Schläge gegen Asylbewerber - Video löst Debatte um angebliche Polizeigewalt aus

Do 07.11.19 | 19:57 Uhr | Von Phil Beng
Auschnitt aus dem Video (Quelle: twitter.com/asiramsa)
Video: Brandenburg aktuell | 07.11.2019 | Phil Beng | Bild: twitter.com/asiramsa

Polizisten, die auf einen Asylbewerber einschlagen: Im Internet kursiert derzeit ein Videoclip eines Einsatzes in Märkisch-Oderland. Der 28-Jährige wird dort von Polizisten traktiert. Die Polizei rechtfertigt ihr Vorgehen mit der Vorgeschichte. Von Phil Beng

In der Sozialbehörde von Märkisch-Oderland ist es am Montag zu einem Polizeieinsatz gekommen, der jetzt für Aufregung sorgt: Denn bei dem Einsatz in der Waldsiedlung im Vierlindener Ortsteil Diedersdorf (Märkisch-Oderland) wurden Videoaufnahmen gemacht, die nun im Internet kursieren.

Die Aufnahmen zeigen, wie die Polizei in einer Außenstelle des Sozialamtes einen Asylsuchenden mit Schlägen traktiert, während der Mann heftigen Widerstand leistet. 

Eine Pressemitteilung der Polizeidirektion Ost [polizei.brandenburg.de] zu dem Vorfall, die bereits am Dienstag veröffentlicht wurde, blieb medial weitgehend unbeachtet. Doch durch die Videobilder sorgt der Fall nun für breites Interesse, auch eine erste Strafanzeige gegen Polizeibeamte wurde gestellt.

"Video ist Ausschnitt des Geschehens"

"Das Video ist ein Ausschnitt des Geschehens", sagt Torsten Herbst, der Sprecher des Landespolizeipräsidiums in Potsdam, das nun anstelle der Polizeidirektion Ost zu dem Vorgang öffentlich Stellung nimmt. Es gebe zu dem Video eine Vor- und eine Nachgeschichte, die jeweils in dem Video nicht zu sehen sei, so Herbst.  

Danach soll sich der Asylbewerber aus Kamerun zunächst bei einer Mitarbeiterin des Sozialamtes über die Kürzung seiner Unterstützung beschwert haben. Daraufhin habe sie ihn des Raumes verwiesen - ohne Erfolg. Auch der Anweisung des Sicherheitsdienstes, das Haus zu verlassen, habe der Mann nicht Folge geleistet, sondern sich mit Händen und Füßen gewehrt. Daraufhin habe der Sicherheitsdienst die Polizei hinzugerufen.

28-Jähriger sollte weniger Geld bekommen

Der stellvertretende Landrat von Märkisch-Oderland, Friedemann Hanke, sagte, der Mann sollte "Leistungen in geringerer Höhe ausgezahlt bekommen", weil er zur Mitwirkung aufgefordert war. Zu einem festen Termin habe er nicht erscheinen können mit der Begründung, er hätte einen Anwaltstermin in Berlin gehabt. Der Aufforderung, darüber einen Nachweis vorzulegen, sei er nicht nachgekommen, weshalb er vorerst nur ein Drittel der ihm zustehenden Summe hätte bekommen sollen.

"Das hat ihn erbost und er war danach nicht bereit unser Haus zu verlassen", so der CDU-Politiker, der auch Sozialdezernent des Kreises ist. Hanke erklärte, der Mann sei nicht Willens gewesen, den reduzierten Betrag mitzunehmen und sei letztlich ohne Geld gegangen. Grundsätzlich stünden ihm seine Zahlungen aber zu und sollte er den geforderten Nachweis bringen, bekäme er die Restsumme ausgezahlt. 

Monatlich erhalte er 310 Euro. Dies sei laut Hanke "kein niedriger Satz", sondern eine Leistung, die sich an den Hartz-IV-Sätzen orientiere. Hanke zufolge ist der 28-Jährige ausreisepflichtig. Der Aufforderung, Deutschland zu verlassen, sei er noch nicht nachgekommen. Weil die notwendigen Reisedokumente fehlen, sei er derzeit geduldet. Seit dem Vorfall von Montag soll er nicht mehr in seine Unterkunft in einem Nachbarort zurückgekehrt sein. Laut rbb-Informationen ist er untergetaucht sein. Mitbewohner weigerten sich auf Nachfrage, von dem Vorfall zu berichten, offenbar aus Angst vor Repressalien.

Polizei hält Einsatz für rechtmäßig

Der 28-Jährige soll sich laut Friedemann zwei Stunden in der Außenstelle des Sozialdienstes aufgehalten haben und damit auch den Auszahlungsverkehr für andere Leistungsbezieher blockiert haben. Erst nach tätlichen Angriffen gegen den Sicherheitsdienst des Hauses sei die Polizei um Unterstützung gebeten worden.  

Bis zum Eintreffen der Beamten habe es eine laustarke "verbale Aggressivität" gegeben. Nach der Belehrung durch die Polizei, "dass wir dieses Hausverbot durchsetzen würden, gab es die Androhung der Zwangsmaßnahmen und dann kam es bei der Durchsetzung der Zwangsmaßnahmen durch den Beschuldigten zu diesen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Er hat gebissen, er hat geschlagen, er hat getreten", sagt Torsten Herbst.

Der Polizeisprecher ergänzt: "Dieser Einsatz vor Ort war rechtmäßig", denn "Fakt ist, auch der 28-Jährige aus Kamerun ist bei dem Einsatz nicht verletzt worden."  Auf dem Video sind jedoch auch Handgreiflichkeiten der Polizeibeamten zu sehen. Die Polizei selbst spricht von "Zwangsmaßnahmen".

Anzeigen gegen Asylbewerber und Polizei

Die beiden Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes erstatteten Anzeige gegen den 28-jährigen, sagte Vize-Landrat Friedemann Hanke.

Die Polizei ermittelt gegen den Asylsbewerber wegen Hausfriedensbruchs sowie Widerstand gegen die Vollstreckungsbeamten, so der Polizeisprecher. Der Kameruner selbst habe bei der Polizei keine Anzeige erstattet, "aber bisher hat eine Person, die das Video gesehen hat, Strafanzeige bei der Polizei erstattet, wegen Gewaltanwendung durch die Polizisten".

Linke fordert Aufklärung im Innenausschuss

Die Videobilder werfen aus Sicht der Linken deutliche Fragen auf. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Andreas Büttner, erklärte, die in der Polizeimeldung dargestellten massiven Widerstandshandlungen des Mannes seien in Verbindung mit Schlägen und Fußtritten auf dem verbreiteten Video zumindest so nicht zu erkennen. "Ich als Polizeibeamter kann mir nicht erklären, wie man diese Zwangsmaßnahmen so anwendet, ohne dass es vorher zu erheblicher Gewalt vom Gegenüber gekommen ist. Deswegen bin ich schon einigermaßen verwundert", sagte Büttner.

Zudem ergebe sich die Frage, wie die Polizei die Rechtmäßigkeit der ausgezahlten Sozialleistungen feststellen konnte. Sowohl von Polizei als auch Sozialbehörde wolle die Partei außerdem wissen, wie mit Beschwerden zu Auszahlungen von Sozialleistungen durch Asylbewerber und Flüchtlinge umgegangen werde und ob ausreichend Übersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden.

Die Linke will den Vorfall auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Innenausschusses setzen.

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Beitrag von Phil Beng

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