Gesundheitsämter in Ostbrandenburg - "Das bedeutet 67 Stunden-Wochen plus Rufbereitschaft"
Gesundheitsämter in Ostbrandenburg ächzen unter der Mehrbelastung in der Corona-Krise. Im Amt Oder-Spree wachsen die Überstunden ins Endlose, dem Amtsarzt dort fehlen dauerhaft fünf Ärzte. Von Uta Schleiermacher
Mit der Nachverfolgung von Corona-Fällen kommen die Gesundheitsämter in Ostbrandenburg derzeit gut zurecht. Doch um allen Aufgaben gut nachgehen zu können, bräuchte er deutlich mehr Ärzte, sagt der Amtsarzt von Oder-Spree, Ricardo Saldaña-Handreck, rbb|24. Er fühle er sich in seinem Amt nicht gut aufgestellt: "Wir haben einen absoluten Fachkräftemangel, besonders Ärzte und Gesundheitsaufseher, die ja gerade in der jetzigen Zeit sehr wichtig sind", sagte er.
Fünf Stellen nicht besetzt
Saldaña-Handreck leitet das Gesundheitsamt seit Ende des vergangenen Jahres. Er habe derzeit zweieinhalb Arztstellen, die aktiv arbeiten können - für ein Gebiet mit rund 180.000 Einwohnern. "Das bedeutet 67 Stunden-Wochen plus Rufbereitschaft", sagt er. "Das kann man vielleicht einen Monat machen. Ich mache das jetzt seit fünf Monaten."
Das Gesundheitsamt Oder-Spree hat vier Standorte: in Erkner, Eisenhüttenstadt, Fürstenwalde und Beeskow. Im Bereich der Ärzte sind derzeit fünf Stellen nicht besetzt und es seien auch keine Bewerber in Aussicht. Das Gesundheitsamt hat nach eigenen Angeben mehrere Dauerausschreibungen laufen.
Zu dünne Besetzung
"Das ist in der Situation einer Pandemie natürlich besonders dramatisch", sagt der Amtsarzt. "Aber auch im Vorfeld konnte das Amt mit dieser dünnen Besetzung nicht alles so durchführen, wie es wünschenswert wäre."
Lange hätten keine Praxisbegehungen stattgefunden, damit fehle auch der Kontakt zu den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. "Man kriegt keine neuen Ärzte - das macht es natürlich alles schwieriger. Wir versuchen trotzdem mit dem vorhandenen Personal die Nachfrage zu wuppen - aber die Arbeitsbelastung ist immens."
Soldaten helfen aus
Im Landkreis habe das Gesundheitsamt seit Beginn der Corona-Pandemie rund 1.100 Kontakte von nachweislich mit dem Coronavirus infizierten Menschen nachverfolgt. Während ein Infzierter anfangs noch teils 20 bis 30 Kontakte gehabt hätte, seien es zuletzt nur noch drei bis vier Menschen pro Corona-Fall gewesen. Derzeit seien noch rund 50 Menschen in häuslicher Isolation.
In Oder-Spree und auch in Märkisch-Oderland unterstützen je fünf Soldaten der Bundeswehr die Teams im Gesundheitsamt, im Barnim helfen 15 Soldaten aus. Diese telefonieren die Kontaktpersonen von nachgewiesenen Corona-Fällen ab und stellen sie unter Quarantäne. Dank der Eindämmungsverordnung seien die Fallzahlen derzeit niedrig.
Andere Aufgaben fallen hintenüber
Doch vielerorts haben die Gesundheitsämter wegen Dauerbelastung durch die Corona-Pandemie andere Aufgaben zurückgestellt. Während sie etwa in der Uckermark die Einschulungsuntersuchungen weitergeführt haben, sind diese in Frankfurt (Oder) derzeit noch ausgesetzt.
Der Barnim hat in dieser Woche wieder mit Einschulungsuntersuchungen begonnen, auch in Oder-Spree laufen sie wieder an. Die dortigen Gesundheitsämter werden nach eigenen Angaben hierbei von externen Kinderärzten unterstützt. Das Gesundheitsministerium hatte die Frist für die Untersuchung der zukünftigen Erstklässler von Ende April auf Ende Juli verschoben.
Konkurrenz zu den Kliniken
Das Gesundheitsamt konkurriert bei den Ausschreibungen mit den Gehältern, die Kliniken zahlen. Diese lägen oft rund 1.500 Euro über dem, was das Gesundheitsamt zahle, sagt Saldaña-Handreck. "In einigen Bereichen wie dem sozialpsychiatrischen Dienst konnten wir uns teils mit Honorarkräften behelfen, etwa jemanden, der bereits im Ruhestand ist und dann noch mal einspringt", sagte er. Teils seien auch ehrenamtliche Ärzte für sie tätig. "Das ist aber nur eine Notlösung und kein Dauerzustand."
Und es hakt an noch mehr Stellen: Auch im Bereich der Gesundheitsaufseher seien fünf Stellen derzeit nicht besetzt, und es fänden sich keine Bewerber. In Oder-Spree bildet das Amt nun selbst aus - bis die Mitarbeiter vollwertig eingesetzt werden können, dauert es aber rund drei Jahre.
Prävention und schnellere Reaktionen
"Corona hätte sicher nicht verhindert werden können", sagt Saldaña-Handreck. "Aber wir hätten vielleicht einige Dinge schneller erkannt, etwa als wir im Mai gleichzeitig einen Ausbruch in einer Klinik und in einer Pflegeeinrichtung hatten."
Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte in der vergangenen Woche Geld für Softwareausstattung in den Gesundheitsämtern angekündigt. Doch die löse die Probleme im Bereich des medizinischen Fachpersonals nicht, denn er brauche ja auch Menschen, die die Programme dann bedienen, sagt Amtsarzt Saldaña-Handreck.
"Mein Anspruch ist, eine gute Präventionsarbeit zu leisten, das ist aber schwierig, wenn wir den Entwicklungen hinterherrennen", sagt er. "Und im Moment ist die Arbeitsbelastung bei uns allen sehr sehr hoch."