Europa-Forum in Frankfurt (Oder) - Baerbock dämpft Erwartung eines raschen EU-Beitritts der Ukraine

Mo 09.05.22 | 13:29 Uhr
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Annalena Baerbock am Europatag zu Gast an der Viadrina
Audio: Antenne Brandenburg | 09.05.2022 | Außenministerin Annalena Baerbock | Bild: rbb

Vor ihrer Reise nach Kyjiw hat Außenministerin Baerbock beim Forum Europäischer Städte in Frankfurt (Oder) einen EU-Beitritt der Ukraine für unwahrscheinlich erklärt. Sie forderte Russland erneut auf, den Krieg zu beenden.

Anlässlich des sogenannten Europatages ist Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montagvormittag zu Gast in Frankfurt (Oder) gewesen. Dort besuchte sie zusammen mit den beiden Bürgermeistern der deutsch-polnischen Doppelstadt René Wilke (Linke) und Mariusz Olejniczak die Grenzbrücke nach Polen sowie die Friedensglocke. Anschließend nahm Baerbock in der Europaunivsersität Viadrina an einer Podiumsdiskussion zum Thema "Europa leben - Europa stärken" teil.

Zeitnah wohl kein EU-Beitritt der Ukraine

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine dämpft Baerbock in ihrer Rede die Erwartung eines raschen EU-Beitritts der von Russland angegriffenen Ukraine. Die Grünen-Politikerin bekräftigte zwar: "Die Ukraine gehört zum Haus Europa." Doch fügte sie auf eine Frage nach dem EU-Beitritt hinzu: "Wir wissen nicht, wann der Schritt erfolgen kann und wie er erfolgen kann, weil sie gerade in einem furchtbaren Krieg sind."

Die Ukraine hatte nach dem russischen Angriff vom 24. Februar um einen schnellen Beitritt zur Europäischen Union gebeten und bereits Unterlagen eingereicht, die Grundlage für Beitrittsgespräche sein könnten. Baerbock hatte sich schon Ende Februar zurückhaltend zu dem Beitrittsgesuch geäußert und darauf verwiesen, dass ein solches Verfahren normalerweise Jahre dauert.

Baerbock: "Wir dürfen nie wieder leere Versprechungen machen."

Bei ihrem Auftritt an der Frankfurter Universität Viadrina sagte sie am Montag: "Wir dürfen nie wieder leere Versprechungen machen." Deshalb müssten noch in diesem Halbjahr die längst angebahnten Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien eröffnet werden.

Baerbock bekräftigte die Forderung an Russland, den Ukraine-Krieg sofort zu beenden. In ihrer Rede schlug die Außenministerin den Bogen zur europäischen Einigung. "Russlands Krieg verneint all das, wofür unser nach 1945 und nach 1989 geschaffenes Europa steht: Frieden und Freiheit, Demokratie und Menschenwürde", sagte sie.

Außenministerin plädiert für mehr Zusammenhalt in Europa

Deutschland stehe fest an der Seite der mittel- und osteuropäischen Verbündeten und nehme seine Verantwortung auch mit der Stationierung weiterer Soldaten an der Nato-Ostflanke wahr. Doch gehe die Stärke Europas weit über militärische Unterstützung hinaus und umfasse insbesondere gesellschaftliche Vernetzung.

"Dann heißt das eben, dass Europa nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Werteunion ist", sagte Baerbock. Es sei eine fatale Illusion gewesen zu glauben, dass wirtschaftliche Vernetzung alleine schon Demokratisierung und Werte bringe. "Das haben wir jetzt an diesem Angriffskrieg gesehen", sagte Baerbock. "Wirtschaftliche Interessen und Werte gehören aufs Engste zusammen." Gerade jetzt müsse auch Europa weiter vertieft werden. "Das heißt, ein klares Wertefundament weiter zu bauen", fügte sie hinzu.

Annalena Baerbock ist am 09.05.2022 bei der Eröffnung des internationalen Forums Europäischer Städte zum Thema «Ambivalenzen der Transformation» an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) zu Gast. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)Podiumsdiskussion zum Thema Europa an der Viadrina

Internationales Forum zur Europäischen Transformation

Baerbocks hielt ihre Rede im Rahmen des Forums Europäischer Städte an der Frankfurter Europa-Universität. Das Forum ist die zentrale Veranstaltung in der Kampagne "Stadt der Brückenbauer". Es beschäftigt sich mit den vielfältigen Umbrüchen der vergangenen Jahrzehnte und der Frage der Zukunft des europäischen Zusammenlebens, unter Einbeziehung derzeitigen Angriffskrieges Russlands in der Ukraine.

Die etwa 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus der deutsch-polnischen Grenzregion, sowie aus Doppel-, Grenz- und Hansestädten in Finnland, Estland, Lettland, Bulgarien, Italien und Slowenien.

Als Beispiel für ein erfolgreiches Zusammenwachsen Europas, bezog die Ministerin sich immer wieder auf die Doppelstadt Frankfurt (Oder)-Slubice. So würdigte sie die grenzübergreifende Hilfe für geflüchtete Menschen aus der Ukraine. "Das ist unser Europa, das auf Menschlichkeit setzt, nicht fragt, ob denn schon alle Formula bereitgestellt sind, sondern das einfach macht."

Mit der Kampagne "Stadt der Brückenbauer" bewirbt sich Frankfurt (Oder) als Standort für das geplanten Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit. Der Bund will dafür rund 220 Millionen Euro investieren.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.05.2022, 07:30 Uhr

19 Kommentare

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  1. 17.

    Was fuer ein Glueck, dass wir diese Macherin in dieser Position haben. Sie wird alle Hebel in Bewegung setzen, dass es moeglichst schnell geht mit der Aufnahme der Ukraine in die EU, wo sie dringend hingehoert. Ich haette A. B. am liebsten als Kanzlerin in Personalunion mit Aussenministerin, das schafft sie locker. Sie und Robert Habeck haben den Durchblick, tun was, sind dabei locker und menschlich. Dazu klare Sprache ohne falsche Versprechungen. Genau richtig in solcher Ausnahmezeit. Bitte weiter so !

  2. 16.

    Viele wissen nicht um den Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union. Die Beistandsklausel im Falle eines Angriffs auf ein EU-Mitglied ist verpflichtend, berücksichtig aber auch z.B. die Neutralität Österreichs.

    BESTIMMUNGEN ÜBER DIE GEMEINSAME SICHERHEITS- UND VERTEIDIGUNGSPOLITIK
    Artikel 42
    ...
    (7) Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberührt.

  3. 15.

    Lupenreine Demokraten wie Putin liefert bekanntlich nicht nur Waffen, sondern auch gleich die Soldaten dazu.

  4. 14.

    Na ganz so einfach ist es auch wieder nicht. Die Ukrainer stellen Stahl und Kupferkabel/Kabelbäume, Getreide usw. für einen Stundenlohn zwischen 2,20 und 4,60€/h her. Die Wirtschaft braucht erst einmal ein neues Land für die Herstellung von Gütern für Billiglohn. Denn es würden in kurzer Zeit auch die Regeln der EU in der Ukraine gelten. Siehe schon allein der Umgang mit den ukrainischen LKW Fahrern.

  5. 13.

    Sorry, erstens geht es um die EU und nicht um die NATO und zweitens herrscht in der Ukraine seit 2014 Krieg. Im Krieg befindliche Länder sollten grundsätzlich erst nach Friedensschluss irgendwo aufgenommen werden.

  6. 12.

    Macron hat auch gedämpft.

  7. 11.

    Mal sehen ,was Herr Selenski und sein Sprachrohr in Berlin sagen.
    Böse Frau Baerbock.Sie sind der Ukraine verpflichtet.
    Deutschland ist auf Grund seiner Vergangenheit verpflichtet ,einenEU Beitritt zu ermöglichen.
    Am besten schon gestern.

  8. 10.

    Witzbold. Ich erinnere an die Türkei. Und andere Staaten warten auch noch. Außerdem ist das ein längerer Prozess. Ganz ehrlich, die Ukraine hat einen langen Weg vor sich. Da fehlt noch so einiges

  9. 9.

    Was sollen mit den Beitrittskandidatinnen noch für lange Gespräche geführt werden Nehmt sie einfach auf und damit Basta.

    Beitrittsgespräche dienen dazu die Wirtschaft an neoliberale EU Standards anzupassen.

  10. 8.

    Vermutlich ist es ihr egal wie so vielen. Offiziell darf man den Undiplomaten aber nicht kritisieren. Egal, wie sehr er beleidigt. Für mich ist er unwichtig. Ich hoffe, er ist den meisten Ukrainern peinlich. Einen Rüffel von klitschko hat er auch schon mal kassiert.

  11. 7.

    Die Fehler der Merkel- Regierung müssen revidiert und die Ukraine in die NATO aufgenommen werden. Ihre Fähigkeiten im Kampf, stellen sie gegen den kopflosen russischen Haufen täglich unter Beweis.

  12. 6.

    Wer könnte denn diesen Krieg noch beenden außer Russland? Ach, das sind ja wir ! Ohne Waffen kein Krieg. Und wenn wir 115 Staaten Donetzk, Luhansk und die Krim genauso mit Mopsgeschwindigkeit als souveräne, unabhängige Staaten bzw zu Russland gehörend anerkennen würden wie wir 115 Staaten es mit dem Kosovo gemacht haben, der sich selbst als unabhängig erklärt hat. Scheint ja dann irgendwie zu gehen und rechtens zu sein. Ach, schonwieder mein Fehler, das hat ja auch der IGH so geurteilt. Dann könnten wir uns vielleicht mal daran halten?
    Und gegen entmilitarisiert, dafür Schutzmächte und Neutralität gibt es bitte was (?) einzuwenden?
    Wir sollten endlich aufhören doppelte Spielchen mit doppelten Standards zu spielen.

  13. 5.

    Vielleicht beisst er dann endlich mal auf Granit. Bis jetzt haben alle vor ihm gekuscht. Sie sollte sich an das Sprichwort halten:' Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil! "
    Ihr traue ihnen das zu.

  14. 4.

    Junker sagte, 2016 war das glaub ich, dass die Ukraine die nächsten 25 Jahre weder der EU noch der Nato beitreten wird. Gründe u.a. = Korruption und fehlende Rechtsstaatlichkeit. Jippie... wir liefern Waffen dort hin. Hoffentlich sind diese nich irgendwann auf uns gerichtet.
    Nun bis ca 2040 is noch ein bisschen hin. Was Frau von der Leyen da medienwirksam veranstaltet, da kann man nur noch mit den Schultern zucken.

  15. 3.

    Was macht man mit einem Freund auf dem heimischen Sofa, wenn er jede Hilfe und jede Meinung "schlechtredet" und den Eindruck vermittelt, dass der Helfende ruhig "untergehen" kann? Was macht man dann?

  16. 2.

    Mutig und ungewohnt, dass, zu Leidenszeiten der Ukrainer, nicht mit falschen Versprechungen, aus den Augen zu verlieren ist, worum es bei dem EU-Beitritt wirklich geht. So wie die Polen Ihre zeitaufwendigen "Hausaufgaben" in Bezug, z.B. eines stabilen Zloty, sehr gut gemacht haben, so haben die Ukrainer, vor dem Krieg, nicht genug gegen Oligarchen und Korruption gemacht. Es muss "einleuchten" das Voraussetzungen erfüllt sein müssen, bevor EU-Lebensverhältnisse "greifen" können. Versickern EU-Hilfen, dann nutzt es Putin mehr als Beweis, dass mit Demokratie bessere Lebensverhältnisse nicht zu erreichen sind. Sind aber die Voraussetzungen erfüllt, ist die Strahlkraft für das Putin-System bedrohlich, denn dann wollen die Russen das auch...

  17. 1.

    Da wird Frau Baerbock wohl demnächst vom Herrn Melnyk ordentlich was zu hören kriegen.

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