339 Gerichtsverfahren in 20 Jahren - Verteilungskämpfe um das Wasser nehmen zu

Wasser wird knapper. Das führt zu Verteilungskämpfen. Bundesweit landen mehr Fälle vor Gericht, so eine Auswertung von "Correctiv Lokal" in Kooperation mit dem rbb-Studio Frankfurt. In Brandenburg stechen zwei Verfahren hervor.
Ist die sichere Trinkwasserversorgung von Frankfurt (Oder) in Gefahr? Ja, sagt der Wasserversorger der Stadt, die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft (FWA). Frankfurt gewinnt sein Trinkwasser in Briesen aus Grundwasser und reichert es mit Uferfiltrat der Spree an. Schon jetzt sei die Sulfatbelastung – eine Folge des Bergbaus - nahe dem Grenzwert.
Bald jedoch soll das Spreewasser bei Cottbus durch den Ostsee geleitet werden, die stillgelegte Grube des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord. Dann würde der Sulfatanteil noch weiter steigen, sagt der Wasserversorger.
Gegen die entsprechende Genehmigung des Landesbergbauamts klagt die Stadt Frankfurt seit 2019. Aktuell sei der Fall beim Europäischen Gerichtshof anhängig, sagte FWA-Sprecherin Anne Silchmüller dem rbb.
Die meisten Streitfälle landen nicht vor Gericht
Dass ein Wasserstreit innerhalb eines Bundeslandes bis auf die Europäische Ebene eskaliert wird, "das ist schon außergewöhnlich", sagt Katharina Huth vom Recherchenetzwerk "Correctiv Lokal". "Die meisten Streitfälle ums Wasser erreichen die Gerichte gar nicht erst."
Katharina Huth hat mit ihrem Team recherchiert, wie oft in den vergangenen Jahren vor deutschen Gerichten um Grundwasser gestritten wurde. 339 Fälle haben Huth und ihre Kollegen von aus den vergangenen 20 Jahren ausgemacht. "In 11 von 16 Bundesländern haben die Verfahren um die Grundwassernutzung zugenommen", stellt Katharina Huth fest.
So wurden von 2002 bis 2011 in Brandenburg sieben Mal Gerichtsurteile um das Grundwasser gefällt. 2012 bis 2021 waren es bereits zehn Fälle. In anderen Bundesländern, zum Beispiel in Bayern, sind die Zahlen noch stärker gestiegen.
Streitfall Fördermenge
Am meisten gestritten wird um Wasserfördermengen. Der Streit um die Wasserversorgung im Umfeld der Tesla-Elektroautofabrik in Grünheide sei exemplarisch für die Wasserkonflikte, die in ganz Deutschland toben: "Es geht um die ganz grundsätzliche Frage: Wer hat denn eigentlich Vorrang? Wer hat als Erstes Recht auf Wasser? Und wer nicht, wenn es knapp wird?", unterstreicht Katharina Huth. Diese Fragen seien kaum geregelt und würden deshalb zunehmend vor den Gerichten landen.
Umweltverbände gehen in Berufung
In dem genannten Fall aus dem Tesla-Umfeld hatten zwei Umweltverbände gegen eine Erlaubnis des Landesumweltamts geklagt, in Eggersdorf bei Strausberg mehr Wasser zu fördern. Das Gericht hatte der Klage im März stattgegeben, allerdings nur aus formalen Gründen: mangelnder Öffentlichkeitsbeteiligung. Ansonsten sei die Erlaubnis nicht zu beanstanden. Mit dem Teilerfolg geben sich Grüne Liga und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nicht zufrieden. "Unsere inhaltlichen Einwände sind nicht hinreichend berücksichtigt worden", sagt Marten Lange-Siebenthaler vom Nabu dem rbb. "Wir haben einen Antrag auf Berufungszulassung gestellt und wollen vor dem Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen."
Dass der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner unterdessen eine Wasserrationierung für Privatpersonen verfügt hat, sei ein Vorgeschmack auf künftige Verteilungskämpfe, sagt Katharina Huth von "Correctiv Lokal". "Das, was für viele Menschen bisher Alltag war, also Hahn auf – Wasser marsch! – das wird sich zunehmend verändern."
Sendung: rbb24, 22.06.2022, 16 Uhr
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