Gosen bei Erkner (Oder-Spree) - Touren durch DDR-Bunker werden seit Ukraine-Krieg immer beliebter

Di 29.03.22 | 06:02 Uhr | Von Robert Schwaß
Jörg Diester (M), Museumsbetreiber, erklärt Besuchern während einer Führung die Funktionsweise eines ehemaligen Bunkers in Gosen (Bild: dpa/Christian Ender)
Audio: Antenne Brandenburg | 28.03.2022 | Robert Schwaß | Bild: dpa/Christian Ender

Angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat das Interesse an alten Bunkern deutlich zugenommen. Das berichten auch die Verantwortlichen der Stasi-Anlage Gosen. Doch Schutz würden die Bauten heute kaum noch bieten. Von Robert Schwaß

Militärfahrzeuge auf Autobahnen, Diskussionen über Raketen-Abwehrsysteme und den Einsatz von Nuklearwaffen. Der Krieg in der Ukraine sorgt auch dafür, dass bei vielen Menschen in Deutschland die Angst wächst.

Die Bilder von Ukrainern, die in Bunkern und unterirdischen Metrostationen Schutz vor russischen Bomben suchen, sind dabei allgegenwärtig. Auch hierzulande steigt das Interesse nach privaten Schutzbunkern und es wird die Frage gestellt, in welchem Zustand hiesige Schutzräume für den Ernstfall sind.

Bunker-Anlagen als zeitgeschichtliche Museen

Bunker, beispielsweise aus DDR-Zeiten, dienen heute oft nur noch als Museum. So auch eine Anlage in Gosen bei Erkner (Oder-Spree). Die ist erst seit zwei Jahren geöffnet und lädt nach der Winterpause seit kurzem wieder zu Führungen mit Einblicken in DDR-Spionagegeschichte und auch den Zustand aktueller Schutzbunker. Entsprechend groß war die Nachfrage von Besuchern am vergangenen Wochenende.

Der Bunker bei Gosen ist eine unscheinbare Lagerhalle und liegt mitten im Wald. Die Spuren des Kalten Krieges werden dort erst unter der Erde sichtbar. Errichtet wurde die Anlage ab 1982 von der Staatssicherheit als "Ausweichführungsstelle". Mit einem freundlichen "Nach Ihnen bitte" öffnet Bunkerexperte Jörg Diester eine massive Stahltür und führt interessierte Besucher über eine steile Treppe fünf Meter abwärts in den massiven Betonbau. Mit jedem Schritt sinkt auch die Temperatur bis runter auf neun Grad Celsius. Ein umfangreiches Eingangssystem machte den Bunker sogar atombombensicher, sagt Diester.

Die erste Stufe hinein ist die sogenannte Dekontaminations-Schleuse. Von den zahlreichen Rohrleitungen entlang der weißen Wände ragt ein einzelner Duschkopf über eine Fuß-Wanne aus Zement. Daneben liegen noch originale Plastiksäcke, in die im Fall der Fälle verseuchte Kleidung entsorgt werden sollte. "Wenn ich jetzt noch einen ordentlichen Duschvorhang hätte, dann könnte man hier sogar noch duschen", scherzt Jörg Diester.

Weder Ernstfall noch Übung haben jemals stattgefunden

Bis zu 135 Stasi-Mitarbeiter der Hauptverwaltung Aufklärung hätten im Gosener Bunker Platz gefunden. Von dort aus sollten sie im Ernstfall die Auslandsspionage fortsetzen. Doch weder Ernstfall noch Übung haben jemals stattgefunden. Nach der Einheit sei die Anlage zunehmend verfallen, sagt Diester. Der aus dem Westerwald stammende Buchautor beschäftigt sich seit fast 25 Jahren mit Bunkern. "Ich war zum ersten Mal im Januar 2019 hier und da war es wirklich ein Schrottplatz." Mit dem Fokus auf Museumspädagogik wurde dann aber wieder einiges hergerichtet.

Im Fokus der Bunker-Tour steht jetzt neben dem Bau auch Markus Wolf, der langjährige Chef der "Hauptverwaltung Aufklärung" - der DDR-Auslandsspionage. Er hatte im Bunker sogar ein eigenes Zimmer. Der Raum ist teilweise noch im Originalzustand.

Bunker-Anlage bei Gosen aus der DDR
Zimmer von HVA-Chef Markus Wolf | Bild: rbb

"Sprelacart (mit Kunstharz gebundene Schichtstoffplatten; Anm. d. Red.), Linoleum und Raufasertapete an der Decke - das sind aus Brandschutzgründen alles Dinge, die definitiv nicht in einen Bunker gehören. Aber für den Chef sollte es wohl offensichtlich etwas gemütlicher sein."

Ansonsten ist von Luxus wenig zu spüren. Die anderthalbstündige Führung hinterlässt bei einigen Besuchern ein mulmiges Gefühl, so auch bei Ralf Baumann: "Kühl, feucht, bisschen erdrückend alles, aber es ist eben so."

Bunker bieten keinen Schutz mehr

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine steigt das Interesse an den Bunker-Touren in Gosen. Ob sich alte Anlagen reaktivieren lassen, wird Diester seitdem oft gefragt. Die Meinung des Experten ist ernüchternd. Keine der einst 24 öffentlichen Zivilschutzanlagen allein in Berlin könnte genutzt werden. Auch bundesweit sieht es laut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben nicht anders aus. Insgesamt 2.357 Bunker mit Platz für etwa 1,4 Millionen Menschen soll es einst gegeben haben. Heute bietet keine dieser Anlagen laut Experten noch Schutz.

Die funktionale Erhaltung öffentlicher Schutzräume sei 2007 eingestellt worden. "Manche sind verkauft, umgebaut oder abgerissen worden", sagt Diester. "Einige wenige gibt es heute noch. Die sind allerdings in einem Zustand der 1970er/80er Jahre. Da weiß man gar nicht, ob die überhaupt noch funktionieren."

Auch der Stasi-Bunker in Gosen könnte bei einem militärischen Konflikt nicht genutzt werden, so Diester. Als Museum leistet er hingegen regelmäßig seinen Dienst.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.03.2022, 15:40 Uhr

Beitrag von Robert Schwaß

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