Umarmung auf Frankfurter Stadtbrücke - "Diese Gesten sind authentisch"

Di 16.06.20 | 16:01 Uhr | Von Marie Stumpf
Rene Wilke (l, Die Linke), Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt (Oder), umarmt Mariusz Olejniczak, Bürgermeister von Slubice, auf der Stadtbrücke zwischen dem polnischen Slubice und Frankfurt (Oder)
Audio: Antenne Brandenburg | 16.06.2020 | Autorin: Marie Stumpf | Bild: picture alliance/Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Zwei Bürgermeister liegen sich in den Armen - ein Bild, das in Corona-Zeiten nicht nur Freude hervorruft. Der Frankfurter Oberbürgermeister, der seinen Amtskollegen aus Słubice bei der Grenzöffnung umarmte, bekommt aber viel Unterstützung für die Geste. Von Marie Stumpf  

Eine Umarmung auf der Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice schlägt derzeit Wellen. Denn nachdem die polnische Regierung die Grenzkontrollen aufgehoben hatte, waren sich die Bürgermeister der Doppelstadt trotz Kontaktverbot spontan in die Arme gefallen. Der Frankfurter Oberbürgermeister René Wilke (Linke) hatte sich daraufhin am Montag selbst angezeigt, denn Umarmungen sind wegen der Abstandsregeln derzeit außerhalb eines Hausstandes nicht erlaubt.  

Leben mit dem Rücken zueinander

Ob es der deutsche oder der polnische Teil der Brücke war, auf dem dies geschah, ist tatsächlich entscheidend. Denn daran müsste sich die Höhe der Strafe bemessen, die Oberbürgermeister Wilke erwarten könnte. Doch wo Polen anfängt und Deutschland aufhört, ist auf der Brücke de facto nicht zu erkennen. Und das sei auch gut so, sagte Krzysztof Wojciechowski, Verwaltungsdirektor des Collegium Polonicum in Słubice, am Dienstag im rbb-Inforadio.

Auch er feierte am vergangenen Wochenende die Grenzöffnung. Und er kennt noch die Zeit, als Polen und Deutschland sich misstrauisch gegenüberstanden und sich auch nicht füreinander interessierten. "Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, als vielleicht fünf Menschen in Słubice Deutsch sprachen. Das war eine ganz andere Grundstimmung als heute: Distanz, Reserviertheit, ein Leben mit dem Rücken zueinander und voller gegenseitiger Vorurteile."

"Kein Verbrechen begangen"

Für ihn sei die Umarmung ein schönes Zeichen gewesen, sagt Wojciechowski. Dafür, dass die Grenzregion nun zusammengewachsen sei. "Diese Gesten sind authentisch und sie resultieren aus der dreißigjährigen Entwicklung an dieser Grenze." 

Als solch ein Zeichen sieht es wohl auch der Bürgermeister von Słubice, Mariusz Olejniczak. "Wir haben da kein Verbrechen begangen. Unsere Zusammenarbeit funktioniert einfach sehr gut, das kam spontan", war seine Reaktion gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in Warschau.

Offene deutsch-polnische Grenze

In Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern aus Frankfurt und Słubice schien die Frage nach einem Verstoß gegen das Kontaktverbot eher zweitrangig. Viele zeigten sich froh, dass das Leben wieder mit offener deutsch-polnischer Grenze weitergeht. Die Umarmung sei "vollkommen richtig" und habe ihr "gut gefallen, weil es herzlich war", sagte etwa eine Passantin auf der Brücke. Auch andere bestätigen, dass diese ihrem Gefühl entsprach, sie sehen die Umarmung als eine menschliche, spontane Geste.

Vereinzelt gab es auch deutliche Kritik. "Wie können die so etwas machen, wenn das ganze Land strenge Regeln hat, und die haben angefangen sich zu umarmen", sagte ein Passant in Polen. "Für mich es ist Quatsch. Die haben durch ihr Verhalten gezeigt, dass sie sich nicht um die Regeln kümmern."

Oberbürgermeister Wilke sagte, er wolle an seiner Selbstanzeige festhalten, aber er verteidigte die Umarmung. "Ich bereue es nicht, was da passiert ist, der Moment hatte einen großen Wert für unsere beiden Städte." Er habe selbst Nachrichten von Menschen bekommen, die bei dem Anblick in Tränen ausgebrochen seien und die Bedeutung ebenso gespürt hätten, sagte er.

Unterstützung auch von der Viadrina

Ähnlich sieht das nach eigener Aussage die Präsidentin der Viadrina Universität in Frankfurt, Julia von Blumenthal, die auch bei der Grenzöffnung dabei war. "Dass das als Bild der Art, wie die Corona-Pandemie bekämpft wird, nun um die Welt geht - dass ein deutscher und ein polnischer Bürgermeister sich umarmen, wenn die Grenze wieder geöffnet wird: Ich finde das eigentlich ein sehr schönes Bild", sagte sie. Für sie habe sich das Thema mit der Selbstanzeige erledigt.  

Was bei der Selbstanzeige von Oberbürgermeister René Wilke nun herauskommt, soll noch in dieser Woche bekannt gegeben werden. Zwischen 50 und 250 Euro könnten für die Nichteinhaltung des Mindestabstands laut den aktuellen Bestimmungen fällig werden. Wie hoch das Bußgeld letztendlich ist und ob es überhaupt verhängt wird, das entscheiden nach jetzigem Stand übrigens die Kommunalbehörden vor Ort, sprich Wilkes eigenes Gesundheits- und Ordnungsamt. 

Beitrag von Marie Stumpf

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