Polen ist seit Sonntag Hochinzidenzgebiet - Viele polnische Berufspendler verzweifelt wegen Testpflicht

So 21.03.21 | 19:31 Uhr
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Polizeikontrolle auf der Bundesstraße B1 kurz vor der polnischen Grenze bei Kostrzyn am 21.03.2021. (Quelle: rbb/Georg-Stefan Russew)
Video: rbb|24 | 21.03.2021 | Material: Brandenburg aktuell | Bild: rbb/Georg-Stefan Russew

Polen ist seit Sonntag Hochinzidenzgebiet. Die Einreise ist seit Mitternacht nur noch mit einem negativen Corona-Test erlaubt. Tausende polnische Berufspendler sind verzweifelt, denn sie wissen nicht, ob sie über die Oder zur Arbeit kommen. Von Georg-Stefan Russew

Nachdem der Bund Polen wegen hoher Corona-Infektionszahlen zum Hochinzidenzgebiet erklärt hat, ist die Einreise seit Sonntag nur noch mit einem negativen Corona-Test erlaubt. Betroffen sind tausende polnische Berufspendler. Viele von ihnen sind verunsichert, auch weil sie vor dem Start der neuen Arbeitswoche zuhause in Polen nur wenige Informationen über die neuen Regeln bekommen haben.

Bundespolizei am Grenzübergang Kostrzyn klärt auf
Viele polnische Berufspendler kommen über die Grenze, um nach den Einreiseregeln zu fragen. | Bild: rbb/Georg-Stefan Russew

Kaum Infos in Polen über neue Einreiseregeln vorhanden

Die Verunsicherung ist am Sonntag beispielsweise am Grenzübergang Kostrzyn direkt spürbar. Unzählige polnischer Berufspendler belagern förmlich eine Streife der Bundespolizei und versuchen, von den deutschen Beamten Infos zu bekommen: Was ist ab Montag Vorschrift? Welche Papiere werden benötigt? Wo kann man sich testen lassen? Gelassen erklären die Beamten den Pendlern, dass sie pro Woche zwei negative Corona-Tests benötigten, sowie eine Bescheinigung des Arbeitgebers, dass sie in Deutschland beschäftigt sind.

Lange Schlangen in Slubice vor Testcenter
Mehr als vier Stunden mussten Slubicer Pendler warten auf einen Coronatest. | Bild: rbb/Georg-Stefan Russew

"In Polen kann mir von behördlicher Seite niemand etwas Konkretes sagen", klagt Mateusz Sabat. Er lebt in Kostrzyn, betreibt aber in Berlin eine kleine Spedition. Selbst konnte er am Samstag in Gorzow einen negativen Test machen. Aber die 48 Stunden, die ein Test gilt, wären am Montag abgelaufen. "Was soll ich machen?", fragt er einen Polizeihauptmeister. "Könnte ich selbst einen Schnelltest vorweisen?" Der Beamte erklärt, dass das nicht ausreiche. Es müsse ein Schriftstück vorgewiesen werden und kein Teststreifen.

Stundenlang anstehen in Slubice

Olga Johanska, die ebenfalls in Berlin arbeitet und täglich mit dem Auto in die Bundeshauptstadt fährt, hat Angst: "Was wird da bloß alles auf uns zu kommen?" Zwei negative Corona-Tests pro Woche kosten in Polen aktuell 50 Euro und die sind notwendig, um als Berufspendler täglich über die Oder zu kommen. Das könne sie sich auf Dauer nicht leisten. Auch andere bestätigten, dass sie, wenn sie keine Hilfe bekämen, sich einen neuen Job in Polen suchen müssten. "Das ist wirklich beängstigend", ergänzt Johanska. Allein die Corona-Lage in ihrem Land sei schon beklemmend.

Unterdessen bildeten sich in Slubice am Sonntag vor einem Testzentrum lange Schlangen. Vier Stunden und länger nahmen die Berufspendler in Kauf. Wenn dies alle zwei Tage so lange dauere, müssten viele ihre Jobs in Deutschland aufgeben, erklärten einige. "Es ist traurig, schlimm", sagt Natalia Binaczewicz. Sie lebt in Slubice und arbeitet in Frankfurt. "Wie soll das gehen", fragt sie. Corona sei tückisch, aber die Menschen müssten doch arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Joanna Josefiak - betreiberin der Testcenter
Joanna Jozefiak. | Bild: rbb/ Georg-Stefan Russew

Montag öffnen zusätzliche Testzentren an der deutsch-polnischen Grenze

Joanna Jozefiak, die im Auftrag Brandenburgs drei Testcenter auf deutscher Seite errichtet hat und auch in Slubice ein weiteres betreibt, kann die Frustration ihrer Landsleute verstehen. "Sobald man in so eine Krisensituation kommt, kommen auch Ängste und Unsicherheiten auf", sagt sie.

Sie versichert aber, dass das Slubicer Testzentrum 24 Stunden geöffnet ist. Zudem eröffnen am Montagmorgen um sieben Uhr die Center auf der Frankfurter Stadtbrücke und an der A12 an der Ausfahrt Frankfurt-West. Bereits im 5.30 Uhr startet das Testcenter in einem Gubener Industriegebiet. Das bringe Entlastung, so Josefiak. Es werde sich alles einpegeln, versicherte sie noch einmal. "Wir werden die Krisensituation bewältigen." Jozefiak und ihre Mitarbeiter wollen alles tun, damit die Wartezeiten sich schnell reduzieren.

Tests auch in deutschen Betrieben ausreichend

Das Brandenburger Innenministerium erklärte im Zusammenhang mit der Kostenfrage, dass auch polnische Berufspendle in Deutschland Anspruch auf mindestens einen kostenlosen Corona-Test hätten. Voraussetzung sei, dass sie hier sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, so ein Ministeriumssprecher.

Nach Angaben der Staatskanzlei müssen die Tests nicht in Polen oder direkt an der Grenze vorgenommen werden. Dies kann auch in den Betrieben erfolgen. Diese Regeln gelten auch für Schüler und Studenten sowie für Besuche von Angehörigen. Für alle übrigen Einreisen gilt neben dem vorgeschriebenen negativen Schnelltest auch eine Quarantänepflicht. Stationäre Kontrollen an der Grenze seien nicht vorgesehen, so das Innenministerium. Allerdings seien Stichproben hinter der Grenze möglich.

Sendung: Antenne Brandenburg, 21.03.2021, 17:00 Uhr

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20 Kommentare

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  1. 20.

    Da haben Sie natürlich vollkommen Recht!

    Wie kann man, wenn man an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) studiert, nur auf die Idee kommen, in Slubice (die Stadt heißt nicht so, aber der rbb hat offenbar auch 29 Jahre nach der Erfindung von UTF-8 noch nichts davon gehört und ist unfähig, seine Software entsprechend zu konfigurieren, so dass man den Namen hier nicht korrekt schreiben kann) zu wohnen?

    Ist ja nicht so, dass das dort befindliche Collegium Polonicum ein Projekt der Uni Viadrina und der Uniwersytet im. Adama Mickiewicza w Poznaniu wäre, in der auch Vorlesungen der Viadrina stattfinden. Oh, doch, ist genau so, na sowas.

    Na gut, dann ist es ja nicht so, dass die Studenten
    beiderseits der Grenze (der Slogan der Doppelstadt "bez granic" wird ja seit einem Jahr ad absurdum geführt) die Studentenheime nutzen würden, wobei in Slubice viel frei sein soll, weil dort aktuell nur Doktoranten-Studenten zugelassen werden. Oh, Moment. Ist ja doch genau so.

  2. 19.

    Groschensechzig ist in Polen viel wert. Über 30 Jahre können sie sich Taxis, Häuser, gar Ferienhäuser in Polen bauen, damit deutsche Touristen diese buchen und zudem noch Gelder fließen. Glauben Sie nicht an "Groschensechzig". Alle finanzieren sich über Groschensechzig: RO, BG, PL, CZ, H, HR, TR und sichern sich ihre Altersvorsorge im Land. Wer den Pfennig nicht ehrt - ist den Taler nicht wert. Wir ehren den Pfenning schon lange nicht mehr, schuld ist unsere Preistreiberei und Bürokratie.

  3. 18.

    Die Entlohnung ist zu niedrig, das ist bekannt. Die Beschäftigten müssten um kräftige Lohnerhöhung kämpfen, dann würde es was weden, aber da gibt es eine Hemmschwelle, weil sofort das Geschrei los geht.

  4. 17.

    In Deutschland gibt es freie Berufswahl, und das ist wunderbar. Wer über längere Zeit Hartz IV bezieht, der müsste auch einen Beruf ergreifen, der nicht so gut bezahlt ist. Wer auf Kosten der Allgemeinheit lebt, der sollte schon mehr in die Pflicht genommen weden.
    Sie wollen doch nicht behaupten, dass diejenigen die in Pflegeberufen arbeiten Idealisten und Deppen sind.

  5. 16.

    Kann man doch niemanden verdenken, wenn man für so eine Tätigkeit nur 'n Groschensechzig verdient.

  6. 15.

    Die Landesregierung hat doch gestern eine ganz einfache Lösung präsentiert: Es wird an der Grenze nicht kontrolliert und damit gibt es auch keinen Stau.

    Trotzdem stehen seit heute Morgen rund um die Frankfurter Stadtbrücke auf Gehwegen und Grünflächen wildgeparkte PKW und eine 4-reihige ca. 200 Meter lange Menschenschlange zieht sich vom Testcenter am Brückenkopf bis zur Musikschule.

    Währenddessen kontrolliert niemand die Einreisenden.

  7. 14.

    Andersrum: kaum einer ist bereit, das in diesen Berufen zu leistende angemessenen zu entlohnen!

  8. 13.

    Hat Sie jemand gezwungen in Slubice zu wohnen? Was genau hat Frau Merkel, Herr Woidke oder die Krankenkasse zu tun mit Ihrer Entscheidung nach Polen zu ziehen .

  9. 12.

    Genua so sehe ich das auch, nämlich als Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeiter*innen.

  10. 11.

    Dann werden sie vermutlich alle sterben, nein einfach mal ein bisschen weniger Panik und Angst würde ihnen und der ganzen Bevölkerung gut zu Gesicht stehen.

  11. 10.

    In einer globalen Welt ist auch ein Virus ein globales Problem. Wo wäre das großartige Deutschland ohne die ausländischen Arbeitskräfte? Man kann es drehen, wie man will, die Verantwortung liegt in erster Linie in Brüssel. Hier wurde die Impfstoffbeschaffung "verschlampt". Mit entsprechenden Bemühungen und ohne USA- Hörigkeit wäre sicherlich auch schon
    Sputnik V verfügbar. Europa sieht halt in einer Katastrophe nicht gut aus.

  12. 9.

    Moin,

    Bin im Oktober von NRW nach Slubice gezogen um in Frankfurt an der Viadrina zu studieren. Die jetzige Situation und Informationslage ist einfach nur mangelhaft, mir ist nicht bekannt wie ich ab morgen die Grenze passieren kann ob ich diese Digitale Meldung brauche, was diese besagten zwei Tests pro Woche kosten sollen... Sind alles Kosten die nicht vom Bafög abgedeckt werden.

    Im Zweifel werde ich meiner Krankenkasse die Pistole auf die Brust legen und im Notfall meine kommenden monatlichen Beiträge zurück buchen lassen, um sie dann hinter her in Raten abzustottern. Merkel und Woidke danke für nichts !

  13. 8.

    Ja. 50€ pro Woche für 2 Tests. Wenn ich als Arbeitgeber in Bburg meine Fachkräfte brauche, muß ich das zahlen und auf die Kunden umlegen. Wo ist das Problem? Wenn ich als Kunde eine Leistung möchte, die nur durch Mehrkosten erlangbar ist..

  14. 7.

    Die im Bericht genannten Kosten von 50 EUR für zwei Coronatests erscheinen mir erheblich zu niedrig. In Polen kostet ein PCR-Test, inkl. ärztlichem Attest in deutscher oder englischer Sprache, zwischen 400 und 600 Zloty - das sind umgerechnet 86 bis 129 EUR. Für einen Test, wohlgemerkt.

  15. 6.

    Meine Kollegin lebt und arbeitet in Berlin, fährt aber ständig nach Polen zu Familie und Freunde. Ich kann sie verstehen, aber ich sehe es trotzdem mit gemischten Gefühlen. Wir dürfen nirgendwo hin und sie fährt ständig rüber und macht Party mit Freunden und Familie. Was ist, wenn sie uns auf Arbeit dann mit den Virus infiziert?

  16. 5.

    In Berlin gibt es so viele Arbeitslose, wie nirgenswo in Deutschland, aber kaum einer ist wohl bereit, einen Beruf in diesem Bereich zu erlernen.

  17. 4.

    Keine Panik, die Regierung knickt eh in ein paar Tagen ein. Diesen Testmarathon hält man an der Grenze eh nicht durch. Also wird kurzerhand wieder alles für die Einreisen nach D gelockert.

  18. 3.

    Und unsere Krankenhäuser im Grenzgebiet gleich mit? Der Betrieb könnte ohne die polnischen Kräfte doch gar nicht laufen!

  19. 2.

    Ich bin immer noch der Meinung Deutschland hätte schon seit dem Herbst jede Grenze dicht machen sollen. Gesundheit, vor allem im eigenen Land, geht vor.

  20. 1.

    Was soll das ganze??? Das treibt tausende in die Arbeitslosigkeit!!

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