Berlin-Brandenburgisches Projekt - Wie Forscher alte Gemüsesorten wiederbeleben wollen

Mo 08.06.20 | 08:02 Uhr | Von Dilan Polat
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Seltene Gemüsesorten
Audio: Antenne Brandenburg | 05.06.2020 | Dilan Polat | Bild: Dilan Polat/rbb

Gesünder, nachhaltiger, vielfältiger: Alte Gemüsesorten bieten allerhand Vorteile. Das sollen nun auch wieder mehr Kunden erfahren. Dafür haben sich Forscher aus Berlin, Brandenburg und die Domäne Dahlem zusammengetan. Von Dilan Polat

Die "Weiße Cottbusser" ist keine Wurst, sondern eine alte Buschbohnenart und die "Bunte Forelle" ist kein kurioser Fisch, sondern eine historische Blattsalatsorte. Alte Gemüsesorten, wie sie noch vor 200 Jahren auf den Teller kamen, findet man im Supermarkt nicht. Dort gibt es die gängigen Mainstream-Gemüsesorten. Ein Zusammenschluss der Humboldt Universität zu Berlin, der Universität für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (Barnim) und Hofläden in Berlin und Brandenburg arbeiten nun dran, diese historischen Sorten wieder bekannt zu machen.

Auf der Suche nach dem Kundengeschmack

In der Domäne Dahlem werden seit 2009 auf 1,7 Hektar Fläche viele der Traditionssorten angebaut. Sie landen dann bei Berliner Gastronomen im Topf oder werden über den eigenen Hofladen verkauft. Doch was lässt sich verkaufen? Das will das Team aus Kleinbauern, Forschern und Saatgutzüchtern jetzt herausfinden.

"Bei den Radieschen, die wir jetzt gerade vermarkten, überprüfen wir, wie die Kundenrückmeldung darauf ist. Eine alte Sorte, die eher lila gefärbt ist, liegt da neben einer rot-weißen und einer gelblichen Traditionssorte und daneben das Mainstream-Radieschen. Da gucken wir: Wo greifen die Leute als erstes zu und was finden sie vom Geschmack her angenehm, denn alle vier Sorten schmecken ganz unterschiedlich", sagt Markus Heiermann, Betriebsleiter beim Gemüsebau in der Domäne Dahlem.

Tradition gegen Industrie

Dass so viele Gemüsesorten nicht mehr angebaut werden, liegt an der Ertragserwartung der industriellen Landwirtschaft. Sie setzt auf moderne Gemüsesorten, die resistenter gegen Schädlinge und besser über lange Strecken zu transportieren sind. "Allerdings kann man bei Traditionssorten sehr schön sehen, wie die sich über die Jahrzehnte an die Bedingungen des Landstrichs angepasst haben, wo sie angebaut werden", so Heiermann. Ein gutes Beispiel sei der Spinat "Matador": Der werde schon seit Ewigkeiten bei kleineren Betrieben in ganz Deutschland angebaut und sei bei seiner Anpassung an klimatische Verhältnisse gut zu beobachten.

Neben der Geschmacksvielfalt geht es bei der Verbreitung historischer Gemüsesorten also auch um Nachhaltigkeit. Der kleine Gemüsebauer kann das Saatgut selbst vermehren. Das gilt für die modernen Sorten im Grunde gar nicht mehr. Sie sind entweder Hybride oder sind genetisch veränderte Sorten und dieses Saatgut liegt in der Hand des Saatgutunternehmens.

Domäne Dahlem

Selber machen ist gesund

Im Hofladen der Domäne Dahlem kommen alte Gemüsesorten gut an. Siggi Göttmann aus Berlin Zehlendorf kauft hier regelmäßig Gemüse, aber auch altes Saatgut für seine Ackerparzelle in Teltow. "Die alten Sorten sind wesentliche robuster, schmecken besser und haben für mich einen höheren Stellenwert, auch was die Ernährung angeht." Besonders die alte Berliner Kartoffel Linda habe es ihm geschmacklich angetan. Deswegen versucht auch Siggi Göttmann selbst alte Sorten anzupflanzen. Zum Beispiel das "Ochsenherz", eine sehr alte Tomatenpflanze, die normalerweise schwer zu bekommen sei.

Wiederbelebung ausgestorbener Sorten

Wie historische Traditionssorten beim Kunden ankommen - das will auch Josefine Lauterbach von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde herausfinden. Bei dem Projekt "Sortenschätze" bringt ihr Forschungsteam in Zusammenarbeit mit dem Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen Vern e.V. im uckermärkischen Greiffenberg nun die ersten sechs Gemüsesorten in den Handel. Bis vor wenigen Jahren haben diese noch in Genbanken geschlafen. "Wir wollen die genetische Vielfalt schützen, zum einen der alten Sorten willen und zum anderen für die Züchtung. Denn wir wissen nicht, welche Eigenschaften das Gemüse der Zukunft haben muss. Deswegen ist es wichtig, eine große Vielfalt zu erhalten", so Josefine Lauterbach.

"Vielfalt in der Natur und auf dem Teller"

In dieser Woche befragt sie die Kunden des Hofladens der Domäne Dahlem. Dafür hat die Forscherin Flyer mit Rezeptvorschlägen und den Bedeutungen der Gemüsesorten erstellt. Auch wo sie in Berlin und Brandenburg angebaut werden ist in der Broschüre zu finden. Hinzu will Josefine Lauterbach rausfinden, was die Menschen besonders an den alten Gemüsesorten interessiert und eine Antwort kommt da immer: Der Geschmack. "Viele wollen nicht nur Vielfalt in der Natur, sondern auch die Vielfalt auf dem Teller."

Sendung: Antenne Brandenburg, 05.06.2020, 16:42Uhr

Beitrag von Dilan Polat

3 Kommentare

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  1. 3.

    Die Züchtung und der Anbau von einheimischem Obst dient vor allem dem großflächigen Anbau und der Vermarktung.
    Die heute aus Niedersachsen angebotenen und gekauften Erdbeeren haben mich geschmacklich wahrlich nicht begeistert.
    Während meiner langjährigen Kleingärtnerzugehörigkeit gab es andere altbewährte Sorten , die leider nicht aus wirtschaftlichen Gründen in Betracht kommen. Ich begrüße diese Initiative der Forscher. Es ist nie zu spät.

  2. 2.

    Super Sache wenn es wieder alte herkömmliche Gemüse und Obstsorten gibt. Der Geschmack war früher bei vielen Sorten intensiver. Da braucht man sich bloß ganz alte Rezepte ansehen.
    Heute haben viele Salat und Gemüsesorten keine Bitterstoffe mehr. Diese sind für den Körper aber gesund.

  3. 1.

    Prima, hoffentlich werden solche Projekte auch vom Bund so gefördert, dass solche wertvollen Obst- und Gemüsesorten auch wieder im regulären Handel zu kaufen sind. Wichtig ist auch, dass solche alten Sorten auch in unseren märkischen Böden wachsen können. Ich will nicht immer den langweiligen "Krams" von jww, den die Supermärkte zur Zeit anbieten.

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