Ursachenforschung für das Fischsterben - Landeslabor ermittelt erhöhte Pestizid-Werte in der Oder - Polen spricht von "Fake News"

So 21.08.22 | 12:10 Uhr
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Ein toter Blei liegt am frühen Morgen im flachen Wasser vom deutsch-polnischen Grenzfluss Oder. Seit mehren Tagen beschäftigt das massive Fischsterben im Fluss Oder die Behörden und Anwohner des Flusses in Deutschland und Polen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
Audio: rbb24 aktuell | 20.08.2022 | Bild: Patrick Pleul/dpa

Die Behörden verfolgen bei der Aufklärung des Fischsterbens in der Oder eine neue Spur: Im Wasser wurden erhöhte Pestizid-Werte nachgewiesen. Als alleiniger Verursacher könne das aber nicht gelten. Polen widerspricht derweil vehement.

Auf der Suche nach den Ursachen für das massenhafte Fischsterben in der Oder hat das Landeslabor Berlin-Brandenburg überhöhte Pestizid-Werte nachgewiesen. Bei Proben, die an der Messstelle Frankfurt (Oder) in der Zeit vom 7. bis 9. August entnommen wurden, seien hohe Konzentrationen eines Pestizids mit dem Wirkstoff 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure gefunden worden, teilte das Brandenburger Umweltministerium am Samstag mit.

Es sei aber davon auszugehen, dass die nachgewiesene Dosis nicht unmittelbar tödlich für Fische gewesen sei. Der Wirkstoff wird etwa zur Bekämpfung von Unkraut eingesetzt.

Man müsse weiter davon ausgehen, dass die Umweltkatastrophe mehrere Ursachen gehabt habe, erklärte das Ministerium. Die überhöhe Konzentration des Pestizids über mehrere Tage habe aber sicher Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen gehabt. Möglicherweise sei das Pestizid am Oberlauf der Oder in noch höheren Konzentrationen vorhanden und am Messpunkt Frankfurt (Oder) bereits stark verdünnt gewesen.

Polens Regierung spricht von "Fake News" aus Deutschland

Die polnische Umweltministerin spricht in diesem Kontext von Falschmeldungen aus Deutschland. "Achtung, eine weitere Fake News wird in Deutschland verbreitet!!! Pestizide und Herbizide. In Polen wurde der Stoff getestet und unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen, d. h. ohne Auswirkungen auf Fische oder andere Tiere, und ohne Verbindung zum Fischsterben", schrieb Anna Moskwa am Samstagabend auf Twitter. Die Substanzen seien in Fischen nicht entdeckt worden, so Moskwa in einem weiteren Tweet, "Ein ungerechtfertigter Angriff auf die Landwirtschaft. Erst die Industrie, jetzt die Landwirtschaft? Was kommt als Nächstes?"

Polens nationalkonservative PiS-Regierung steht unter Druck, weil polnische Behörden nur zögerlich auf erste Hinweise zu dem Fischsterben reagierten. Auch in Deutschland wurde bemängelt, dass polnische Behörden die international vereinbarten Informationsketten nicht eingehalten hätten. Vertreter der PiS reagierten darauf wiederholt mit antideutschen Tönen - und mit Attacken gegen die polnische Opposition. Dieser unterstellen sie, das deutsche Narrativ über mögliche Ursachen der Umweltkatastrophe willig zu übernehmen.

160 Tonnen tote Fische in Polen geborgen

Unterdessen hat die polnische Feuerwehr nach eigenen Angaben bislang fast 160 Tonnen toter Fische aus der Oder und einem kleineren Fluss geborgen. Das sagte die Sprecherin der Feuerwehr-Hauptverwaltung am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Der Großteil entfalle dabei auf die verendeten Fische aus der Oder. In Brandenburg wurden nach früheren Angaben des Umweltministeriums mindestens 36 Tonnen geborgen.

Bei dem kleinen Fluss in Polen handelt es sich um den Ner, der südlich von Lodz entspringt und in die Warthe mündet. Er hat keine Verbindung zur Oder. Seit ein paar Tagen treiben auch im Ner tote Fische. Die Ursache ist noch nicht geklärt.

In der Oder regt sich wieder Leben

Am Freitag hatte es derweil erstmals positive Nachrichten aus dem Krisengebiet gegeben. Bei einer ersten Probefischung bei Brieskow-Finkenheerd (Oder-Spree) haben Wissenschaftler des Potsdamer Instituts für Binnenfischerei am Freitag zahlreiche lebende Fische verschiedener Arten nachgewiesen. Auch Flusskrebse und Muscheln seien wieder in der Oder unterwegs und wirkten gesund. Der Landesanglerverband sprach von einer guten Nachricht, die Hoffnung mache.

Das massenhafte Fischsterben im Grenzfluss Oder wurde auf deutscher Seite vor mittlerweile knapp zwei Wochen, am 9. August, bekannt. Ein Schiffskapitän in Brandenburg hatte verendete Tiere gesichtet. Die deutschen Behörden warfen Polen zuletzt vor, zu spät informiert zu haben. Helfer auf deutscher und polnischer Seite haben in den vergangenen Tagen tonnenweise verendeten Fisch aus der Oder geborgen.

Bei der Ursachenforschung werden derzeit nach Angaben des Bundesumweltministeriums Hunderte von verschiedenen Stoffen in den Fischen untersucht. Wissenschaftlern zufolge könnte eine giftige Algenart ein entscheidender Faktor für das Fischsterben sein. Nachgewiesen ist das aber noch nicht.

Sendung: Antenne Brandenburg, 20. August 2022, 11 Uhr

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16 Kommentare

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  1. 16.

    "... Man muß doch erst einmal wissen wonach man suchen muß, ..." Wat is dat denn für ne Logik?
    Wenn man weiß, wonach man suchen muss, brauch man nicht mehr suchen, dann muss man es nur noch nachweisen.
    Schon mal was von Analytischer Chemie gehört? Qualitative und quantitative Analyse?
    Was soll denn daran Wochen dauern, sämtliche Inhaltsstoffe im Oder-Wasser zu herauszufinden?
    Zugegeben: Die Ermittlung, welche Komponente nun hauptursächlich zum Absterben der Fische führte, dauert natürlich länger, weil da vermutlich Datenbanken ausgewertet, Wechselwirkungen modelliert und Testreihen durchgeführt werden müssen. Das ist aber kein Grund, srändig mit neuen Hypothesen um die Ecke zu kommen.

  2. 15.

    ... und man konnte immer noch nichts finden, die Fische werden doch nicht etwa kollektiven Selbstmord begangen haben?!

  3. 14.

    Nennen sie das Kind doch einfach beim Namen. Diese Brühe ist in glyphosatfreien (lt. Bewerbung) Unkrautvernichtern drin, "EU-konformes" RoundUp zum Beispiel. Beliebt nicht nur in Teilen der Landwirschaft, sondern auch unkontrolliert im heimischen Bereich angewendet, z.B. bei Zierrasen und dem, hierzu aber wegen möglicher Abspülungen in Kanalsysteme nicht zugelassenen, Freihalten von befestigten oder teilbefestigten Wegen(u.a. Fugenbewuchs). Unterm Strich wurde der Teufel mit dem Beezlebub ausgetrieben. Dezent ins Gießwasser damit und "Wayne juckts". Dem Einen sein Profit, dem Anderen seine Bequemlichkeit - ich könnte speien bei solchen Umweltsäuen. Schon toll, was hier so alles noch zugelassen ist:
    https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/psm_uebersichtsliste.pdf?__blob=publicationFile&v=36

  4. 13.

    Welche Fischarten wurden gefangen? Fischarten geben ein Indiz für die Gewässergüte ab. Dann welche Muschelarten und welche Krebsartige? Ich gehe davon aus, dass es wahrscheinlich nicht der europäische Flusskrebs ist, sondern eine widerstandsfähige Art! Es wäre gut wenn diese Arten benannt würden, damit Fischereiaufseher und Gewässerwarte sich ein Bild machen können!

  5. 12.

    So wie ich es auf Grund meiner Erfahrung in der Gewässerbetreuung einschätze, werden nur sekundär eingeleitete Stoffe identifiziert und quantifiziert, da im Text darauf hingewiesen wird, dass das Pestizid nicht der primäre Verursacher sei. Es sei hier auf die frühere Berichterstattung, in der die giftige Alge und die Salinität als primäre Ursache genannt werden hingewiesen!

  6. 11.

    Da muss ich Ihnen leider widersprechen. Sie können zwar mit einem Probekoffer erste Ergebnisse bekommen, aber für die Quantifizierung sind Ergebnisse nicht hinreichend genau im Fall wo ein Gewässer umkippt. Hierzu müssen Wasserproben in sterilen Gefäßen gezogen werden und in Laboren mit genaueren Methoden gemessen werden. Bezgl. Algen ist eine Bestimmung im Labor mikroskopisch erforderlich. Auch hier dauert die Auszählung der Organismen lange!

  7. 10.

    Ich stimme ihnen bez. der chemischen Kampfstoffe gegen die Natur, denn anders kann man diesen Dreck nicht bezeichnen, vollkommen zu. Und das war auch im Einsatz der schlimmsten Herbizide im Vietnamkrieg grauenvoll für Flora und Fauna!!
    Aber das viel größere Problem bei den Agent X Produkten unter Beteiligung von Bayer und Monsanto waren die Verunreinigungen mit 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin, dem schlimmsten Dioxin überhaupt. Dieses Zeug sorgt überhaupt erst für die furchtbaren genetischen Spätfolgen in der betroffenen vietnamesischen Bevölkerung.

  8. 9.

    "Ein äußerst lesenswerter Artikel:
    https://taz.de/Fischsterben-in-der-Oder/!5875609/" In der Tat. Man sieht was passiert wo rechtspopulistische und wirtschaftsnahe Parteien an der Macht sind.

    https://taz.de/Fischsterben-in-der-Oder/!5871745/

  9. 8.

    Das sind sehr berechtigte Fragen. Ich habe es bis vor kurzem auch nicht für möglich gehalten, dass wir in hiesigen Breitengraden Gefahr laufen, dass kein sauberes Wasser mehr aus dem Hahn kommt.
    Wie es aussieht, müssen wir uns wohl mehr darum kümmern, woher unser Trinkwasser kommt und wer oder was unsere Versorgung damit gefährdet.

    Allgemeine Infos zur Trinkwasserkontrolle und -überwachung habe ich übrigens beim Umweltbundesamt (umweltbundesamt.de) gefunden.

  10. 7.

    Der Wirkstoff 2,4-D / Dicamba wird als Pestizid in Landwirtschaft und Gartenbau zur Bekämpfung zweikeimblättriger Kräuter eingesetzt. Dieser Wirkstoff war auch in dem Entlaubungsmittel Agent Orange enthalten, mit dem das US-Militär im Vietnamkrieg die Wälder entlaubte. Mit verheerenden Folgen für Mensch und Mitwelt. Das Kontaktherbizid ist gesundheitsschädlich und gefährdet Bienen, Vögel, Fische und Säugetiere. Das Herbizid sollte deshalb nicht in

  11. 6.

    Sie beide haben eindeutig zuviel CSI gesehen. Da haben sie in einer Folge alle Laborergebnisse. Man muß doch erst einmal wissen wonach man suchen muß, das ist die berühmte Nadel im Heuhaufen.

  12. 5.

    Hört mir doch auf! Jeden zweiten Tag wird ein neues Element durchs Dorf getrieben!. Erst Quecksilber, dann Salze, dann ist irgendwo was anderes abgekippt worden, dann reichen die Messinstrumente nicht, weil die für "Routinebetrieb" ausgelegt sind.

    Und dann die Posse überhaupt: Der Mitarbeiter LUA, der mal schnell Proben aus der Oder holen und ins Leinbitz-Institut bringen will, muss einen DIENSTREISEANTRAG stellen!
    Die haben doch alle den Schuss nicht gehört.
    Naja, zumindest sind die Algen Schuld. Nun blos noch finden warum...
    "Die Algenart ist bestätigt. Und seine Kollegin von der Uni Wien hat große Mengen Gift in den Proben aus der Oder gefunden."
    Ein äußerst lesenswerter Artikel:
    https://taz.de/Fischsterben-in-der-Oder/!5875609/

  13. 4.

    Hoher pH-Wert, hoher Salzgehalt, hoher O²-Gehalt, Lösungmittel, Quecksilber, Chemikalien, giftige Algen, nun Pestizide - was fehlt jetzt noch an möglichen Ursachen? Altöl, Antibiotika, Düngemittel, Gülle, Kerosin, Mikroplastik, Silberiodid-Aceton - viel mehr kommt da ja nicht in Frage, was aus "Versehen" in das Oder-Wasser gelangt sein könnte.
    Ich bin gespannt, ob und wann die Hauptursache und die Verursacher des Fischsterbens herausgefunden werden.
    Auch wenn jetzt vereinzelt wieder kleine Fische und Muscheln aufgetaucht sind, heißt das noch lange nicht, dass die Gefahr für Fischotter und andere an der Oder lebende Tiere vorbei ist.

  14. 3.

    Die Frage stelle ich mir auch. Zumal so ein Wassertest keine Stunden dauert. Das hier was faul ist sieht man ja daran, dass die Tests angeblich Wochen dauern... Das kann doch nicht sein.

  15. 2.

    Wird ja recht wenig über das Thema berichtet, am besten für das restliche Jahr kein Trinkwasser aus der Nähe verwenden.

  16. 1.

    Da frag ich mich, wird Wasserqualität in Deutschland, Brandenburg, Berlin, kontinuierlich, ständig, dauerhaft kontrolliert oder werden wieder nur vorgefertigte Protokolle ausgedruckt ? Was durchfliest die Flussbetten, VersorgungsRohre, Trinkwasserleitungen ? Was bekommt Berlin-Mitte aus dem Hahn, was es in Oder-Spree-Havel nicht in höherer Konzentration gibt ? Wie 'sichie' ist Unser Trinkwasser ? Ist das Wasser knapp, damit nicht 'Alle', 'Sofort' Bauchgefühle bekommen ?

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