Gedenkstätte in Frankfurt (Oder) - Erinnern an Unrecht, Gewalt und verletzte Würde

Fr 11.10.19 | 17:13 Uhr | Von Uta Schleiermacher
  1
Gang mit fünf dickwandigen Zellentüren in der Gedenk- und Dokumentationsstätte Opfer politischer Gewaltherrschaft in Frankfurt Oder
Audio: Antenne Brandenburg | 10.10.2019 | Autorin: Uta Schleiermacher | Bild: rbb

Welches Unrecht politischen Gefangenen in der DDR angetan wurde, daran erinnert seit 25 Jahren die Gedenk- und Dokumentationsstätte "Opfer politischer Gewaltherrschaft" in Frankfurt (Oder). Sie trägt auch zum Verständnis von Fluchtgründen heute bei. Von Uta Schleiermacher

Es brauchte nicht viel, um politischer Gefangener in der DDR zu werden. Auch Jugendliche und sogar Kinder konnte es treffen, sagt Konrad Tschäpe. Der Historiker und Kulturwissenschaftler leitet die Gedenk- und Dokumentationsstätte "Opfer politischer Gewaltherrschaft" in Frankfurt (Oder). "Ins Gefängnis kamen sie auch aus völlig nichtigen Gründen, einfach weil sie was gegen die DDR gesagt haben, oder weil sie mit der Polizei diskutierten, warum sie ihren Platz verlassen müssen."  

Vergitterte Zelle in der Gedenk- und Dokumentationsstätte Opfer politischer Gewaltherrschaft in Frankfurt Oder
Vergitterte Zelle in der Gedenk- und Dokumentationsstätte Opfer politischer Gewaltherrschaft in Frankfurt (Oder) | Bild: rbb

Ehemalige Häftlinge

Nicht selten kommen ehemalige Häftlinge zu Konrad Tschäpe in die Gedenkstätte. Gestandene Männer, die dann in Tränen aufgelöst vor ihm stehen. "Manchmal kommen Menschen zu uns, die am ganzen Leibe zittern und man merkt, was diesen Menschen angetan worden ist", sagt Tschäpe. "Selbst, wenn sie wenige Wochen in so einem Gefängnis gesessen haben, müssen sie sich bis zu ihrem Lebensende irgendwie damit auseinandersetzen. Das fällt nicht allen leicht."  

Gedenkstätte am Täterort

Die Gedenkstätte ist in fünf vergitterten Zellen im ehemaligen Gefängnis der Stasi untergebracht. Dort wurden auch über 100 Todesurteile vollstreckt. Dass es diesen historischen Ort so noch gibt, ist auch dem Schauspieler Jochen Stern zu verdanken.

Der gebürtige Frankfurter kam als Jugendlicher für mehrere Jahre in politische Gefangenschaft und setzte sich nach dem Ende der DDR dafür ein, einen Teil des Gefängnisses als Gedenkstätte zu erhalten. Auch gegen Widerstände, vor allem von der SED-Nachfolgepartei PDS. Das Unangenehme der DDR-Zeit und der Zeit der Sowjetischen Besatzungszone habe man kleinhalten oder beschönigen wollen. 

Auch Opfer der Nazizeit

In der Gedenkstätte wird nicht nur an politische Gefangene der DDR erinnert, sondern auch an die Schicksale der Gefangenen in der Nazi-Zeit und während der sowjetischen Besatzung. Der Ort ist offen für Schulklassenbesuche und individuelle Führungen. Neben der Dauerausstellung finden wechselnde Fotoausstellungen statt.  

Flucht damals und heute

Die meisten politischen Gefangenen in der DDR saßen im Gefängnis, weil sie versucht hatten, das Land zu verlassen. Die Frage, warum sie damals fliehen wollten, hilft auch, Flucht und Migration heute zu verstehen, findet Gedenkstättenleiter Konrad Tschäpe: "Sie sagen eben nicht, wir suchen die Bananen. Sondern sie sagen, wir wollen Freiheit, wir wollen Mündigkeit. Und das ist der Grund, ein Land zu verlassen." Ein Verständnis dafür fehlt Tschäpe zufolge in vielen aktuellen Diskussionen über Flüchtlinge: "Das heißt, Menschen versuchen auch ihre Länder zu verlassen, weil ihre Würde verletzt wird. Und hier, an diesem Ort, kann man das wunderbar begreifen. Wenn man möchte." 

Beitrag von Uta Schleiermacher

1 Kommentar

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 1.

    Ich war der erste West-Berliner Jugendliche der in der "DDR" inhaftiert wurde. Mein Vater beging mit PKW Fluchthilfe. Ich war bei der letzten Fahrt, auf der wir festgenommen wurden, dabei. Das reichte aus um mich zu drei Jahren Zuchthaus zu verurteilen. Mein Vater bekam 11 Jahre Haft, ist dann an angeblichen Herzinfarkt in Berlin-Rummelsburg nach drei Jahren verstorben. Bin jetz immer zum "Tag des offenen Denkmals" in Rummelsburg als Zeitzeuge zu Führungen dabei. Einen Teil meiner Geschichte habe ich bei "FB" veröffentlicht. : https://www.facebook.com/notes/zuchthaus-berlin-rummelsburg-gedenken-an-die-opfer-der-ddr-gewalt-/gegen-das-vergessen-der-ddr-gewaltherrschaft-und-dessen-opfer/603163253087743/

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren