Corona-Krise - Polen öffnet Grenze zu Deutschland wieder

Sa 13.06.20 | 13:57 Uhr
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René Wilke und Mariusz Oleiniczak, die Bürgermeister der beiden Grenzsstädte, fallen sich auf der Brücke in die Arme. (Quelle: dpa)
Audio: Inforadio | 13.06.2020 | Uta Schleiermacher | Bild: dpa

Musik, Korken Knallen und viel Erleichterung - Polen hat seine Grenze nach Deutschland wieder geöffnet. Am Übergang von Frankfurt (Oder) nach Slubice fielen sich die Bürgermeister in die Arme. Auch die Einkaufstouristen ließen nicht lange auf sich warten.

Hunderte Menschen haben sich in der Nacht zu Samstag auf der Stadtbrücke von Frankfurt nach Slubice versammelt, um die Grenzöffnung mit Musik und Sekt zu feiern. "Es war ein bisschen wie Sylvester", erzählt Saskia Heller, Studentin aus Frankfurt (Oder). Als es um Mitternacht dann soweit war, fielen sich die René Wilke und Mariusz Oleiniczak, die Bürgermeister der beiden Grenzsstädte, auf der Brücke in die Arme.

"Das dürft ihr uns nicht nochmal antun"

"Man darf Frankfurt (Oder) und Slubice genauso wenig an der Oder trennen, wie man die Weichsel oder die Spree an den Ufern trennen darf", sagte Wilke dem rbb. "Ich hoffe ganz stark, dass wir hier heute auch das Signal aussenden: Das dürft ihr uns nicht nochmal antun. Ich hoffe, dass das in Warschau und Berlin ankommt."

Seit Polen 2007 dem Schengen-Raum beitrat, gab es an der Oder praktisch keine Grenze mehr. Frankfurt (Oder) und Slubice haben ihre Zusammenarbeit seitdem immer stärker vertieft, bezeichnen sich als Doppelstadt.  Daran konnten auch die vergangenen drei Monate mit geschlossener Grenze nichts ändern. "Wir haben noch enger Kontakt gehabt also sonst", sagt der Linkenpolitiker Wilke, "Wir treffen uns sonst einmal im Monat, jetzt haben wir mindestens wöchentlich Telefonkonferenzen gemacht."

Viadrina Universität erleichtert

Die Europa-Universität Viadrina hat Standorte auf beiden Seiten der Oder und unter den partylaunigen Menschen auf der Stadtbrücke waren auch viele Studierende. "Die Doppelstadt kommt wieder. Das ist einfach so viel wert", sagt eine von ihnen. Ihre Kommilitonin freut sich, dass sie "einfach wieder über die Brücke spazieren und in Slubice einkaufen gehen" kann.

Auch Viadrina-Präsidentin Julia von Blumenthal feiert auf der Brücke mit. "Wir konnten uns zwar nicht direkt sehen, aber wir waren doch immer im Austausch", sagt sie, "Ich habe die Hoffnung, dass wir bei künftigen Krisen, noch viel besser gemeinsam reagieren können."

Schlangen vor Zigarettenläden

Zigaretten und Sprit kosten in Polen nach wie vor weniger als in Deutschland. Das lockt schon kurz nach Mitternacht wieder Einkaufstouristen über die Stadtbrücke. Ein Pärchen etwa ist die 80 Kilometer mit dem Auto gefahren. "Wir wollen Zigaretten kaufen", erzählen sie. Sie seien jetzt schon angereist, weil es morgen und übermorgen voll sein werde. Diesen Gedanken hatten wohl nicht nur sie. Schon kurz nach Mitternacht fuhren hunderte Autos über die Grenze.

Für Entspannung könnten bald Bus und Bahn sorgen, denn ab Montag sollen auch sie wieder über die Grenze rollen.

Drei Monate von der Familie getrennt

Auch am Samstagvormittag herrscht reger Verkehr auf der Stadtbrücke. Eine Frau ist mit ihrer kleinen Tochter auf dem Weg nach Polen. "Wir wohnen und arbeiten in Potsdam", erzählt sie, "Die Grenzschließung war für die Arbeit kein Problem aber für die Familie war es ein großes Problem." Sie freut sich, nach drei Monaten ihre Eltern in Polen besuchen zu können.

Auch die Händler auf dem Bazar in Slubice freuen sich, dass die deutschen Kunden wiederkommen. Viele Geschäfte hätte große Verluste gehabt, berichtet Grzegorz Schramm, der auf dem Markt Dekoartikel verkauft. Maskenpflicht herrscht dort nicht. Aber Grzegorz Schramm rechnet nicht damit, dass sich Corona mit der geöffneten Grenze stärker verbreitet. "Das Virus bleibt sowieso zwischen uns. Wenn es um Gesundheit geht, müssen wir uns stärken und einfach weiterleben."

17 Kommentare

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  1. 17.

    An alle, die jede kleine Handbewegung und erst recht eine spontane Umarmung als bleischweren Fall juristischer Aufarbeitung sehen:

    Auf der Grenze gilt nahezu nichts, denn weder polnisches noch deutsches Recht ist maßgebend. Das hat auch bspw. ein Künstler - da eben leidvoll - erfahren, der ein die Neiße überspannendes deutsch-polnischen Kunstwerk versichern lassen wollte. Ging nicht. War niemand zuständig.

    Bei der Umarmung würde ich Großzügigkeit walten assen, bei dem anderen genannten Defizit wäre es gut, wenn EU-Recht diese Lücke übersringen würde. Die bisherigen rechtlichen Provisorien - so bspw. die Ausgründung aus den Frankfurter Stadtwerken, um eine Buslinie nach Slubice zu betreiben - sollten allmählich an ein Ende kommen zugunsten binationaler Lüsungen, so, wie die gesamte Stadt Frankfurt (Oder) / Slubice ja eine binationale Stadt ist. Denn nur gemeinsam, nicht aber getrennt kann sie gedacht werden, wo sie doch aus einer Wurzel entstanden ist.

  2. 16.

    Ach, kiek an. Da scheint das Virus schon besiegt zu sein.

  3. 15.

    Nö, so sehen falsche Vorbilder aus.
    Neben der Freude ,dass sich Familien und Freunde wiedersehen und der Grenzverkehr für Arbeitnahmer wieder reibungslos läuft war einigen wichtig:
    Billig tanken, billige Kippen und ich befürchte, auch wieder billige Tiere vom Polenmarkt.
    Diese Unterbrechung war ein positiver Coronaeffekt,denn die Leute kapieren ja leider nicht, dass man keine Tiere von Vermehrern kauft.

  4. 14.

    Es wurde Zeit, endlich können wir wieder unsere Familien sehen. Polen und deutsche sind mehr zusammen gewachsen, als einige hier sehen möchten.

  5. 13.

    Wer sagt denn, dass das Foto im Einflussbereich des Ordnungsamtes der Stadt Frankfurt gemacht wurde?

  6. 12.

    Habe es im Fernsehen gesehen ---Umarmung, kein Abstand und Händeschütteln?? Habe ich was verpasst??

  7. 11.

    Die zwei Bürgermeister werden diese kurze Umarmung überleben und schön, dass sich beide Länder wieder so herzlich begegnen können. Vor 34 Jahren gab man mir beim Spaziergang über den Markt in Gdansk einen guten Rat ... sage möglichst wenig, damit man nicht merkt, dass du Deutscher bist. Das war grausam!

  8. 10.

    Ja, für das geeinte Europa und die Menschen in der Region ist es wie der Mauerfall oder auch der Tag des Beitritts zum Schengenraum. Nur in einem gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum mit einer starken gemeinsamen politischen Vertretung werden wir die Zukunft meistern. Ulrich Thorhauer

  9. 9.

    Wollen wir mal hoffen, dass Ordnungsamt von Amts wegen ermittelt und die Bußgelder entsprechend erteilt. Alles andere ist dem Bürger nicht zu erklären.
    Aber gut, dann brauche ich auch keine Maske mehr in Geschäften und im ÖPNV anziehen. Danke für die gute Vorbildfunktion liebe Bürgermeister.

  10. 8.

    Die tun ja so, als wär das wie beim Mauerfall zu Zeiten der Wiedervereinigung... meine Güte, dies waren gerade mal ein paar Wochen...

  11. 7.

    Schön, das alles wieder offen ist. Aber warum wird immer wieder mit zweierlei Maß gemessen, wenn es um Abstands- und Hygienemaßnahmen geht. Die Akzeptanz der ganzen Anordnungen bei "Otto Normalverbraucher" sinkt durch solche Bilder immer mehr.

  12. 6.

    Muss ich verstehen, warum sich die beiden Bürgermeister umarmen? Sicherheitsabstand und Maske = Fehlanzeige...

  13. 5.

    "...Musik, Korken Knallen und..."

    Geht es vielleicht auch mal eine Nummer kleiner? Überall diese ständig übertriebenen Meldungen in den Nachrichten.

    Und letzten Endes wofür?

    "Schlangen vor Zigarettenläden"

    Da kann man schon mal etwas lachen drüber ;o)

  14. 4.

    Sicherheitsabstand oder Mundschutz Fehlanzeige. Dann noch eine Umarmung? Habe man aus den vergangenen Monaten nichts gelernt?

    So groß die Freude auch sein mag sollte man die unsichtbare Gefahr nicht außer Acht lassen.

  15. 3.

    So schön!!! Ich würde mir auch wünschen, das so eine Situation nie wieder kommt! Dafür ist Brandenburg und Polen viel zu sehr miteinander verbunden!

  16. 2.

    Was für ein schönes Bild! Wenn man bedenkt, was für eine Geschichte beide Länder hinter sich haben ...

  17. 1.

    Dzien Dobry! Co jest to jedziena?

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