Flucht vor Lukaschenko nach Polen - Neutrebbiner Pfarrer gründet Hilfsverein für belarusische Oppositionelle

Aus Angst vor Repressionen suchen zahlreiche Regimekritiker aus Belarus derzeit Zuflucht in Polen. Die Lage dort ist teilweise prekär. Zur Unterstützung gründet ein Pfarrer aus Märkisch-Oderland zusammen mit Geflüchteten jetzt einen Hilfsverein.
Die Bundespolizei verzeichnet seit dem Sommer zunehmend unerlaubte Grenzübertritte von Geflüchteten, die über Belarus und Polen nach Brandenburg kommen. Der belarusische Machthaber Lukaschenko soll diese als Druckmittel gegenüber der EU nutzen, um die Sanktionen gegen ihn aufzuheben. Doch auch viele Belarusen selbst sind zurzeit auf der Flucht. Viele von ihnen finden unter anderem in Polen Zuflucht. Um diesen Menschen zu helfen, will ein Pfarrer aus Neutrebbin (Märkisch-Oderland) nun einen Verein zur Unterstützung gründen.
Pfarrer unterstützt Oppositionelle
Gerade sind wieder Hilfsgüter im Pfarrhaus von Neutrebbin angekommen. Darunter sind vor allem Schulranzen und Schuhe für die belarusischen Flüchtlinge in Polen. Um den Transport besser organisieren zu können, will Pfarrer Arno Leye den Verein ins Leben rufen. Seine Motivation zieht er dabei aus persönlichen Erfahrungen, denn die Situation in Belarus erinnere ihn an die Unterdrückung in der DDR. "Mit so einem Thema wie Wahlfälschung oder Repression und Unterdrückung. Und wenn man das jetzt erlebt, dass das in Europa in einem anderen Land passiert, berührt einen das schon sehr."
Bei der Vereinsgründung unterstützt wird Leye von Vadzim und Olja. Sie haben sich über soziale Netzwerke kennengelernt. Beide sind Regimekritiker aus Belarus. Vadzim ist im Mai über Polen nach Deutschland geflohen und musste dabei seine Familie zurücklassen. Seit den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Sommer ist die Situation in Belarus eskaliert. Viele Menschen im Land werfen der Regierung Wahlfälschung vor. Ihre Proteste wurden blutig niedergeschlagen. Zehntausende wurden verhaftet und gefoltert.
"Wir hatten jeden Tag seelische Schmerzen wegen diesem Unrecht."
An den Demonstrationen hat sich auch Vadzim beteiligt. "Unsere Nachbarn und ich sind mit vielen anderen auf die friedlichen Proteste gegangen. Ich betone: Es waren friedliche Proteste. Dort haben wir gesehen, dass die Menschen geschlagen wurden. Viele Menschen wurden verhaftet. Wir hatten jeden Tag seelische Schmerzen wegen diesem Unrecht."
Auch Olja hat Familie in Belarus. Ihr Bruder wurde bereits zweimal verhaftet und saß mehrere Tage im Gefängnis. "Das ist natürlich das allerschlimmste Gefühl. Du weißt, du sitzt hier in Deutschland und bist in Sicherheit, kannst aber den Angehörigen nicht helfen. Du kannst nicht einmal hinfliegen und die Leute umarmen, weil du dich dann selbst in Gefahr bringst."
Mehr als 150.000 Menschen aus Belarus sollen seit den Protesten im vergangenen Jahr Zuflucht in Polen gefunden haben, sagt Vadzim. In den Flüchtlingslagern fehle es an fast allem. "Viele von ihnen konnten bei ihrer Flucht nichts mitnehmen. Wir sind in ständigem Kontakt mit einem Freiwilligen, der uns berichtet, was gebraucht sind. An erster Stelle sind das Lebensmittel und Hygieneartikel. Von polnischer Seite bekommen sie das Essen und fünf Zloty pro Tag, das ist ungefähr ein Euro."
Doch es geht dem Neutrebbiner Verein nicht nur um Hilfslieferungen. Er will die Situation der belarusischen Flüchtlinge auch bekannt machen und für einen Austausch mit den Geflüchteten sorgen. Hilfe bekommt er dabei vom Bildungs- und Begegnungszentrum im Schloss Trebnitz. Dort soll im kommenden Sommer ein Workshop für die Kinder der Flüchtlinge stattfinden, gemeinsam mit deutschen Kindern.
Sendung: Antenne Brandenburg, 04.11.2021, 14:10 Uhr
Mit Material von Marie Stumpf