Frankfurt (Oder) - Denkmalgeschütztes Wohngebäude vor dem Verfall gerettet

Ein fast hundertjähriges, denkmalgeschütztes Gebäudeensemble des Architekten Martin Kießling wird in Frankfurt gerade saniert. Jahrzehntelang galt es als Schandfleck. Vor 20 Jahren gründete sich eine Bürgerinitiative gegen dessen Abriss.
Wenn in Frankfurt vom Kießlinghaus die Rede ist, wissen Einheimische, was gemeint ist: diese schlimme Ruine am Rande des Stadtzentrums, nur ein paar Schritte vom Kleistforum entfernt. Seit Jahrzehnten ist sie unbewohnt.

Juwelen der Stadtarchitektur
"Jeder, der in die Stadt kommt und das Haus sieht, sagt: Das sieht ja schrecklich aus. Und da habe ich gedacht, muss man was machen", sagte vor genau 20 Jahren Romy Schneider. Die junge Frankfurterin gründete damals eine Bürgerinitiative – um das Haus zu erhalten. Denn "Kießling-Haus" – das ist nicht irgendein Name. Er steht für den Architekten Martin Kießling, der in den 1920er Jahren das Stadtbild wie kein anderer prägte.
Das Palais auf dem Anger, die Gartensiedlung Paulinenhof, die reich verzierten Häuser am Grünen Weg, einer Wohnsiedlung im Norden der Stadt - seine Wohnbauten für die "Reichsbahndirektion Osten" glänzen heute als Juwelen der Stadtarchitektur. Unter dem Namen "DenkMal Kießlinghaus" gründete sich damals aus der Bürgerinitiative heraus ein Verein, der sich nicht nur für das verfallene Haus, sondern auch für das Werk Kießlings insgesamt begeisterte.

Dem Abrissbagger in den Weg gestellt
Das ruinöse Kießling-Haus am Eingang zum Zentrum war das hässliche Entlein in dieser Sammlung. Stuck, Türmchen, Dachgauben – das alles war nur noch zu erahnen. 2003, kurz vor Frankfurts 750-Jahrfeier, rückte ein Abrissbagger an. Romy Schneider und ihre Freundin Annekathrin Tschäpe stellten sich in den Weg, mit einem Transparent, dass sie in der Nacht zuvor gemalt hatten. "DenkMal Kießlinghaus – wahrt das architektonische Erbe!", so die Aufschrift.
Eine Weile konnten die Frauen den Bagger aufhalten. "Wir hatten die Hoffnung, dass es noch einen Aufschub gibt", erinnert sich Annekathrin Tschäpe. Dann aber überredete sie der damalige Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) zur Aufgabe. Der Nordflügel wurde daraufhin abgerissen, er sei nicht mehr zu retten gewesen.
Haus sollte von Denkmalliste gestrichen werden
Die Stadtverwaltung bemühte sich lange vergeblich um eine Verständigung mit der Eigentümerin, einer Gesellschaft aus Hessen, die aber bald pleite war. Gleichzeitig gab es jedoch auch starken Gegenwind aus der Stadtverordnetenversammlung, mit der Forderung, den vermeintlichen Schandfleck von der Denkmalliste zu streichen. Dagegen wehrten sich der Verein und die Bürgerinitiative "Stadtumbau", die auch im Stadtparlament ihre Vertreterinnen hatten. Die Stadtverordnete Sahra Damus, heute Landtagsabgeordnete für die Grünen, sagt jetzt dazu: "Wir haben dann immer gesagt: Nein, das ist ein tolles Denkmal und immer gegengehalten gegen die Schandfleck-Reden."
Eine Baufirma aus Genthin hat das Haus nun übernommen, baut alles denkmalgerecht wieder auf, auch den abgerissenen Nordflügel. Die Gesellschaft, die zuvor schon mehrere Frankfurter Kießling-Bauten saniert hatte, will 24 Miet- und sechs Eigentumswohnungen bauen.
Sanierung soll 2023 fertig sein
Bauherr und Investor Thomas Erbs ist der Bürgerinitiative dankbar, dass sie damals diesen Druck machte: "Gut, dass es solche Leute gibt. Das ist Geschichte, das ist Kultur." 2023 soll alles fertig sein. Noch ein, zwei Jahre weitere Verzögerung, meint der Baufachmann, und von dem Haus wäre nichts mehr zu retten gewesen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.05.2022, 14:12 Uhr