Präsidentschaftswahl am Sonntag - Stichwahl in Polen entscheidet über Kurs der nächsten Jahre

Fr 10.07.20 | 06:29 Uhr | Von Markus Woller
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Wahlplakate von Rafal Trzaskowski und Andrzej Duda am 6. Juli 2020 in Wielkopolska. (Quelle: dpa/Dawid Tatarkiewicz)
Video: rbb|24 | 11.07.2020 | Material: Kowalski & Schmidt | Bild: dpa/Dawid Tatarkiewicz

Nationalkonservativ oder liberal? Die Stichwahl zwischen Andrzej Duda und Rafal Trzaskowski am Sonntag entscheidet, in welche Richtung sich Polen in den nächsten Jahren bewegt. Die Entscheidung könnte knapp werden. Von Markus Woller

 

Die Fronten sind verhärtet: Nicht einmal auf ein gemeinsames Fernsehduell konnten sich die beiden verbliebenen Stichwahlkandidaten um die polnische Präsidentschaft, Andrzej Duda und Rafal Trzaskowski, kurz vor der Wahl einigen. Duda, der von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS unterstützte Amtsinhaber, stellte sich allein den Fragen des als regierungsnah geltenden öffentlichen Rundfunks. Rafal Trzaskowski wiederum ließ sich von einem Privatsender zu seinen Vorstellungen für die kommenden fünf Jahre der Präsidentschaft befragen.

Duda siegte im ersten Durchgang

In der ersten Runde der Wahlen vor zwei Wochen hatte Duda 43,5 Prozent der Stimmen geholt. Trzaskowski kam auf 30,4 Prozent. Die Deutlichkeit aber täuscht: Es gilt als sehr gut möglich, dass Trzaskowski in der nun bevorstehenden Stichwahl einen großen Teil der Wähler der übrigen Kandidaten hinter sich versammeln könnte. Dazu dürften diejenigen zählen, die ihre Stimme im ersten Wahlgang dem linken Robert Biedron und dem parteilosen Szymon Holownia gegeben hatten. Meinungsumfragen deuten deshalb auf einen engen Ausgang der Stichwahl am kommenden Sonntag hin, mit leichten Vorteilen für Duda.

Richtungsentscheidung erwartet

Nach Ansicht vieler Beobachter geht es um eine Richtungsentscheidung: In den kommenden drei Jahren stehen keine weiteren Wahlen im Land an. Gewinnt Duda am Sonntag, dann könnte das für die regierende PiS-Partei ein Freifahrtschein zum Durchregieren auf Jahre hinaus sein.

Kann sich aber der liberale Trzaskowski durchsetzen, wäre das ein enormer Dämpfer für die Regierung, die seit Jahren an einem Staatsumbau hin zu einem nationalistischen Polen arbeitet.

Andrzej Duda (Quelle: imago images/Marek Maliszewski)Andrzej Duda

Duda gilt als PiS-treu

Präsident Andrzej Duda hat sich bei diesem Prozess während seiner Amtszeit als weitgehend treu ergeben gezeigt. Und das, obwohl er die Parteimitgliedschaft in der PiS mit Beginn seiner Amtszeit aus symbolischen Gründen abgelegt hatte. Beinahe jedes Gesetz der Regierung wurde von Duda unterzeichnet - angefangen bei der Medienreform bis hin zum Umbau des Justizwesens. Deshalb wird er in der Bevölkerung auch spöttisch "Kugelschreiber" genannt. Im Wahlkampf hatte Duda eher am rechten Rand um Wählerstimmen gekämpft und den Ton gegenüber der LGBT-Community deutlich verschärft, die er als Gefahr für die traditionelle polnische Familie stilisierte.

Corona-Krise als Fluch und Segen

Die Corona-Krise war für den amtierenden Präsidenten Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite sorgte sie für eine Verschiebung des Wahltermins und verhinderte damit zunächst einen bereits sicher geglaubten Sieg Dudas im ersten Wahlgang. Auf der anderen Seite profilierte sich die PiS-Regierung in den vergangenen Monaten durch ihr Krisenmanagement, das vor allem bei der Bevölkerung auf dem Land weitestgehend positiv gesehen wird.

Auch die sozialpolitischen Neuerungen der letzten Jahre gelten als Pluspunkt für Duda und die hinter ihm stehende Partei: So führte die Regierung ein Kindergeld ein und steckte viel Geld in die Unterstützung von Rentnern und Geringverdienerinnen.

Rafal Trzaskowski (Quelle: imago images/Adam Jastrzebowski)Rafal Trzaskowski

Trzaskowski steht für Weltoffenheit

In diesem Punkt zeigen sich auch die Schwächen der liberalen Bürgerplattform und ihres Kandidaten Rafał Trzaskowski. Sie gilt vielen Polen noch heute als jene Partei, die bis 2015 durch drastische Sparmaßnahmen zu großen sozialen Verwerfungen in der Gesellschaft beigetragen hat.

Hoffnungsträger ist Trzaskowski vor allem für junge und weltoffene Menschen aus den Großstädten und dem Westen des Landes. Der Warschauer Stadtpräsident war überraschend zur Wahl angetreten. In der Hauptstadt setzt er sich seit Jahren für die Rechte sexueller Minderheiten ein. Außerdem will er die höchst umstrittene Justizreform der PiS rückgängig machen, sollte er Präsident werden.

Vetorecht als schärfste Waffe

Zwar dürfte eine solche Rücknahme angesichts der beschränkten Befugnisse des polnischen Präsidenten schwierig sein. Eine Zurückweisung bestehender Gesetze ins Parlament steht diesem nicht zu. Dennoch hat der polnische Präsident deutlich mehr Befugnisse als ein deutscher Bundespräsident. Seine schärfste Waffe ist das Vetorecht. Damit könnte Trzaskowski der regierenden PiS-Partei das Leben schwer machen, trotz der absoluten Mehrheit in der ersten Parlamentskammer, dem Sejm. Auch außenpolitisch wäre laut Beobachtern von Trzaskowski ein deutlich europa- und auch deutschlandfreundlicherer Ton zu erwarten, als ihn Duda bislang gepflegt hat.

Kaum verwunderlich darum, dass Trzaskowski in Westpolen und in den großen Städten im ersten Wahlgang einige Erfolge vorweisen konnte. In Frankfurts Nachbarstadt Slubice zum Beispiel erhielt er vor zwei Wochen knapp 45 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen. Präsident Andrzej Duda kam auf 26 Prozent.

Sendung: Antenne Brandenburg, 10.07.2020

Beitrag von Markus Woller

32 Kommentare

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  1. 32.

    Das von den NS-deutschen Schergen angerichtete Leid ist in der Tat unermesslich. Auch das Leid unter den Aborigines seitens der europäischen Eindringlinge in Australien war unermesslich. Es hätte den jetzigen australischen Staat unversehens in die Pleite geführt, alles das wiedergutzumachen.

    Die Billionen-Forderung seitens Teile der jetzigen polnischen Regierung ist insofern analog, auch wenn die Zeiten und Ideologien gänzlich verschieden waren und sind.

    Bisher wurde Wohlverhalten praktiziert, genau im Wissen um solche Unbezahlbarkeit. Es liegt an der "deutschen Seite", spezifische juristische Regelungen anzuführen, die weitere Reparationen ausschlössen, es liegt an einem einschlägigen Spektrum in Polen, ab und zu in dieser Wunde zu stochern.


  2. 31.

    Zum Grundsätzlichen:
    Polen ist eigentlich und im Grunde genommen immer nur hingehalten worden seitens der EU. Auch von Deutschland. Mir ist immer noch die Redewendung von Angela Merkel im Ohr, dass "die Osterweiterung der EU" verdaut (!) werden müsse.

    Kein Funken der Freude, dass nach dem jahrzehntelangen Riss durch Europa, den beide Seiten provoziert haben, endlich ein vereinigter europäischer Kontinent im Entstehen ist. Wer dies (so) spürt, spricht dann auch nicht von simpler Osterweiterung - sprich: dass das westliche Europa sich nach Osten ausdehnt - sondern, dass der geeinte europäische Kontinent andere geistige und materielle Koordinaten hat.

    Persönlich tue ich auch schwer mit Vielem, was in Polen passiert. Von "deutscher Seite" aus kommen viele Verhältnisse so vor, als wären sie den westdeutschen Adenauer-Zeiten entsprungen. Alles, was in den Zeitraffer zwischen Modernisierung und Tradition gesperrt wird, gerät empfindungsmäßig zw. Baum und Borke ...

  3. 29.

    Wie kommt es, dass der RBB einem polnischen Knilch erlaubt zu schreiben, wir Deutschen hätten 845 Billionen Reparationen zu zahlen?

  4. 28.

    Die Abhängigkeiten sind sicherlich lokal unterschiedlich. In Berlin käme der gesamte Bausektor zum Erliegen, wenn die polnischen Handwerker nicht hier schaffen würden.

  5. 27.

    Viele Grüße nach Breslau, der Heimatstadt meiner Eltern.
    Um auf die Präsidentenwahl zurück zu kommen, der bei SPRINGER beschäftigte deutsche Journalist Phillip Fritz scheint in der Tat zu verwechseln, dass es sich um eine Wahl der Polen handelt. Zur Wahl, beide Präsidentschaftskandidaten haben zur Ansiedelung von Migranten eine klare Meinung. Nämlich ein "Nein" zu jeder EU-Zwangsquote.
    Bei der Deutschen Welle ist zu lesen, Umfragen haben ergeben, dass zwischen 60 und 70 Prozent der Polen dagegen sind, Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten aufzunehmen.

  6. 26.

    Ihre Einlassung ist unverständlich.

    Der GG Art. 16a wurde erst 1993 eingeführt. Wenn sie die Diskussion 1993 verfolgen, im Internet problemlos möglich,wollte man das vermeiden, was nun wg. seiner Nichtbeachtung eingetreten ist.

    https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_16a.html

  7. 25.

    Sie sollten auf den diskutierten Sachverhalt eingehen. Die EU Verträge sehen keine Verpflichtung zu einer Ansiedelung von Migranten vor.

  8. 24.

    Polen exportiert 30% nach Deutschland. Deutschland nur 4% nach Polen. Polen kann versuchen, Streit anzufangen. Gewinnen kann Polen aber nicht.

  9. 23.

    Du solltest mal lesen Artikel 16 Abs. 2

    Ein Deutscher darf nicht.... ubd dann kommt das beliebte Wort ABER.

  10. 22.

    Und die E.U. entscheidet, wem der Geldhahn zugedreht wird. Hoffentlich bald.

  11. 21.

    Name Fritz

    arbeitet für axel springerverlag und der hat seine eigene interessen in polen und in deutschland und europa

    der herr fritz hat kein recht denn präsidenten per du anzusprechen in polnischen zeitungen



  12. 20.

    wir haben die ja nicht grundgesetzt verankert
    das die ein recht haben in europa zu bleiben


    soll die länder nehmen die eingeladen haben


    türkei griechenland und die 4 ost europa staaten wollen die auch keine ausländer haben die andere kultur haben

  13. 19.

    Das sehe ich auch so.
    Merkels Altmaier fabuliert den Aufschwung ab Herbst herbei.
    Punktuelle Hiobsbotschaften über Firmenpleiten und Entlassungen sind nur erste Regentropfen eines Monsuns, der mit einigem zeitlichen Versatz über uns hereinbrechen wird.
    Der Grund: Firmen "dürfen" zu Zeit per Gesetz nicht Pleite gehen. Es ist das "Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Panemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“. Danach "müssen" eigentlich überschuldete Unternehmen weiterbestehen, die unter normalen Umständen längst insolvenzpflichtig wären. Als Optimist hoffe ich inständig, dass die Pleitewelle nicht so stark ausfallen wird. Aber ehrlich gesagt, großes Zutrauen habe ich in das Duo Merkel/Altmeier nicht, dass mehr herauskommt als das Ergebnis ihrer beider Bemühigungen, die Endlagerproblematik einer Lösung näher zu bringen.

  14. 18.

    Die Wertegemeinschaft ist etwas für politische Schönwetter Zeiten. Aber wenn die Steuereinnahmen wegbrechen, die Areitslosenzahlen steigen und das Geld knapp wird kommen ganz andere Werte zum Vorschein. Das werden wir in den nächsten Monaten, hoffentlich nicht Jahre, noch erleben.

  15. 17.

    Was ein "Wert" ist liegt im Auge des Betrachters. Um einem "Wert" einen rechtliche Rahmen zu geben, macht man Verträge. Eine rechtliche Verpflichtung der Übernahme von Migranten zwecks Ansiedelung existiert in keinem einzigen EU Vertrag.

  16. 16.

    Es war auch nicht von Verträgen die Rede, sondern von Werten, von einer EU als Wertegemeinschaft. Und da ist es schon erlaubt zu fragen, wie sich das Verhalten der genannten Länder mit den Werten dieser Gemeinschaft verträgt und warum die Verweigerung dieser Werte nicht gegen die Beitrittskriterien verstoßen.

  17. 14.

    Polen, Ungarn und die Tschechische Republik entscheiden selbst wen und wieviele sie dauerhaft aufnehmen wollen. Und das ist völlig legal und widerspricht keinem einzigen EU - Vertrag.

  18. 13.

    Ist m.M. nach der einzige Grund, warum Polen überhaupt Mitglied der EU ist. Leider ist die Konstruktion der EU so schlecht, das man zwar von einer Wertegemeinschaft spricht, sich aber keiner (siehe Polen, Ungarn, Tschechische Republik u.a.)an die Werte halten muss. Das entwertet diese Gemeinschaft.

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