Wassermangel in Strausberg - Eine Stadt kämpft um ihren See

Do 04.08.22 | 07:22 Uhr | Von Felina Czycykowski und Sören Hinze
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Der Bootsverleiher Mario Schmitz demonstriert mit seiner Körperhöhe am 20.07.2022 das Absinken des Wasserpegels des Strausberger Sees (Quelle: rbb/Hinze).
Audio: Antenne Brandenburg | 03.08.2022 | Torsten Glauche | Bild: rbb / Hinze

Die einen in Strausberg sagen: Es liegt nur am Wasserwerk. Die anderen: Es liegt an durstigen Kiefern und dem Klimawandel. Oder sind doch Tesla und die Rasensprenger schuld? Eins steht fest: Der Straussee schrumpft. Von Felina Czycykowski und Sören Hinze

Über dem knöcheltiefen Ufer segelt die Frisbeescheibe zwischen Sebastian* und Markus* hin und her. Neben den Beiden, auf Höhe ihrer Köpfe, reihen sich pechschwarze Holzgerippe. Das waren mal private Bootsstege. Sie sehen aus, als hätte jemand nummerierte Regenunterstände ans Ufer gezimmert. Wo die beiden 19-Jährigen ihre Frisbee werfen, stand man früher schultertief im türkisklaren Wasser des Straussees. "Klar weiß ich, dass der See verschwindet. Hatten wir auch damals in der Schule und so. Aber hier passiert ja nix. Die verkaufen lieber das Wasser", sagt Markus.

Wischen Sie von vorher zu nachher: 2017 (links) ist das Freibad noch gut besucht. Im Sommer 2022 (rechts) ist der Pegel stark gesunken: Das Ufer beginnt erst am Steg (Bild: Freibad Strausberg und rbb / Hinze).

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Die grüne Stadt am See

Eine gute halbe Stunde dauert die S-Bahnfahrt vom Berliner Ostkreuz nach Strausberg, einer Stadt von 20.000 Einwohnern. In ihrem Zentrum, am Ufer des Straussees, steht das Freibad mit seiner himmelbauen Holzfassade, eröffnet im Jahr 1925 – der Blütezeit der damaligen Freiluftbadanstalten. Seitdem ein beliebtes Ausflugsziel, für Strausberger, aber auch für Leute aus der Umgebung und Berlin. "Und jetzt ist es halt zu. Schon schade", sagt Sebastian.

Das Freibad gesehen vom anderen Ufer: Oben im Jahr 2017, unten im Sommer 2022 (Bild: Freibad Strausberg und rbb / Czycykowski).

"Früher waren wir da noch rutschen"

2022 ist das Freibad das vierte Jahr in Folge geschlossen: Ohne genügend Pegel liegt der flach ins Wasser laufende Strand frei. Wo heute das Ufer beginnt, geht es direkt steil in die Tiefe. "Akute Ertrinkungsgefahr", sagt der Betreiber. Der Nichtschwimmerbereich ist verschwunden. Und ohne den ist kein Freibadbetrieb erlaubt.

Die Rutsche war die Vorbotin. Sie verschwand als erstes. Dann wurde der Fünf-Meter Turm gesperrt, als letztes das Drei-Meter-Brett abgebaut. Das Wasser war einfach nicht mehr tief genug. Die abmontierte Rutsche wurde im Gestrüpp geparkt - um sie irgendwann wieder anzuschrauben, sollte sich der See erholen. Aber Frisbeepartner Markus beobachtet das Gegenteil: "Jeden Tag ein Zentimeter. Ich sehe das ja am Ufer. Ich war eine Woche im Urlaub. Und davor konnte ich noch vorne bei den anderen Steinen ins Wasser", sagt er. Heute sollen es bis zu 40 Grad werden.

2017 (links) ist das Freibad noch gut besucht. Im Vergleich zum Jahr 2022 (rechts) ist der Pegel stark gesunken: Das Ufer beginnt erst am Steg.

"Ach Oma, wenn du wüsstest wie der See aussieht"

Neben dem geschlossenen Schwimmbad liegt der Bootsverleih: Dreißig Ruderboote und eine kleine Hütte aus Kiefernlatten. Drinnen läuft das Radio: "Silent Running" von Mike & The Mechanics. Elke Jenning und ihr Kollege Mario Schmitz sitzen im Schatten der Markise auf weißen Plastikstühlen. Wenn jemand kommt, stehen sie auf. Er teilt die Ruder aus und schiebt die Boote ins Wasser. Sie kassiert. Fünf Euro kostet die Stunde.

Elke Jenning und Mario Schmitz sitzen vor ihrem Bootsverleih in Strausberg, 20.07.2022 (Quelle: rbb/Czycykowski).
Elke Jenning und Mario Schmitz haben sich als Jugendliche in Strausberg kennengelernt. | Bild: rbb / Czycykowski

Beide sind in Strausberg aufgewachsen. Elke Jenning hat zwischendurch woanders gewohnt, ist aber zurückgekehrt. "Meine Oma hat immer gesagt: Der tolle See trocknet niemals aus. Dann kam ich nach zehn Jahren wieder hier her nach Strausberg und dachte: 'Ach Oma, wenn du wüsstest wie der See aussieht'", sagt Jenning und muss kurz schlucken.

Im Song, der aus der Hütte ertönt, heißt es: "Teach the children quietly. For some day sons and daughters / will rise up and fight while we stood still." [lyrics.com] Übersetzt bedeutet das: "Bring es den Kindern beruhigend bei. Eines Tages werden (unsere) Söhne und Töchter sich erheben und kämpfen - während wir still blieben."

Die Bootsverleiherin Elke Jenning schaut vor ihrem Verleih in Strausberg am Straussee in die Ferne, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Czycykowski).
Elke Jenning sorgt sich um ihren See. Sie ist hier aufgewachsen. | Bild: rbb / Czycykowski

Teigkugel im Freibad

Schon vor ihrer Einschulung hat sie schwimmen gelernt, erzählt Elke Jenning. Natürlich im Straussee. Die Sommer ihrer Kindheit hat sie im Freibad verbracht: Nach der Schule pilgerten sie und ihre Freunde jeden Tag an den See. Das Proviantpaket von den Eltern - Schnitten, Obst und Wasser - musste ihr Bruder tragen. "Dit war mir immer zu schwer", sagt Jenning.

In der DDR habe der Eintritt 20 Pfennig gekostet, mit Umkleide 50 Pfennig. Ab und zu gab es Taschengeld für ein Eis. "Wir haben davon meistens Brot beim Bäcker gekauft. Das haben wir dann durchgeschnitten, ausgehöhlt und so zusammengerollt", sagt Jenning und presst ihre Finger zusammen. Teigkugel im Freibad. "Mann, waren das schöne Zeiten", erinnert sie sich. So einen Treffpunkt gibt es nicht mehr: Die Kinder müssen sich eine eigene Badestelle suchen, ohne Bademeister, Umkleide und Sprungsteg.

2017 (links) durften Freibadbesucherinnen und -besucher noch ihren Mut beim Turmspringen auf die Probe stellen. 2022 stapeln sich Boote auf dem einsamen Freibadstrand (Bild: Freibad Strausberg und rbb / Hinze).

Warum schrumpft der See?

2011 war das Wasser am Ufer rund 150 Zentimeter tief. Heute sind es an derselben Stelle 20 Zentimeter. Das beweisen die Messungen am Seeufer. Die Gründe dafür nennt die Hydrologin Irina Engelhardt von der TU Berlin: "Zum einen bekam der Straussee Zuflüsse durch kleine Bäche, er speist sich auch aus Grundwasser. Durch den Klimawandel sind die kleinen Bäche inzwischen trockengefallen. Zum anderen ist die atmosphärische Temperatur gestiegen. Seen sind riesige freiliegende Wasserstellen. Nirgends verdunstet so viel Wasser wie auf Seen", erklärt sie. Dazu kommt, dass die Kiefernwälder der Umgebung viel Feuchtigkeit ziehen, aber sie nicht gut speichern können.

Ein Wasserpegel-Messer ragt aus dem Wasser des Strausees in Brandenburg, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Hinze).
Um den Wasserstand des Straussees zu messen, wurde am Ufer mehrere Pegelmesser aufgestellt: Mittlerweile stehen schon drei trocken. | Bild: rbb / Hinze

Heißt zusammengefasst also: Nach oben verdunstet es und von unten kommt nichts nach. Aber das liegt nicht nur am Klima, sagt Irina Engelhardt: "Es ist ganz sicher, dass die Wasserförderung einen Anteil an den sinkenden Wasserspiegeln hat, wenn die Entnahmerate über der Grundwasserneubildung liegt." Je mehr Grundwasser der Wasserverband abpumpt, desto geringer stehen die Chancen darauf, dass die Wasserrutsche eines Tages wieder aus dem Gestrüpp geholt werden kann.

"Alles Geschunkel und Gemunkel hier"

Mario Schmitz bindet ein Boot fest, dann setzt er sich wieder vor die Hütte und trinkt einen Kaffee mit Elke Jenning. Früher sei er Rettungsschwimmer im Freibad gewesen, erzählt er. Später beglückte er Badegäste mit Fritten und kühlen Getränke aus einem Imbissfenster hinaus. Jetzt eben der Bootsverleih. Wie sie so dasitzen und sich unterhalten, wirken Schmitz und Jenning, als sähen sie dem See beim Schrumpfen zu.

Der Bootsverleiher Mario Schmitz bindet am Rand des Straussees ein Boot fest, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Czycykowski).
"Eigentlich schon immer hier": Mario Schmitz hat im Freibad schwimmen gelernt. Heute bringt er es Kindern in Strausberg bei. | Bild: rbb / Czycykowski

Mario Schmitz: "Zwischen den Stegen musste ich früher durchtauchen. Heute kann man da langlaufen."

Elke Jenning: "Wenn der Stand so bleibt, das ist genau ausgerechnet, dann haben wir hier in 30 Jahren 'ne Pfütze. Alles weg. Seit das Wasserwerk 2014 errichtet wurde, schrumpft der See schneller."

Mario Schmitz: "Und die letzten Jahre richtig rapide. Ne scheiß Wut hab ich."

Aus dem Radio in der Hütte hört man "We didn’t start the fire" von Billy Joel.

Der Strausberger Bootsverleiher Mario Schmitz schaut in die Kamera, 20.07.2022. Hinweis: Markenaufdruck des Shirts optisch verfremdet, um Werbung auszuschließen (Quelle: rbb / Czycykowski).
Mario Schmitz hat schon viele Jobs in seinem Leben gemacht. Der beste Arbeitsort, sagt er, ist für ihn immer noch der Straussee. | Bild: rbb / Czycykowski

Aus Wut wird Pessimismus

Schmitz' Wut richtet sich vor allem gegen den Wasserverband(WSE). Der versorgt die 170.000 Einwohner der Region mit Trinkwasser: Vom privaten Wasserhahn bis zu den Industriebetrieben – zum Beispiel die neue Fabrik von Tesla in Grünheide.

Mario Schmitz betrübt nicht nur der See: Die Stadt habe sich verändert, sagt er. Die Feste endeten zu früh. Ob in der Strausberger Altstadt oder bei kleinen Konzerten auf der örtlichen Kabelfähre: Um 22 Uhr stehe die Polizei auf der Matte. Weil irgendwer seine Ruhe haben will. "Aber um die Uhrzeit geht es ja eigentlich erst richtig los", sagt Schmitz und man hört ihm an, wie sehr er das bedauert. Es sind auch die lebendigen Höhepunkte, die Mario Schmitz am und auf dem weichenden Straussee vermisst.

Der Strausberger Bootsverleiher Mario Schmitz demonstriert am Ufer des Straussees mit seinen Armen den früheren Wasserpegel, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Hinze).
Mario Schmitz zeigt, wie niedrig der Pegel ist: "Die grüne Schicht beweist, dass das Wasser vor ein paar Wochen noch höher war." | Bild: rbb / Hinze

Der Anwalt Jens Mader verteidigt einen See

Jens Mader sitzt auf einer Steintreppe am Seeufer. Hier hat der Rechtsanwalt früher seine nackten Füße im Wasser baumeln lassen. Jetzt stecken sie in Sandalen trocken im Sand. "Wir wollen nur unser Recht geltend machen: Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot", fordern Mader und die rund 280 Vereinsmitglieder der "Bürgerinitiative zur Erhaltung des Straussee" [erhaltet-den-straussee.de].

Mit anderen Worten: Weniger darf es nicht werden. Viele Mitglieder sind im Rentenalter, was Jens Mader fehlt, sind junge Leute, die sich engagieren, sagt er. Er habe Hoffnungen gehabt, dass bei Fridays For Future der "Wassertropfen überschwappt", wie er es bezeichnet. Passiert sei nichts. "Die wollen gleich die ganze Welt retten. Aber nicht die eigene Nachbarschaft", beschreibt Mader sein Zwischenfazit.

Der Strausberger Anwalt Jens Mader sitzt auf einer Steintreppe und schaut auf den See, 20.07.2022 (Quelle: rbb /Hinze).
Als er begann, schwimmen zu lernen, stieg Jens Mader genau an dieser Stelle ins Wasser. Das ist längst verschwunden. | Bild: rbb / Hinze

"Das ist unser Wasser"

Doris Grewe, hellgrüne Brille, blauer Hut, Kleid mit Elefantenmuster, sitzt auf einer Bank am See. Die 65-Jährige hat früher als Bauingenieurin und Sozialarbeiterin viel von der Welt gesehen. In Ghana wurde sie mal zu einer Stammeskönigin gekrönt [moz.de]. Aber dass ihre Heimat am Straussee liegt, daran habe es für sie in 40 Jahren nie einen Zweifel gegeben. Lässig schaukelt sie einen Kinderwagen mit ihrem Enkel darin vor und zurück.

"Mit Empörung lese ich, dass Tesla seine Straßen wässert. Das ist unser Wasser. Beste Trinkwasserqualität. Aber ich darf erst ab 20 Uhr gießen?", beschwert sich Grewe. Jens Mader steht vor ihrer Bank und hört ihr zu. Und die Sache mit dem Freibad: Den Kies und Schutt von den umliegenden Baustellen könne man doch nutzen, um den Nichtschwimmerbereich aufzufüllen, schlägt Grewe vor. Schließlich sei das Freibad ein Herzstück der Stadt – geschlossen ist es nutzlos.

Die Strausbergerin Doris Grewe sitzt auf einer Parkbank nahe des Straussees und schiebt einen Kinderwagen vor und zurück, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Hinze).
Ihre zweite Heimat liege in Afrika - aber die erste sei immer Strausberg gewesen: Doris Grewe. | Bild: rbb / Hinze

Als der Tesla-Gründer Elon Musk im vergangenen März das neue Werk in Grünheide eröffnete, fragte ihn eine Journalistin, ob er sich nicht Sorgen wegen des fehlenden Wassers in Brandenburg mache. Es war der Weltwassertag. Musk brach in Gelächter aus. Die Strausbergerin Doris Grewe lacht nicht. Für sie ist es eine Kränkung; stirbt doch ihr Wahrzeichen. Die Zukunft des Straussees sieht sie als verdunstete Regenrinne, sagt sie. Jens Mader hört der Frau auf der Bank zu und nickt. Aber er hat noch nicht aufgegeben.

Hoffnung aus der Ostsee?

Große Hoffnungen steckt er zum einen in eine Entsalzungsanlage, sagt er. Ein Projekt, das Wasser vom Salz trennt und dessen Leitungen vom Meer in die Mark reichen würden. Die Ostsee rettet Brandenburg? Momentan nicht viel mehr als eine Vision für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts. Für den Straussee kommt diese Idee vielleicht zu spät.

Zum anderen will Mader weiter dagegen kämpfen, dass der See an Substanz verliert. "Der Klimawandel hat seinen Anteil daran. Aber man sollte es doch nicht noch weiter vorantreiben, indem noch mehr Wasser abgepumpt werden darf", sagt Jens Mader. Er macht gerade eine Weiterbildung zum Fachanwalt im Verwaltungsrecht. Wenn er damit fertig ist, will er Prozesse gegen die Behörden führen, kündigt er an, "damit endlich was passiert."

Der Strausberger Anwalt Jens Mader zeigt auf das Wasser des Straussees und schaut dabei in die Kamera, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Hinze).
Der gelb-schwarze Hauptpegel vorne steht schon seit Jahren trocken. Jens Mader misst den Wasserstand nun mit einem Hilfspegel an einer anderen Stelle des Sees. | Bild: rbb / Hinze

Schwimmende Stege

Auch der Freibad-Pächter Fred Thaleiser hat noch Pläne. "Zielsetzung ist, dass das Freibad zum 100-jährigen Jubiläum wieder voll in Betrieb geht. Das wäre dann 2025", sagt Thaleiser. Ein künstlicher Nichtschwimmerbereich soll errichtet werden: mit schwimmenden Stegen, die sich einfach an den Pegel anpassen. "An die soll ein Schwimmbecken angepflanzt werden. Quasi eine Badewanne für die Nichtschwimmer", sagt er.

Kies oder Sand aufzuschütten, so wie es Doris Grewe vorschlägt um das tiefe Ufer abzuflachen, bringe nichts. "Haben wir schon an einer Stelle ausprobiert. Rutscht alles weg. Weil es am Ufer so steil bergab geht, dass alles verschüttet wird", sagt der Betreiber.

Die Entscheidung, ob ein schwimmender Steg gebaut wird, wie er sich das vorstellt, fällt in den nächsten Monaten. Zuständig ist die Stadtverordnetenversammlung. Rund 2,7 Millionen Euro würde das die Stadt Strausberg als Eigentümerin voraussichtlich kosten [strausberg-live.de].

Der Eingang des Freibades in Strausberg. Dieses Schild sehen alle Besucher, seit das Freibad geschlossen ist, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Hinze).
Aus "vorerst" wurden inzwischen vier Jahre: Der Eingang des Strausberger Freibades. | Bild: rbb / Hinze

Tagebau-Wasser für den Straussee

Seit 2018 ist Elke Stadeler die Strausberger Bürgermeisterin. Im Freibad hat sie ihre Schwimmstufe abgelegt und musste von dem mittlerweile gesperrten Turm springen. "Übrigens das erste und einzige Mal", sagt sie. Den Vorwurf vieler Strausberger, der örtliche Wasserverband fördere zu viel Wasser, teile sie nicht: "Der Wasserverband hat vom Land genehmigte Wassermengen, die er nicht überschreiten darf", sagt Stadeler dazu. Daran halte er sich auch. Die Opposition im Brandenburger Landtag sieht das kritischer: Die zuständigen Wasserverbände seien überfordert und hätten weder Geld noch Personal, um die Probleme zu bewältigen, sagen BVB/Freie Wähler.

Stadelers Plan, um den Straussee zu retten: eine Wasserleitung von Rüdersdorf nach Strausberg. "Es soll geprüft werden, ob es möglich ist, Grubenwasser aus dem Tagebau Rüdersdorf in die Nähe des Straussees zu leiten, um dieses versickern zu lassen. Hier wurden Fördermittel des Landes Brandenburg beantragt und auch bewilligt. In den nächsten Tagen werden wir über die Vergabe dieser Gutachterleistungen entscheiden", sagt die parteilose Bürgermeisterin.

Doch bis auf diesem Weg Wasser nach Strausberg fließt, dürften mindestens zwei Jahre vergehen. Außerdem funktioniert das nicht ohne Zwischenlösung, weil das Rüdersdorfer Wasser viele Sulfate beinhaltet.

"Erst war es krass. Jetzt leben wir damit"

"Es ist einfach traurig", sagt Antje Fischer* als sie an diesem heißen Sommertag vom Fahrrad absteigt, um zu einem Arzttermin zu gehen Sie wohne seit 30 Jahren am Straussee und sehe, wie er immer weiter verschwinde. Sie sagt: "Es kam mit einem Schlag. Erst war es krass. Jetzt leben wir damit." So hat es auch Mario Schmitz beobachtet. Seit 2014 schrumpfe der See besonders deutlich.

Die Strausbergerin Antje Fischer, die seit 35 Jahren in der Stadt am Straussee lebt, steht vor ihrem Fahrrad, 20.07.2022 (Quelle: rbb / Hinze)."Graue Stadt ohne See": Die Strausbergerin Antje Fischer*.

Wer daran schuld ist - Klimawandel, das Wässern des Golfplatzes, durstige Kiefernwälder oder die Pumpen vom Wasserwerk - Fischer findet darauf keine Antwort, sagt sie. Ihr Verdacht: wahrscheinlich alles zusammen.

Aber wenn sie an die Zukunft ihrer Heimatstadt und ihres Sees denke, habe sie ein klares Bild vor Augen: "Wo sind wir in 30 Jahren? Strausberg - graue Stadt ohne See", sagt Fischer. Mit einem Freiluftmuseum, das früher mal ein Freibad war.

*Namen auf Wunsch der Gesprächspartner:innen geändert. Sie sind der Redaktion bekannt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 03.08.2022, 18:30 Uhr

Beitrag von Felina Czycykowski und Sören Hinze

21 Kommentare

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  1. 21.

    "Er habe Hoffnungen gehabt, dass bei Fridays For Future der "Wassertropfen überschwappt", wie er es bezeichnet. Passiert sei nichts. "Die wollen gleich die ganze Welt retten. Aber nicht die eigene Nachbarschaft", beschreibt Mader sein Zwischenfazit."

    Liest sich sehr despektierlich. "Die", die die Welt retten wollen sind unsere Kinder. Das ist ambitioniert und richtig. Hier in Beelitz hat man auch lange darauf gewartet, dass sich jemand an die Bäume kettet, damit sie nicht den Windkraftanlagen weichen. Wann kommt unsere Generation endlich mal auf die Idee, selbst was in die Hand zu nehmen? Überall wird sich beschwert, dass keiner was macht.

    Die großflächigen Kieferplantagen in Brandenburg führen seit Ewigkeiten zu einer starken Verschlechterung des lokalen Klimas und des Bodens. Werdet endlich aktiv und packt es an, sucht den Kontakt zu den Waldbesitzern, zu den Kommunen und zu Unis aus z.B. Südeuropa. Engagiert euch mehr in der lokalen Politik. Es brauchen alle eine Lösung.

  2. 20.

    Offensichtlich wissen Bürger dann doch mehr, als die Szadt zugeben will. Ich wollte das in meinem ersten Beitrag nicht ganz so direkt machen. Mein Tipp, sie hätten potentiell eonen RA auf Ihrer Seite. Dann sind eben die Bürger die Fragesteller. Ich habe schon einmal den Tipp bekommen, warum stellen Sie keine Anzeige? Und sehr verdattert geguckt. Nun, da es in dem Fall der Strausberger um sehr viel mehr geht und Bürger offensichtlich doch allerhand wissen, will ich dann mal den Tipp ohne weitere Ausführungen weitergeben.
    Zumindestens kann ich Ihnen den fachlichen Rat geben, dass Golfplätze leider nicht so unschuldig daherkommen, wie man in der "Lieblichkeit der imitierten englischen Landschaft" vermutet.

  3. 19.

    Auch das wunderschöne Volksbad in Waldsieversdorf ist in diesem Sommer geschlossen. Hier ist allerdings der Grund, es war kein Rettungsschwimmer zu finden. Vielleicht ist das eine Alternative für Herrn Schmitz.

  4. 18.

    Wenn ich lese das die Strausberger Bürgermeisterin der Auffassung ist, das der Wasserverband und das Wasserwerk in der Spitzmühle nichts mit dem niedrigen Pegelstand des Sees zu tun hätten, dann wird mir nur übel. Was soll man auch antworten wenn man selbst im Vorstand vertreten ist. Lobbyismus lässt grüßen. Ich bin seit den 1960er Jahren ansässig in Strausberg, aber einen Wasserverlust wie seit 2014 gab es noch nie! Das fällt zufällig mit der Inbetriebnahme des neuen Wasserwerks in der Spitzmühle zusammen. Welch ein Zufall!

  5. 17.

    Ich habe leider auch die Zuversicht verloren, dass der See zu retten ist.
    Wo verbleibt das Strausberger Abwasser und Regenwasser?
    Wir dürfen auch kein Wasser mehr vergeuden.
    Und vor Allem können wir nicht mehr Wasser herauspumpen als nachkommt. Der Straussee hat das Lagedefizit, er liegt hoch.

  6. 16.

    Es ist allerhöchste Zeit das sich der Bund und die Länder zusammensetzen und ernsthaft an das Problem Wassermangel herangehen, ähnlich wie zu Hochzeiten von Corona.

  7. 15.

    Das ist ja nun für die Stadt ein ganz schöner "Schlag ins Kotor". Da muss also geforscht u. nachgefragt werden: Was sagt das geolog. Landesamt dazu, was das geohydrolog. Gutachten für das Wasserwerk aus? Einen Golfplatz gibt es auch noch? Kopfschüttel. Und nun noch der Segen "Tesla-Werk". Muss ja dann ein 'großartiger Blick` sein, im neuen 'Tesla' zu sitzen u. an einem austrocknenden See entlang zu düsen. Da sind wir ja schneller beim o-ha als Herr Söder von der Wasserbereitstellung für seine Atommeiler denken kann. Rhein, Elbe, die Oder bei Frankfurt, das sind doch schlimme Bilder. Vielleicht muss man Strausberg dann in Waldstadt umbenennen und einen Tag des (Laub-)Waldes begehen. Vor allen muss was in den Wäldern passieren! Wenn da eben sehr viele dicke alte Eichen rumstehen, dann kann da keiner kommen und sagen: das da, alles meins. Eine Abräumung des Kiefernstandenholzes mit anschließendem Entzug potentieller Waldfläche darf es einfach nicht mehr geben. Zugucken ist passe!

  8. 14.

    Ja, und man wird auch nicht alle Seen mit irgendwelchen Tricks künstlich am Leben halten können. Es handelt sich um Natur und diese ist verstärkt durch den Klimawandel ebenfalls im steten Fluss der Veränderung. Das die Menschen immer denken, hier künstlich Entwicklungen aufhalten zu müssen und Gott zu spielen - unglaublich! Nur Symptome bekämpfen ändert nun mal nichts an den Ursachen.

  9. 13.

    Der Strausssee ist doch nur einer von vielen Seen hier in der Umgebung der akuten Wasserverlust aufweist.
    Als fleißige Wanderer beobachten wir schon länger diesen beängstigen Fakt.
    Beispiele sind z. B. der Möllensee, Großer Heinersdorfer See usw.
    Dieser Wassermangel ist auch in Jahren nicht aufzuholen.
    Und was soll der Unsinn mit dem Tagebau in Rüdersdorf bitte?
    Das abgepumpte Grundwasser wird in den Kriensee geleitet und verhilft allen anderen Gewässern die damit verbunden sind wenigstens halbwegs einen vernünftgen Wasserstand zu haben.




  10. 12.

    Es ist nicht verständlich, dass mit dem Finger auf das Wasserwerk gezeigt wird. Das Wasserwerk fördert das Wasser doch nicht zum Selbstzweck. Es versorgt die vielen zugezogen in den Strausberger Raum, die sich ihren Traum vom Eigenheim im Grünen verwirklichen. Und das der Traum auch grün bleibt wird ordentlich mit Trinkwasser gewässert. Wenn alle aufhören würden mit Trinkwasser den Garten zu wässern und statt dessen nur Regenwasser aus Tonnen und Zisternen verwenden, sinkt die Förderung am Wasserwerk sicherlich rapide. Aber das Leitungswasser ist einfach zu bequem und Schuld ist dann der Wasserversorger.

  11. 11.

    Ich verstehe nicht, warum nicht das gemacht wird, was relativ leicht möglich ist: Waldumbau weg von den Kiefern und Rückbau der Entwässerungsgräben, die es bestimmt auch noch gibt.

  12. 10.

    Ich kann keine Zahlen nennen, aber was in den vergangen Jahrzehnten bei der "Umgestaltung" der Tagebau-Restlöcher an Wasser aus der näheren und weiteren Umgebung abgezogen wurde, muss gigantisch sein.
    So eine Knappheit wie jetzt bilde sich nicht innerhalb von wenigen Jahren, in dieser Zeit haben sicherlich die Niederschläge abgenommen, wenn aber gleichzeitig gigantische Mengen Oberflächenwasser zur Flutung genutzt wird, was hat das an Auswirkungen, wen wundert es?
    Wird eigentlich kontrolliert und gegengerechnet, welche Auswirkungen die Flutungen der Tagebaue haben?
    Dagegen dürfte der Wasserverbrauch von Tesla ein Tröpfchen sein.

  13. 9.

    Oh, das macht er bereits und sie schauen sich um, sehen aber noch vor lauter Wald die Bäume nicht. Aber bald, wenn die meisten verbrannt und verdorrt sind.

  14. 7.

    Der DDR Bergbau hat uns das Seeenland "geschenkt ". Die größte Wasserverdunstungsfläche in der Lausitz. Mit dem Cottbuser Ostsee kommen nochmal 19 km2 dazu. Für den Hafen sind schon Millionen verbaut.Der Großräschener Hafen hat Millionen gekostet,ist wegen Wassermangel nie eröffnet worden.
    Und ihr fürchtet um euren Straussee.....Wir werden uns noch umgucken wenn der Klimawandel weiter ungebremst fortschreitet.

  15. 6.

    Grämt euch nicht Menschheit, für das Austrocknen seit ihr selbst verantwortlich.
    Aber für eure Ignoranz und Gier habe ich noch ein Geschenk für euch, langsam aber sicher lass ich eure Küstenstädte verschwinden:
    https://www.scinexx.de/news/geowissen/verlagerte-meeresstroemung-bedroht-ostantarktis-eis/

  16. 5.

    Den Straussee kenne ich auch seit Kindertagen und beobachte mit Sorge die Entwicklung.
    Den Ansatz aufbereitetes Wasser aus Rüdersdorf zur Grundwasseranreicherung zu nutzen, finde ich vielversprechend.
    Zumal mit dem Golfplatz eine riesige Versickerungsfläche zur Verfügung steht.

  17. 4.

    War schade zu realisieren dass auch Seen zum Luxusgut gehören. Sie zu retten kostet uns mehr Wasser als wir uns perspektivisch leisten können. Auch die Idee mit dem Meerwasser ist nett, aber das kostet, übrigens auch sehr viel Energie.

  18. 3.

    Und ein Beleg für das Nichtstun der Verwaltung ist, allen voran die Bürgermeisterin, dass Sie eine „Zeitgewinngutachten“ braucht damit der Golfplatz und der WSE sich gegenseitig solange beschuldigen können, bis der See weg ist. Wenn der Mensch im politischen Handeln eine Priorität haben soll, dann müsste doch WSE und Golfplatz verschwinden, an dieser Stelle. Denn die Verantwortlichen für Standortwahl haben versagt. Das kommt aber im Brandenburgischen sehr selten vor?

  19. 2.

    Schade - ich denke, es ist die Kombination aus allem, wobei die schwindenen Regenmengen und permanent steigenden Temperaturen und damit die hohe Verdunstungsanteil mit den größten Teil ausmachen. Induistrie und auch Wasserwerk tragen den weiteren hohen Anteil.

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