Hürden für Selbstständigkeit - Brandenburger Gastfamilien kämpfen sich für Geflüchtete durch Bürokratie

Kein Bankkonto, keine Krankenversicherung, keine Wohnung: Geflüchtete aus der Ukraine haben Schwierigkeiten bei ihrem Weg in die Selbstständigkeit. Die meisten von ihnen leben bei Privatpersonen, die ob der Bürokratie oft nur den Kopf schütteln. Von Marie Stumpf
Vor zwei Monaten sind Katia und ihre 12-jährige Tochter Olena aus dem Dombass im Osten der Ukraine geflohen. Seitdem wohnen sie im Gästezimmer von Markus Brandenburg in Rüdersdorf. Inzwischen ist eine tiefe Freundschaft entstanden, doch Katia will auch selbstständig werden.
Durch die Bemühungen von Markus Brandenburg hat sie immerhin schon einen Job in einem Hotel in Berlin angetreten. Doch die Suche nach einer Wohnung gestaltet sich schwierig. Nicht nur wegen der allgemeinen Wohnungsknappheit, die auch ukrainische Geflüchtete trifft, sondern auch, weil Katia nicht alle erforderlichen Unterlagen mitbringt.
"Sie konnte kein Bankkonto und auch keine drei Gehaltsscheine nachweisen", erzählt Markus Brandenburg. "Das sind die Kriterien, an denen bisher alles gescheitert ist."
Für einen biometrischen Pass in den Krieg zurück
Die bürokratischen Mühlen mahlen langsam: Seit einem Monat wartet Markus Brandenburg auf die Gesundheitskarte für Katia und Olena. Nach wie vor sind beide in Deutschland nicht krankenversichert. Anfallende Behandlungen hat Brandenburgs Hausarzt kostenfrei durchgeführt.
Die Eröffnung eines Bankkontos dagegen sei gescheitert, weil Katia keinen biometrischen Pass hat, so Brandenburg. "Mit ihrem Pass [nicht-biometrisch, Anm. d. Redaktion] sind wir zu mehreren Banken gegangen, in Rüdersdorf, Strausberg, sogar in Berlin. Bei allen Banken haben wir eine Absage bekommen."
Von der ukrainischen Botschaft schließlich kam der Rat, sich für einen biometrischen Pass persönlich in Kiew zu melden. "Katia ist vor dem Krieg geflohen und muss jetzt nicht nochmal in den Krieg zurück, um sich den Pass zu holen", erzürnt sich Markus Brandenburg. "Das ist ein absolutes Unding!"
Landkreis oft gar nicht zuständig
In einer Whatsapp-Gruppe tauscht sich Markus Brandenburg regelmäßig mit 110 anderen Gastfamilien aus Märkisch-Oderland und Oder-Spree aus. Sie alle hätten die gleichen Probleme, sagt er.
Gemeinsam fordern sie weniger Bürokratie und mehr Unterstützung vom Amt. Doch das ist oft gar nicht zuständig, etwa beim Thema Konto. Das liegt in der Verantwortung der Banken.
Doch der Landkreis kann vermitteln, und so hat er eine Vereinbarung mit der Sparkasse Märkisch-Oderland getroffen. "Es ist jetzt möglich, mit anderen Dokumenten Konten zu eröffnen, es muss kein biometrischer Pass sein", erklärt Vize-Landrat Friedemann Hanke auf rbb-Nachfrage.
Sparkasse: Normalerweise keine Probleme bei Kontoeröffnung für Ukrainer
Die Probleme bei der Kontoeröffnung für ukrainische Geflüchtete seien lediglich "Einzelfälle", heißt es von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse und der Sparkasse Märkisch-Oderland auf rbb-Anfrage. Bei den meisten Ukrainern in Brandenburg funktioniere es reibungslos.
Benötigt wird demnach ein Pass mit Foto. Akzeptiert würden der ukrainische Reisepass und die ID-Card 2015. Probleme gebe es dagegen beim so genannten "Bürgerpass", der nur innerhalb der Ukraine als Ausweis gilt und nicht für Auslandsreisen gedacht ist. Auch Pässe lediglich auf kyrillisch sind für Banken oftmals schwierig.
Hintergrund ist das Geldwäschegesetz. Demnach sind Banken verpflichtet, zweifelsfrei nachzuweisen, ob ihre Kunden auch wirklich die sind, für die sich ausgeben. Dafür ist in der Regel ein Ausweis ausreichend. Ob die Banken das Geldwäschegesetz einhalten, kontrolliert die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).
Gilt der ukrainische "Bürgerpass" gar nicht?
Für die Ukrainer gilt seit dem 7. April allerdings eine Ausnahme: Wer nur den "Bürgerpass" besitzt, soll in Kombination mit einem Dokument einer deutschen Behörde (zum Beispiel Meldebescheinigung oder Aufenthaltstitel) ein Konto eröffnen dürfen. Dies werde nicht durch die Bafin beanstandet, so die Bafin am 7. April.
Eine rbb-Recherche zeigt jedoch, dass nicht alle Sparkassen dies umsetzen. So akzeptiert die Sparkasse Märkisch-Oderland nach wie vor keinen "Bürgerpass".
Die Sparkasse befürchte, dass die Bafin die Konten in ein paar Monaten doch kontrollieren könnte. Dies sei auch im Jahr 2015 bei Konten von Geflüchteten aus Syrien geschehen, so Uwe Schumacher vom Vorstand der Sparkasse Märkisch-Oderland.
Ein Teufelskreis für die Geflüchteten
Doch ein Konto ist in Deutschland oft unausweichlich – für die Gehaltsüberweisung im Job, für eine Krankenversicherung oder für den Abschluss eines Mietvertrages.
Ab dem 1. Juni ist auch der neue Anspruch für die Ukrainer auf Grundsicherung oder Hartz IV an ein Konto gebunden. Denn die Leistungen werden vom Jobcenter per Überweisung ausgezahlt. Bisher hatten die ukrainischen Geflüchteten nur Anspruch auf Sozialhilfe vom Sozialamt. Das bekamen sie oft in Bar oder in Form von Barschecks ausgezahlt.
Bewegung in Sachen Wohnungssuche
Bewegt hat sich dagegen etwas in Sachen Wohnungssuche. Viele Wohnungsbaugesellschaften haben Wohnungen extra für Ukrainer bereitgestellt. Der Landkreis Märkisch-Oderland selbst hat 40 Wohnungen angemietet. Diese sind aber nur für die Ukrainer bestimmt, die in großen Massen-Unterkünften leben, wie etwa in der Jugendherberge in Buckow.
Hilfsbereitschaft der Helfer sinkt
Die Gäste von Markus Brandenburg aus Rüdersdorf, Katia und Olena, haben Glück gehabt. Sie haben eine Wohnung in Woltersdorf gefunden - begrenzt für ein Jahr.
Bei Markus Brandenburg jedoch haben die vielen bürokratischen Hürden Spuren hinterlassen. "Ich bereue es nicht, Katia und Olena zu uns geholt zu haben", sagt Brandenburg, "aber ich weiß nicht, ob wir nochmal Menschen aufnehmen würden", sagt er
Sendung: Antenne Brandenburg, 27.05.2022, 16:30 Uhr