Klimaschutz versus Historie - Schöneicher kämpft für Photovoltaik auf altem Gutshaus gegen den Denkmalschutz

Mi 28.09.22 | 13:34 Uhr
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Helmut Grätz aus Schöneiche kämpft für Photovoltaik/ Solaranlage gegen Denkmalschutz
Audio: Antenne Brandenburg | 28.09.2022 | Robert Schwaß | Bild: rbb

Ein ehemaliger Pfarrer streitet sich seit Jahren mit den Behörden. Er möchte auf seinem Haus in Schöneiche eine Photovoltaikanlage installieren. Das Haus ist aber denkmalgeschützt - und so dürften Anlagen nach der Installation nicht sichtbar sein.

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine und aktuell deutlich gestiegenen Energiepreise wollen noch mehr Hausbesitzer eine Photovoltaikanlage für ihr Dach, um sich autark mit Strom zu versorgen. Auch der Wunsch, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, hat den Trend in den vergangenen Jahren verstärkt. Laut einer Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts Appino wollen 25 Prozent der deutschen Hauseigentümer in diesem Jahr in eine Photovoltaikanlage investieren [www.tagesschau.de].

Wenn auf den heimischen Dächern ausreichend Platz zur Verfügung steht, steht dem Vorhaben in den meisten Fällen auch nichts im Weg. Anders sieht es bei Helmut Grätz aus Schöneiche (Oder-Spree) aus. Er kämpft laut eigener Aussage seit eineinhalb Jahren um seine Anlage. Doch der Denkmalschutz verhindert dies.

Anträge laufen seit Jahren ins Leere

Einen über 300 Jahre alte Gutshof bezeichnet Altpfarrer Grätz als seinen ganzen Stolz. Seit Generationen lebt seine Familie auf der denkmalgeschützten Anlage. Um das Gehöft selbstständig mit Strom versorgen zu können, will der 83-jährige auch auf einem Dach eine Solaranlage bauen lassen. "Ich habe jetzt die Gebäude, kann es machen und hab auch das Geld gespart. Ich will es nicht noch meinen Kindern auflasten und es wäre schön, wenn ich das machen dürfte."

Doch es gibt ein Problem. Die Denkmalschutzbehörde untersagt Grätz den Bau der Solaranlage. Anträge laufen seit Jahren ins Leere. Der Grund: Das Solardach würde die Sicht auf das Gebäude zu stark verändern, heißt es als Begründung. Bauingenieur Jürgen Köhler, der die Anlage mitgeplant hat, zeigt dafür wenig Verständnis. "Wir sehen das nicht so. Weil wenn man hier mit dem Auto langfährt, nimmt man dieses Gebäude überhaupt nicht wahr. Der denkmalgeschützte Hofinnenbereich ist durch diese Solaranlage auch gar nicht gestört."

Denkmalschutz will Position überdenken

Wie können Denkmal- und Klimaschutz besser vereint werden? Die Reglungen dazu sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Im Falle von Helmut Grätz gibt es sogar Unterstützung aus der Politik. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Papendieck (SPD), selbst aus Schöneiche, möchte sich dafür einsetzen, dass die Reglungen vereinfacht werden. "Es muss ermöglicht werden, dass man auf dem Dach eine Solaranlage aufbauen kann. Und man muss ja auch immer bedenken, dass man eine Solaranlage nach 20 Jahren ohne Probleme und ohne Sichtbarkeit entfernen kann."

Doch das letzte Wort haben die Denkmalschutzbehörden. Das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege berät diese, wenn es um bauliche Veränderungen an geschützten Gebäuden geht, sagt Landeskonservator Thomas Drachenberg. "Im Landesdenkmalamt haben wir eine Arbeitsgruppe gebildet, um unsere Prüfkriterien zu überprüfen. Wir werden uns in den nächsten Tagen und Wochen zusammensetzen, um zu einer angemessenen Genehmigungspraxis zu kommen."

Altpfarrer Helmut Grätz will jedenfalls weiter um seine Solaranlage kämpfen. Im Oktober soll es eine weitere Begutachtung geben. "Ich denke, Klimaschutz müsste jetzt im Mittelpunkt stehen, denn es nützt ja nichts, wenn wir nicht überleben können, dann nützt mir das Denkmal ja auch nichts."

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.09.2022, 14:10 Uhr

Mit Material von Robert Schwaß

19 Kommentare

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  1. 19.

    Als Kirchenmann ist er verwurzelt und das ist wunderbar. Und zugleich sollte sich das Ganze nicht in rein technischen Gegebenheiten, faktisch im Walten eines Technokratischen erschöpfen. Da hätte dann auch die Kirche als Institution verloren.

  2. 18.

    Es ist ein Trauerspiel der hochgehaltenen deutschen Ingenieurskunst und ein Abgesang des Wirtschaftens, keine Photovoltaikanlagen herstellen zu können und wollen, die mit denkmalgeschützten Gebäuden vereinbar sind. Die Mittelpromenade der Hegelallee weist hellen Asphalt auf, in Frankreich werden Anlagen der Straßenbahnen stets in Bezug zu städtischem Räumen entwickelt, in Poznan wurden bei einer neuen Straßenbahnstrecke südlich des Rynek, des Marktplatzes, historische Straßenbahnmasten hingestellt.

    Ansonsten wurde sich in Babelsberg ein halbes Jahr darum gestritten, welche der drei Eingangsstufen in Richtung S-Bahn-Eingangshalle abgesenkt werden soll, damit Rollstuhlfahrende dort hineingelangen.

    Es gäbe so viel Möglichkeiten und so viel Mittel, um Beides ineins zu bringen. Und es herrscht so viel Formalitätenunwesen, so viel Berauschtheit in Richtung Marktgängigkeit, die das alles konterkariert und nicht fruchtbar werden lässt.

  3. 17.

    Gefällt, wenn es auffällt... Manchmal steckt mehr dahinter .-) (Aufmerksamkeit, aber nicht immer)

  4. 16.

    @Wossi
    Der letzte Satz sollte wohl lauten:
    Das braucht nicht zugekleistert z u werden.

  5. 15.

    Nein lieber Horst....typisch ist ein Gesetzgeber der den Knall nicht gehört hat.
    Hier geht es hauptsächlich um Privateigentum, was machen diejenigen die anderweitig kein Platz haben? Gestern im Fernsehen.....Tausende fertig gestellte Anlagen sind seit Monaten nicht am Netz weil Politiker und Behörden schlafen.
    Niederlande ,kein Papierkram ....10000 kwh eingespeist, 4000 selbst verbraucht,2000 aus dem Netz genommen =4000 kwh Überschuss die zu Marktpreisen vergütet werden.
    So geht EE Ausbau.

  6. 14.

    Das ist mal wieder typisch. Man sollte sich vorher informieren. Nicht dann auf einmal im Nachgang wehklagen, wenn einem die Regelungen nicht schmecken.

  7. 13.

    Dann sollte das Gesetz geändert werden, dann achtet man den Denkmalschutz und kann das Gelände nutzen.

  8. 12.

    Die DSchbeörde sollte bitte weit vorausschauen u. flexibler sein! Das zeifellos vorh. Zeugnis dörfl. Hofgestaltung, evtl.noch mit einer, nun ja: einmaligen(?)Dachkonstruktion soll ja in der Zukunft da auch noch stehen. Im Forum wurde richtig bemerkt, dass das beste, was einem Denkmal passieren kann, dass es genutzt wird. Und hier liegen Ansätze zur Lösung, dann kann man nicht noch auf dem evtl. n greif. § 35 BauGB herumtreten, sondern steht in der Pflicht, beides zum Wohle des Denkmals &der Wirtschaft zu einen. Die Vorschläge, nur einen Teil des Daches zu nutzen, sind voll o.k.! Die Foristen,liebe Denkmalpfl.! haben gelernt, dass die Anlage die Farbe der Dachziegel (möglichst harmonisch)übernehmen sollte & in Ergänzung: Die Fassung soll nicht hell sein. Selbst an einer Stelle des Hofgeländes wäre eine Bodenanlage vorstellbar, was ist gegen eine "grüne Abgrenzung von geringer Höhe" einzuwenden? In Hecken gefasste Bereiche des Hofes gehörten doch zum allg "Bild", das man bewahren will...

  9. 11.

    Auf Privatgrundstücken darf nur die Dachfläche genutzt werden. Außerdem wäre es unsinnig Dachflächen nicht zu nutzen.
    @Wossi , für einen Lacher sind Sie immerhin gut....

  10. 10.

    Typisch Deutschland. Da wird Energie Wende gepriesen und von anderer Stelle ausgebremst. Da hat die Politik wieder gut vorgelegt. Besser wäre auch in der Realität zu fragen wenn man zu lange keinen Kontakt zum Bürger hatte

  11. 9.

    Mitnichten, der „klügste Satz“ stammt von „Wossi“ in #2... :-)

    P.S. Bewertungen werden nicht gezählt... und führen zu Nichts.

  12. 8.

    Warum muss die Anlage aufs Dach, ist nirgendwo sonst auf dem Grundstück Platz?

  13. 7.

    Den klügsten Satz sagte der Pfarrer im Bericht:" Wenn durch Klimawandel das Land unbewohnbar wird, sieht auch keiner mehr ein denkmalgeschütztes Dach."

  14. 6.

    Was konkret stört die Behörde? Die Dachschindeln sind nicht 300 Jahre alt, der Verputz auch nicht! Und was und warum ist es, und für wen ? (kann ich das Gebäude besuchen? Gibt es Schautafeln, Führungen?), SO zu erhalten?

  15. 5.

    Die Positionen des Denkmalschutzes sind oftmals vollkommen übertrieben und verhindern eher den Erhalt historischer Bauwerke, statt ihn zu fördern, weil sich finanziell eher ein Verfallenlassen lohnt, als eine zweckmäßige Nutzung. Solange diese Bauwerke nicht in einem Freilichtmuseum stehen, müssten wesentlich geringere Anforderungen gestellt werden, als dies aktuell der Fall ist. Heute reicht es nicht, dass der Gesamteindruck erhalten bleibt. Nein, es wird bis ins Kleinste hinein festgelegt, dass absolut Nichts verändert werden darf, selbst wenn dies einer Nutzung auf aktuellem Stand zuwiderläuft. Da werden schon mal Holzfenster zum Innenhof verlangt, selbst wenn die energieeffizienteren und vor allem preiswerteren Plastikfenster auf den ersten Blick nicht davon zu unterscheiden sind. Dem Denkmalschutz ist das egal, es zahlen schließlich Andere für die übertriebenen Auflagen.

  16. 4.

    Wer braucht Denkmäler, wenn die Welt immer weniger bewohnbar wird?

  17. 3.

    Denkmalschutz hat sich gefälligst hinter dem Klimaschutz anzustellen. Altes zu bewahren ist wichtig, ja. Aber doch nur für die Zukunft. Und die wird ohne Menschen stattfinden ohne Klimaschutz.

    Es ist Aufgabe der Politiker, das entsprechend zu regeln. Und wenn sie schon dabei sind, auch gleich noch kleine Solaranlagen, genannt Balkonkraftwerke, generell zu erlauben und nicht von der Erlaubnis des Vermieters oder Eigentümergemeinschaft abhängig zu machen. Und wie gesagt natürlich auch nicht vom Denkmalschutz!

  18. 2.

    Es ist möglich, wenn beide wollen statt streiten. Zuerst einen Antrag beim KfW Denkmalschutz stellen. Die Anlage so klein und farblich angepasst planen, dass das Bewahren (!) optisch im Mittelpunkt steht. Dann klappt es auch mit einer Behörde...

    P.S. Das Bild zeigt ein großes Dach. Das brauch nicht "zugekleistert" werden...

  19. 1.

    Das beste was einem Baudenkmal passieren kann. Wenn es unter zeitgemäßen Gesichtspunkten genutzt werden kann.
    Wollen wir mal hoffen das das Landesamt das auch erkennt.
    Ansonsten kommen wir bei der Energiewende an den Orten wo Energie benötigt wird, zu langsam voran.
    Das sind die Schrauben die politisch gelöst werden müssen.
    Es fehlt nicht am Geld oder Willen der Verbraucher, es fehlt an Genehmigungen und Ressourcen in der Umsetzung.

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