Präsidentschaftswahl am Sonntag - Stichwahl in Polen entscheidet über Kurs der nächsten Jahre
Nationalkonservativ oder liberal? Die Stichwahl zwischen Andrzej Duda und Rafal Trzaskowski am Sonntag entscheidet, in welche Richtung sich Polen in den nächsten Jahren bewegt. Die Entscheidung könnte knapp werden. Von Markus Woller
Die Fronten sind verhärtet: Nicht einmal auf ein gemeinsames Fernsehduell konnten sich die beiden verbliebenen Stichwahlkandidaten um die polnische Präsidentschaft, Andrzej Duda und Rafal Trzaskowski, kurz vor der Wahl einigen. Duda, der von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS unterstützte Amtsinhaber, stellte sich allein den Fragen des als regierungsnah geltenden öffentlichen Rundfunks. Rafal Trzaskowski wiederum ließ sich von einem Privatsender zu seinen Vorstellungen für die kommenden fünf Jahre der Präsidentschaft befragen.
Duda siegte im ersten Durchgang
In der ersten Runde der Wahlen vor zwei Wochen hatte Duda 43,5 Prozent der Stimmen geholt. Trzaskowski kam auf 30,4 Prozent. Die Deutlichkeit aber täuscht: Es gilt als sehr gut möglich, dass Trzaskowski in der nun bevorstehenden Stichwahl einen großen Teil der Wähler der übrigen Kandidaten hinter sich versammeln könnte. Dazu dürften diejenigen zählen, die ihre Stimme im ersten Wahlgang dem linken Robert Biedron und dem parteilosen Szymon Holownia gegeben hatten. Meinungsumfragen deuten deshalb auf einen engen Ausgang der Stichwahl am kommenden Sonntag hin, mit leichten Vorteilen für Duda.
Richtungsentscheidung erwartet
Nach Ansicht vieler Beobachter geht es um eine Richtungsentscheidung: In den kommenden drei Jahren stehen keine weiteren Wahlen im Land an. Gewinnt Duda am Sonntag, dann könnte das für die regierende PiS-Partei ein Freifahrtschein zum Durchregieren auf Jahre hinaus sein.
Kann sich aber der liberale Trzaskowski durchsetzen, wäre das ein enormer Dämpfer für die Regierung, die seit Jahren an einem Staatsumbau hin zu einem nationalistischen Polen arbeitet.
Duda gilt als PiS-treu
Präsident Andrzej Duda hat sich bei diesem Prozess während seiner Amtszeit als weitgehend treu ergeben gezeigt. Und das, obwohl er die Parteimitgliedschaft in der PiS mit Beginn seiner Amtszeit aus symbolischen Gründen abgelegt hatte. Beinahe jedes Gesetz der Regierung wurde von Duda unterzeichnet - angefangen bei der Medienreform bis hin zum Umbau des Justizwesens. Deshalb wird er in der Bevölkerung auch spöttisch "Kugelschreiber" genannt. Im Wahlkampf hatte Duda eher am rechten Rand um Wählerstimmen gekämpft und den Ton gegenüber der LGBT-Community deutlich verschärft, die er als Gefahr für die traditionelle polnische Familie stilisierte.
Corona-Krise als Fluch und Segen
Die Corona-Krise war für den amtierenden Präsidenten Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite sorgte sie für eine Verschiebung des Wahltermins und verhinderte damit zunächst einen bereits sicher geglaubten Sieg Dudas im ersten Wahlgang. Auf der anderen Seite profilierte sich die PiS-Regierung in den vergangenen Monaten durch ihr Krisenmanagement, das vor allem bei der Bevölkerung auf dem Land weitestgehend positiv gesehen wird.
Auch die sozialpolitischen Neuerungen der letzten Jahre gelten als Pluspunkt für Duda und die hinter ihm stehende Partei: So führte die Regierung ein Kindergeld ein und steckte viel Geld in die Unterstützung von Rentnern und Geringverdienerinnen.
Trzaskowski steht für Weltoffenheit
In diesem Punkt zeigen sich auch die Schwächen der liberalen Bürgerplattform und ihres Kandidaten Rafał Trzaskowski. Sie gilt vielen Polen noch heute als jene Partei, die bis 2015 durch drastische Sparmaßnahmen zu großen sozialen Verwerfungen in der Gesellschaft beigetragen hat.
Hoffnungsträger ist Trzaskowski vor allem für junge und weltoffene Menschen aus den Großstädten und dem Westen des Landes. Der Warschauer Stadtpräsident war überraschend zur Wahl angetreten. In der Hauptstadt setzt er sich seit Jahren für die Rechte sexueller Minderheiten ein. Außerdem will er die höchst umstrittene Justizreform der PiS rückgängig machen, sollte er Präsident werden.
Vetorecht als schärfste Waffe
Zwar dürfte eine solche Rücknahme angesichts der beschränkten Befugnisse des polnischen Präsidenten schwierig sein. Eine Zurückweisung bestehender Gesetze ins Parlament steht diesem nicht zu. Dennoch hat der polnische Präsident deutlich mehr Befugnisse als ein deutscher Bundespräsident. Seine schärfste Waffe ist das Vetorecht. Damit könnte Trzaskowski der regierenden PiS-Partei das Leben schwer machen, trotz der absoluten Mehrheit in der ersten Parlamentskammer, dem Sejm. Auch außenpolitisch wäre laut Beobachtern von Trzaskowski ein deutlich europa- und auch deutschlandfreundlicherer Ton zu erwarten, als ihn Duda bislang gepflegt hat.
Kaum verwunderlich darum, dass Trzaskowski in Westpolen und in den großen Städten im ersten Wahlgang einige Erfolge vorweisen konnte. In Frankfurts Nachbarstadt Slubice zum Beispiel erhielt er vor zwei Wochen knapp 45 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen. Präsident Andrzej Duda kam auf 26 Prozent.
Sendung: Antenne Brandenburg, 10.07.2020