"Antenne Stammtisch" in Strausberg - Wie dem Wassermangel in Brandenburg Einhalt geboten werden könnte
In Brandenburg wird das Wasser knapp. Welche Folgen hat das und wie kann man dem Problem begegnen? Beim Antenne Stammtisch in Strausberg waren sich die meisten über die Tragweite einig. Bei den Lösungansätzen gingen die Meinungen auseinander. Von Franz Paul Helms
Rund 70 Interessierte sitzen dicht gedrängt an den Tischen im Volkshaus Strausberg (Landkreis Märkisch-Oderland). Alle Augen sind nach vorne auf die Bühne gerichtet. "Wenn wir Wasser sparen wollen, warum fangen wir dann nicht mit den Sport- und Golfplätzen an?", fragt eine Anwohnerin Richtung Podium. "Obwohl wir so wenig Wasser haben, werden immer noch so große Industriebetriebe hier angesiedelt, wie kann das sein?", ein älterer Herr.
Der Gesprächsbedarf war groß beim "Antenne Stammtisch" zur Wasserknappheit in Brandenburg am Mittwoch. Neben den Bürgerinnen und Bürger aus der Region im Publikum haben auch Gäste aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft gemeinsam über die Wasserknappheit und ihre Folgen und mögliche Lösungsansätze diskutiert.
Ein menschgemachtes Problem
Mehr als 3.000 Seen und tausende Kilometer Flusslauf gibt es in Brandenburg. Das Land ist bekannt für seine Seenlandschaften. Das Wasser wird aber immer knapper. "Wir haben es mit ständig sinkenden Pegelständen zu tun", erklärt Irina Engelhardt, Hydrogeologin an der Technischen Universität in Berlin. Zwar gebe es regionale Unterschiede in den Wasservorkommen und saisonale Schwankungen. Dennoch bestehe kein Zweifel daran, dass langfristig immer weniger Wasser zur Verfügung stehen wird, so Engelhardt.
Das lässt sich vor allem auf einen Faktor zurückführen: den Klimawandel. Seit Jahrzehnten erhöht sich die Durchschnittstemperatur in Brandenburg. Bis 2040 wird sie laut Experten um 2,1 Grad im Vergleich zu 1990 steigen. "Gleichzeitig bleibt die Menge der Niederschläge aber konstant", erklärt Marten Lange-Siebenthaler. Er ist ehrenamtlicher Wasserexperte beim Naturschutzbund (Nabu) und der Grünen Liga. Langfristig führe das zu weniger Regen im Sommer und mehr Sturzregen im Herbst und im Frühling. Dadurch werden die Böden immer trockener. "Wir können nicht darauf hoffen, dass wieder ein Jahr mit viel Regen kommt. Die Tendenz ist eindeutig", so Lange-Siebenthaler.

Straussee trocknet aus, Wasser wird rationiert
Den möglichen Folgen der Wasserknappheit waren sich die vielen Strausbergerinnen und Strausberger im Saal sehr bewusst. Denn seit Jahren verliert ihr Badesee, der Straussee, an Wasser. "Die Lage ist dramatisch", beklagt Frank Weber von der Bürgerinitiative zur Erhaltung des Gewässers. "Vor 20 Jahren hatte der See einen Pegelstand von 1,53 Metern, jetzt liegt er bei 20 Zentimetern."
Um der Knappheit entgegenzuwirken, hat der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) unlängst drastische Maßnahmen beschlossen. Im Einzugsgebiet ist der Wasserverbrauch für Neukunden ab 2025 auf 105 Liter pro Person und Tag limitiert, erklärt Henryk Pilz, Bürgermeister von Erkner (CDU) und Mitglied im WSE.
Andere Regionen in Deutschland ebenfalls betroffen
Dabei ist Brandenburg kein Einzelfall. Auch anderen Regionen in Deutschland haben mit Wasserknappheit zu kämpfen. Allerdings gibt es bislang kaum einheitliche Daten zur bundesweiten Verfügbarkeit. Das laut eigenen Angaben unabhängige und spendenfinanzierte Journalismusprojekt "Correctiv" hat sich dem Problem angenommen. Das Zentrum hat Daten zu Rechtsstreits um die Wasserversorgung ausgewertet. "In elf von sechzehn Bundesländern nehmen Gerichtsverfahren um die Wasserversorgung zu. Das ist ein Zeichen, dass es immer enger wird", so Katharina Huth, Klimareporterin bei Correctiv und Rednerin beim Stammtisch in Strausberg.

Auswirkungen auf die Wirtschaft
Für Unternehmen ist eine verlässliche Wasserversorgung unabdingbar. So auch für den Elektroautohersteller Tesla. Immer wieder dreht sich das Gespräch und die Fragen des Publikums um das Werk des US-amerikanischen Konzerns in Grünheide (Oder-Spree). "Obwohl wir so wenig Wasser haben, werden immer noch so große Industriebetriebe hier angesiedelt, wie kann das sein?", fragt an dieser Stelle der ältere Herr ins Mikrofon.
Anke Hermann, Abteilungsleiterin für Wasser- und Bodenschutz im Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz (MLUK) beschwichtigt: "Bei jeder Ansiedlung eines Unternehmens muss ein Reserve-Nachweis erbracht werden". Ein Reserve-Nachweis, das ist ein Gutachten, welches belegt, dass ein Unternehmen nicht mehr Wasser verbraucht, als zur Verfügung steht. Aus dem Publikum stöhnt es - so ganz scheint man den Regularien nicht zu vertrauen.
"Tesla ist nicht gekommen, um uns das Wasser wegzunehmen"
Auch Gundolf Schülke von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg lenkt ein: "Vor kurzem haben wir uns noch über den Technologie-Zuwachs gefreut. Tesla ist nicht gekommen, um uns das Wasser wegzunehmen". Dafür gibt es verhaltenen Applaus aus dem Publikum.
Fakt ist: Tesla ist bei weitem nicht der größte Wasserverbraucher in der Region. Das Kalkwerk in Rüdersdorf (Märkisch-Oderland) etwa, verbraucht ein Vielfaches an Wasser. Frank Weber von der Bürgerinitiative in Strausberg sieht trotzdem noch Einsparungs-Potential: "Ich bin enttäuscht darüber, dass ein angeblich so moderner Konzern so viel Wasser in seiner Produktion verbraucht".
Entsalzung von Meerwasser als mögliche Lösung
Besonders die Frage nach möglichen Lösungsansätzen wird beim Stammtisch kontrovers diskutiert. TU-Hydrologin Irina Engelhardt sieht zwei mögliche Ansätze: die Umleitung oder Aufbereitung von Wasser. So könne die wertvolle Ressource aus Gebieten mit Überschüssen über Pipelines nach Brandenburg geleitet werden. Gleichzeitig hält Engelhardt auch Entsalzung für eine realistische Alternative: "Die Transportwege zur Ostsee sind relativ kurz und das dadurch gewonnene Wasser hat eine hervorragende Qualität". Beide Unterfangen würden das Land allerdings mehrere hundert Millionen Euro kosten.

Individuelle Verantwortung
Carsten Preuss vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) plädiert dafür, die kleinen Lösungen nicht aus dem Auge zu verlieren. Für ihn gehört eine bessere Waldpflege ebenso dazu wie mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.
Frank Weber von der Bürgerinitiative Strausberg sieht auch die Bürgerinnen und Bürger in der Pflicht: "Jeder muss bei sich selbst anfangen". Derzeit liege der Wasserverbrauch mit 175 Litern pro Person und Tag über dem Bundesdurchschnitt. Besonders im Sommer käme es zu einem erhöhten Verbrauch durch die Bewässerung von Gärten oder das Befüllen von Pools.
Das Publikum möchte das so nicht auf sich sitzen lassen. Eine Strausbergerin meldet sich zu Wort: "Gerade bei uns auf dem Land sind Gärten auch Lebensräume". Es gibt große Zustimmung im Saal, einige Anwesende klopfen auf ihre Tische.
Fest steht, eine einfache Lösung für die Wasserknappheit in Brandenburg wird es nicht geben.
Sendung: Antenne Brandenburg, Antenne Stammtisch, 22.06.2022, 21:00 Uhr
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