Corona zerstört Existenzgrundlage - Ostbrandenburger Reisebüros kämpfen ums Überleben

Mi 27.01.21 | 13:48 Uhr
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Sophia Siewert Resiebuero strausberg
Audio: Antenne Brandenburg | 27.01.2021 | Georg-Stefan Russew | Bild: Georg-Stefan Russew/rbb

Die Pandemie hat Reisebüros fast komplett ihrer Existstenzgrundlage beraubt. Es wird befürchtet, dass der Hälfte der noch existierenden Reisebüros wirtschaftlich die Luft ausgeht. Seit einem Jahr haben viele keinen Cent mehr verdient. Von Georg-Stefan Russew

Für viele heimische Reisebüros wird es 2021 eng: Es drohen reihenweise Insolvenzen, denn viele haben seit März 2020 aufgrund der Reisebeschränkungen der Corona-Pandemie kaum einen Cent verdient. Auch Kurzarbeit, Gutscheine für stornierte Pauschalreisen sowie Hilfen des Staates konnten noch nicht mal ansatzweise die finanziellen Ausfälle ausgleichen. Obwohl Corona-Impfungen global angelaufen sind, fürchtet der Deutsche Reiseverband (DRV), dass es 2021 zu keiner Trendwende mit sehr viel mehr Buchungen von Pauschalreisen kommt.

Martina Bleske Reisebuero bernau
Martina Bleske würde gerne wieder öffnen. | Bild: Georg-Stefan Russew/rbb

Rigoroses Sparen

Die Bernauer Unternehmerin Martina Bleske versucht, durch rigoroses Sparen durch die Krise zu kommen und ihr Reisebüro in der Bernauer Innenstadt zu retten. "Nach 28 Jahren einfach aufgeben, ist keine Option", sagt sie. Dafür hat sie selbst auf jeden Luxus verzichtet. Kurzarbeit und die Überbrückungshilfen hätten ihr eine gewisse Sicherheit vermittelt, dass sie die Ladenmiete von 1.000 Euro pro Monat und die Nebenkosten weiter stemmen könne. Zur Wahrheit gehöre aber auch, so die 52-Jährige, dass sie ohne ihren Mann und sein Gehalt es nicht schaffen würde. "Es ist sehr schwer. Aber ich will meinen Traum vom eigenen Geschäft nicht aufgeben", sagt sie.

Bleske kann nicht verstehen, dass die Brandenburger Landesregierung engagierte Unternehmer nicht mehr unterstütze. "Uns würde vielleicht auch schon helfen, wenn man die Krankenkassen und die Sozialabgaben übernehmen, den Unternehmern zum Überleben würde und ein kleines Taschengeld zahlen würde." Im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern, hier zahle der Staat Kurzarbeitergeld, gebe es für die Reisebürbetreiber privat nichts.

Arbeitsplatzverlust kaum noch aufzuhalten

Das kritisiert auch Thomas Dippe. Der tourismuspolitische Sprecher des Unternehmerverbands ist schon während des ersten Lockdowns bei der Landesregierung auf Granit gestoßen. Während andere Bundesländer so etwas wie ein fiktives Unternehmergehalt zahlten, lehnte Brandenburg persönliche Hilfen für Reisebürobetreiber kategorisch ab.

Im Moment kämpften ganz viele Inhaber, dass sie "nicht mehr das Versprechen halten können, dass sie die Mitarbeiterplätze halten können, dass Leute entlassen werden", klagt Dippe. Viele versuchten, sich von ihren großen Gewerberäumlichkeiten zu trennen, um entweder in sehr viel kleinere Büros zu gehen beziehungsweise sich ins Home-Office zurückzuziehen.

Schwere private Entscheidungen abverlangt

Dippe selbst musste im Oktober 2020 aufgeben, schloss sein Potsdamer Reisebüro. Um alle aufgelaufenen Kosten begleichen zu können, verkaufte er sein Eigenheim, löste seine Altersrücklage auf. Jetzt ist er zwar schuldenfrei, muss aber nach einer neuen Perspektive für sich suchen.

Soweit ist es bei der Strausbergerin Sophia Siewert nicht gekommen. Sie hat vor 13 Jahren zusammen mit ihrer Schwester das Reisebüro ihres Vaters übernommen. Um jetzt die Insolvenz abzuwenden, kündigte sie ihre Geschäftsräume in der Strausberger Innenstadt. "Somit kann ich monatlich 1.600 Euro sparen", sagt sie.

Ohne Nebenjob geht es nicht

Siewert funktionierte ein ihr Wohnzimmer zum Home-Office um und versucht, von hier aus ihr Geschäft weiter zu führen."Wir sind jetzt mobil unterwegs. Hoffen, dass unsere Kunden das auch so annehmen werden", sagt sie. Auch sie klagt, dass die staatlichen Hilfen nicht ausreichten. "Um auch privat über die Runden zu kommen, haben meine Schwester und ich uns einen Nebenjob suchen müssen."

Sophia Siewert setzt auf die Corona-Impfungen, sagt, dass die Hoffnung zuletzt stirbt. Aber vor 2022 rechnet sie nicht damit, dass sich der Reisemarkt wieder normalisiert. Sie will unbedingt durchhalten, weiß aber nicht, ob es klappt.

Sendung: Antenne Brandenburg, 27.01.2021, 14:10 Uhr


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4 Kommentare

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  1. 4.

    Die vielen Selbstständigen, die zwar kein Berufsverbot haben aber auf grund von nicht vorhandenen Aufträgen quasi arbeitslos sind werden wohl noch eine Weile durchhalten müssen. Falls sie das schaffen freut sich der Staat wieder auf deren Steuergeldern.

  2. 3.

    Die Reisebranche ist leider von der Politik komplett geopfert worden. Wie soll das nach Corona da nur weitergehen. Sollen oder dürfen deutsche nicht mehr reisen dürfen? Von der Politik gibt es für die Reisebranche auch keine Antworten oder Perspektiven.

  3. 2.

    Es gibt ja auch keine normalen Todesfälle mehr. Es heißt immer mit oder an Corona gestorben und alle Selbstständigen tun mir Leid. Einige werden es schaffen aber nicht alle. Herrlichen Dank liebe Politik.

  4. 1.

    Ja hier kämpfen viele um ihr Überleben in sämtlichen Bereichen ob es Familien sind usw.und es zeichnet sich ab das der Spuk noch ewig weiter geht und da stellt sich mir langsam
    die Frage gibt es eigentlich auch noch normale Grippe kranke oder wird das zu corona gezählt?

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