Streit um neue Windkraftanlage - Crussow will keine weiteren Windräder
Erst 6, dann 13, jetzt 19 Windräder: Im uckermärkischen Crussow wird gegen eine geplante weitere Windkraftanlage protestiert. Mit wenigen Erfolgsaussichten: Nach Plänen der Landesregierung soll der Windkraftausbau priorisiert werden.
Crussow ist ein 560-Seelen-Ort, ganz im Nordosten von Angermünde. Man sieht hier eine Kita, einen Sportplatz, das Gemeindehaus und die kleine St.-Annen-Kirche mit ihrer grauen Fassade. Doch richtet man den Blick etwas nach oben, sind 13 riesige Windräder kaum zu übersehen: Sie stehen keine 800 Meter von den Häusern entfernt auf einem flachen Hügel.
Ursprünglich ging es am Ortsrand von Crussow mit sechs Windrädern los, dann verdoppelte sich die Anzahl. Und nun sollen nordlich von der alten Anlage sechs weitere Windräder hinzukommen. 250 Meter höhe Stahlriesen, weithin sichtbar. Wenn der Wind richtig steht, ist das Schaufeln der Propeller deutlich bis in den Ort zu hören.
Rainer Ebeling steht auf der Straße und blickt etwas versonnen in die Ferne. Er ist Mitglied der Bürgerinitiative "Crussow lebenswert", die sich gegen den Windkraftausbau einsetzt. Die ersten sechs Windräder seien nicht schön gewesen, aber es habe ansatzweise noch Akzeptanz dafür gegeben, sagt Ebeling. Die Ausbaupläne gehen ihm aber zu weit, er beschreibt den Windkraftausbau im Dorf als "Verspargelung" der Landschaft, die industrialisiert werde. "Das nehmen wir nicht mehr hin", sagt er.
Regionalplanentwurf macht Windkraftausbau möglich
Das bisherige Windfeld in Crussow wird im neuen Regionalplanentwurf für Barnim und die Uckermark [uckermark-barnim.de] nicht mehr als solches aufgeführt. Dennoch dürfen die alten Turbinen stehen bleiben und weiter Strom produzieren. In unmittelbarer Nachbarschaft sollen die neuen Windräder hinzukommen – ohne die ursprünglich vereinbarten Abstandsflächen. Durch die Planfestlegung seien "voraussichtlich keine erheblich negativen Umweltauswirkungen" in Crussow zu erwarten, so der Entwurf.
"Das Problem ist bloß, dass wir hier 345 Anlagen außerhalb dieser neuen Regionalplanung haben. Das heißt 345 Anlagen, die zusätzlich hier noch stehen und auch stehen werden und stehen bleiben", fasst Ebeling die Situation in Brandenburg zusammen.
"Vorranggebiete" für Windkraftanlagen
Viele Chancen hat die Bürgerinitiative wahrscheinlich nicht. Denn der Brandenburger Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) hat einen neuen Plan für den Windkraftausbau. Demnach sollen bald sogenannte Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausgewiesen werden, wie das Brandenburger Innenministerium am Montag mitteilte.
In den Gebieten sollen Windräder vor anderen Nutzungen – wie zum Beispiel neue Straßen – kommen. Gleichzeitig soll es ab Februar 2023 auch keine Ausschlussplanung mehr geben. Viele Gebiete sollen damit für die Windkraft infrage kommen. "Je früher die neuen Regionalpläne fertig sind, desto besser können sie den Ausbau der Windenergienutzung steuern", sagte Beermann.
"Wir werden vor vollendete Tatsachen gesetzt"
Doch der Infrastrukturminister ist nicht allein mit seinen Plänen. Auch die Bundesregierung will die verfügbare Fläche für den Windkraftausbau deutlich erweitern. Im Koalitionsvertrag hat sie zwei Prozent der Landesfläche dafür vorgesehen. Mit dem "Gesetzt zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windkraftanlagen an Land" schuf der Bund im vergangenen Juli die Grundlage dafür.
Gegenwind bekommen in Crussow diese Pläne jedoch nicht nur von der Bürgerinitiative. Auch der Ortsvorsteher Dieter Granz zeigt seinen Unmut über die Ausbaupläne: "Wir werden vor vollendete Tatsachen gesetzt und müssen damit leben. So ist es." Er fürchtet, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippen könnte, wenn die Windräder einfach so gebaut werden: "So, wie die Politik es macht, gefällt es den Bürgern nicht."
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.10.2022, 13:11 Uhr
Mit Material von Mandy Haberland