Fluchtroute über Belarus - Polen im Gespräch mit Grenzagentur Frontex über Abschiebeflüge

Mo 15.11.21 | 18:35 Uhr
Menschen an der belarusisch-polnischen Grenze werden von der polnischen Polizei am Grenzübertritt gehindert. (Quelle: dpa/AA)
Audio: Inforadio | 15.11.2021 | Jan Pallokat | Bild: dpa/AA

Das polnisches Außenministerium hofft auf weniger Migranten bis zum Monatsende, weil immer weniger Flüge nach Belarus gehen würden. Gemeinsam mit Frontex bereite man zudem Abschiebeflüge vor. Der Bau einer Grenzanlage soll beschleunigt werden.

Ende November oder Anfang Dezember könnte die Zahl der Menschen zurückgehen, die über Belarus versuchen, in die EU zu gelangen, Diese Hoffnung äußerte jetzt Pawel Jablonski, stellvertretender Außenminister in Polen, in einem Fernsehinterview.

Jablonski verwies dabei auf teils erfolgreiche diplomatische Bemühungen, internationale Flüge nach Belarus zu reduzieren, und zwar auch Umsteigeflüge etwa über die Türkei oder die Golfstaaten. Der Vizeminister fügte aber hinzu, dass der Minsker Machthaber Lukaschenko versucht sein könne, die Menschen über Moskau in sein Land zu holen.

EU beschließt neues Sanktionsinstrument

Genährt wird diese Hoffnung, dass weniger Menschen kommen könnten, auch das durch die EU-Außenminister beschlossene neue Sanktionsinstrument gegen Beteiligte an der Schleusung von Migranten nach Belarus. Die Europäische Union werde nun Personen und Einrichtungen ins Visier nehmen können, die einen Beitrag dazu leisteten, dass das belarussische Regime Menschen für politische Zwecke instrumentalisieren könne, teilte der Rat der Mitgliedstaaten am Montag mit.

So soll das neue Sanktionsinstrument etwa gegen Fluggesellschaften eingesetzt werden können, die Migranten zur Weiterschleusung in die EU nach Belarus fliegen. Die Lage sei so dramatisch, dass er auch eine Verweigerung von Überflugrechten oder Landegenehmigungen im europäischen Raum nicht mehr ausschließen könne, erklärte der geschäftsführende deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD).

Polen spricht mit Frontex und befestigt Grenze

Derweil führt Polen nach ARD-Informationen Gespräche mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex über die Aufnahme von Abschiebeflügen vor allem in den Irak, da viele Iraker unter den Migraten an der Grenze sind. Das könnte in Tagen oder Wochen beginnen.

Unterdessen treibt Polen den Bau eines festen Sperrwerks entlang der Grenze voran. Bereits am Montag soll ein Koordinierungsteam erstmals zusammenkommen, der Bau bereits dieses Jahr beginnen. Vizeinnenminister Maciej Wasik äußerte sich auch zu Überlegungen, künftig doch Journalisten in den abgeriegelten Grenzstreifen zu lassen. Denkbar sei es, Berichterstattung in "friedlicheren Regionen" unter Aufsicht des Grenzschutzes zu ermöglichen.

Premierminister Morawiecki hatte unlängst bei einem Besuch von EU-Ratschef Charles Michel den möglichen Aufbau eines Pressezentrums in Grenznähe angedeutet, die Presse- und Informationssperre in dem Gebiet aber generell verteidigt.

3.500 Geflüchtete versammeln sich am Grenzzaun zu Polen

An der EU-Außengrenze zwischen Polen und Belarus kommen auf der belarussischen Seite des Grenzübergangs Kuznica unterdessen immer mehr Migranten zusammen. Nach Angaben der Polizei seien dort mittlerweile rund 3.500 Menschen versammelt, schrieb der Sprecher des Koordinators der Geheimdienste, Stanislaw Zaryn, am Montag auf Twitter. Dazu postete er eine Video mit Luftaufnahmen. Sie zeigen eine große Menschenmenge bei den Abfertigungsanlagen des geschlossenen Grenzübergangs und ein verlassenes, zerstörtes Zeltlager in der Nähe.

In der Nacht zu Montag meldete der polnische Grenzschutz den Versuch einer 60-köpfigen Gruppe, die Grenze unerlaubt zu überqueren. Am Montagvormittag zeigten indes Bilder von der belarussischen Seite der Grenze, dass sich eine größere Menschengruppe am geschlossenen Grenzübergang Kuznica versammelt.

Mehr unerlaubt Einreisende

In der ersten Novemberhälfte registrierte die Bundespolizei 1.708 unerlaubte Einreisen mit einem Bezug zu Belarus. Im laufenden Jahr waren es bislang insgesamt 9.549 Fälle. Mitte des Jahres waren die Zahlen in die Höhe geschnellt. Während von Januar bis Juli 2021 nur 26 unerlaubt eingereiste Personen mit einem Belarus-Bezug festgestellt worden waren, so stiegen die Zahlen im August auf 47, im September auf 1.903 und im Oktober auf 5.285 Feststellungen.

Nach Erkenntnissen der Polizei sind die Migranten vornehmlich über den Luftweg aus dem Irak nach Litauen und Belarus gelangt. Die Grenze zu Polen hätten die Flüchtlinge in der Regel zu Fuß überquert. Die weitere Schleusung führte dann mit Pkw, Reisebussen und Transportfahrzeugen zur deutsch-polnischen Grenze.

Sendung: Inforadio, 15.11.2021

Mit Material von Jan Pallokat

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