch bruchstückhaft.

  2. 7.

    Fand ich auch lustig. rbb|24 hat (LEIDER) diesen kleinen Fehler behoben. Ich wünsche mir, dass das Küken und der/die Vater/Mutter gut durch das Jahr kommen. Dank den Pflegern und den kleinen Fisch(ER).

  3. 6.

    Hajakon und Randberliner: Genau diese Fragen stelle ich mir eben auch. 2 Meinungen; genau mein Dilemma.... :(

  4. 5.

    Wieder einmal eine schöne Geschichte oder Beitrag von rbb24. Weg von den sonstige Beiträgen wie, Krankheit, Kriminalität, Geld und Krieg! So etwas liest man doch wirklich gerne.

  5. 4.

    "15 - 20 kleine Fischer ... servieren"
    Aber warum?!?! Würden denn nicht Fische ausreichen?

    Entschuldigung, ich konnte es mir nicht verkneifen. Die Vorstellung ist zu lustig! ;-)

  6. 3.

    Ne, sollte man nicht. Der Mensch hat bereits massivst in die Umwelt eingegriffen. "Natürlich" ist schon lange nicht mehr. Und jeden Tag geht die Ausbeutung weiter. Daher ist jede Hilfe für Flora und Fauna aus meiner Sicht herzlich willkommen.

  7. 2.

    Der Mensch grätscht doch ständig der Natur in den Lauf, wenn es zu seinem eigenen Vorteil ist. Warum dann nicht mal zwei Störchen ein bisschen Unterstützung zukommen lassen; gibt eh nicht mehr viele.

    Gruß
    Hajakon

  8. 1.

    Auf den ersten Blick halte ich das auch für eine schöne Aktion. Doch sollte der Mensch hier der Natur seinen Lauf lassen? Ich bin zwiegespalten...

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