Interview | Bodenexpertin Katharina Helming - "Wir brauchen eine Diversifizierung in der Landwirtschaft"

Starkregen, Hitze, Unwetter: Extreme Wetterereignisse machen den Ackerböden in Deutschland zu schaffen. Vor allem in Brandenburg, sagt Agraringenieurin Katharina Helming vom Müncheberger Leibniz-Institut für Agrarlandschaftsforschung im Interview.
rbb: Frau Helming, sie forschen am Leibniz-Institut für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg (Märkisch-Oderland) und sind dort Expertin für Bodenkunde. Wie ist der generelle Zustand der Ackerböden in Deutschland, insbesondere in Brandenburg?
Katharina Helming: Die Böden sind natürlich in den letzten Jahren total stark ausgetrocknet. Das ist in Brandenburg besonders schlimm, weil hier der durchschnittliche Niederschlag sowieso sehr gering ist mit etwa 500 Millimeter Jahresniederschlag. Wenn wir weiter nach Westen gehen, nach Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen, sind es 700 bis 800 - und zu den Alpen hin 1.000 Millimeter Jahresniederschlag. Das ist natürlich erheblich mehr. Hinzu kommt noch, dass wir in Brandenburg sehr leichte, also sehr sandige Böden haben, die auch eine schlechte Bodenstruktur haben.
Zur Trockenheit der Böden haben vor allem die Dürresommer der vergangenen Jahre beigetragen. Welche Spuren hat die Hitze bis heute hinterlassen?
Der Boden ist bis in über zwei Meter Tiefe total ausgetrocknet und nicht nur die großen Poren, sondern auch die feineren, wo sich sonst das Wasser noch speichern und langsam an die Pflanzenwurzeln abgegeben werden kann. Jetzt ist der Porenraum komplett ausgetrocknet und muss langsam wieder mit Wasser aufgefüllt werden, sodass dies an die Pflanzen abgeben werden kann. Wenn eine gute Struktur vorhanden ist, also ein Porenraum, der mit Wasser gefüllt ist, dann kann auch eine ganze Trockenphase durchgestanden werden, weil in den kleinen Poren das Wasser dann zur Verfügung steht für die Wurzeln.
Dafür müsste es aber erstmal regelmäßig regnen.
Das genau ist der Punkt. Mit dem Klimawandel ist es halt so, dass sich sehr viel Regen in den Winter verlagert, aber im Winter ist keine Vegetation, da brauchen die Pflanzen das Wasser nicht unbedingt. Das heißt, es versickert dann auch in tiefere Bodenschichten. Das ist gut fürs Grundwasser, aber es steht für die Wurzel nicht zur Verfügung.
Diese langen Trockenphasen verbunden mit kurzem Starkregen, wie wir das auch letzte Woche hatten, können nicht dazu führen, dass sich die Poren schnell wieder auffüllen, sondern es passiert sogar, dass das Wasser oberflächlich abfließt. Wenn wir dann Hanglagen haben mit einer schlechten Bodenbedeckung, kann es auch zu Erosionen kommen. Das heißt, das fruchtbare Bodenmaterial wird abgeschwemmt und fließt dann vom Acker runter, beeinträchtigt dann auch manchmal die Straßen oder fließt in Gewässer, die dann so braun sind. Das ist schlecht für die Gewässer- und Bodenqualität. Ideal ist ein schöner Landregen, der über Tage anhält, weil der Regen dann so langsam in den Boden eindringen kann.
Welche Pflanzen profitieren denn aktuell noch vom Regen?
Jetzt ist er noch sehr gut für den Mais und die Zuckerrübe. Zum Beispiel bei uns in Brandenburg im Oderbruch und in der Uckermark werden Zuckerrüben angebaut, die sind jetzt voll im Wachstum. Auch für die späten Getreidesorten ist das super, also für den Weizen, der jetzt noch voll im Wachstum ist. Der Regen ist aber auch besonders gut für die Wiesen und Weiden, die werden jetzt wieder richtig schön saftig und grün.
Starkregen, Dürre, Hitze – extreme Wettereignisse haben in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen. Wie können die Böden vor solchen Wetterextremen geschützt werden?
Der Boden ist eigentlich die beste Versicherung gegen die Folgen des Klimawandels in der Landwirtschaft, weil der Boden so einen guten Porenraum hat und Wasser lange speichern kann für die Wurzeln. Wir brauchen eine Diversifizierung in der Landwirtschaft.
Das betrifft einerseits die Abfolge der Pflanzen, da sprechen wir von einer Fruchtfolge, sodass die Wurzeln komplementär zueinander sind. Manche Wurzeln sind ja sehr verzweigt und können gut im Oberboden in die Poren eindringen und dort das Wasser rausholen. Andere haben tiefe Pfahlwurzeln, wie der Raps zum Beispiel, die können auch im Unterboden noch die Poren aufschließen und dort Wasser holen. Da ist es wichtig, dass die Pflanzen so aufeinander abgestimmt werden, dass sie den gesamten Bodenkörper durchwurzeln und mit ihren Wurzeln dann auch den Boden stabilisieren.
Andererseits ist es räumlich wichtig, dass wir ein abwechslungsreiches Muster der Pflanzen haben, auch abwechselnd mit linearen Strukturen wie Hecken, Feldrändern und Bäumen, um so ein Mikroklima zu erzeugen, welche die Feuchtigkeit in der Landwirtschaft drin hält. Das ist im Moment aber ökonomisch etwas schwierig. Hier muss auch die Förderung für die Landwirtschaft umgestellt werden, um die Landwirte zu unterstützen, um diese Diversität einfach auch in der Fläche etablieren zu können.
Braucht es nicht generell einen Wandel in der Landwirtschaft – weg von großflächigen Monokulturen hin zu kleinen Strukturen, die auf Vielfalt setzen?
Da findet wirklich schon ein Umdenken statt, aber das Ganze ist teurer. Die Landwirte müssen ja auch entlohnt werden. Die kleinen, diversen Strukturen, das ist etwas, das uns allen zugute kommt. Das stoppt den Klimawandel, das verbessert die Landschaftsstruktur, das ist besser für die Artenvielfalt. Da sind sehr viele positive Effekte zu verzeichnen, die jetzt nicht nur für die Landwirte gut sind. Das bedeutet aber, dass die Landwirte für diese Leistung auch honoriert werden müssen - und da muss das Fördersystem umgestellt werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Felicitas Montag.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.07.2021, 07:30 Uhr