339 Gerichtsverfahren in 20 Jahren - Verteilungskämpfe um das Wasser nehmen zu

Mi 22.06.22 | 10:14 Uhr
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Symbolbild: Ausgetrocknet ist ein Teilabschnitt des Flusses Schwarze Elster in Südbrandenburg. (Quelle: dpa/P. Pleul)
Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 22.06.2022 | Fred Pilarski | Bild: dpa/P. Pleul

Wasser wird knapper. Das führt zu Verteilungskämpfen. Bundesweit landen mehr Fälle vor Gericht, so eine Auswertung von "Correctiv Lokal" in Kooperation mit dem rbb-Studio Frankfurt. In Brandenburg stechen zwei Verfahren hervor.

Ist die sichere Trinkwasserversorgung von Frankfurt (Oder) in Gefahr? Ja, sagt der Wasserversorger der Stadt, die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft (FWA). Frankfurt gewinnt sein Trinkwasser in Briesen aus Grundwasser und reichert es mit Uferfiltrat der Spree an. Schon jetzt sei die Sulfatbelastung – eine Folge des Bergbaus - nahe dem Grenzwert.

Bald jedoch soll das Spreewasser bei Cottbus durch den Ostsee geleitet werden, die stillgelegte Grube des ehemaligen Tagebaus Cottbus-Nord. Dann würde der Sulfatanteil noch weiter steigen, sagt der Wasserversorger.

Gegen die entsprechende Genehmigung des Landesbergbauamts klagt die Stadt Frankfurt seit 2019. Aktuell sei der Fall beim Europäischen Gerichtshof anhängig, sagte FWA-Sprecherin Anne Silchmüller dem rbb.

Die meisten Streitfälle landen nicht vor Gericht

Dass ein Wasserstreit innerhalb eines Bundeslandes bis auf die Europäische Ebene eskaliert wird, "das ist schon außergewöhnlich", sagt Katharina Huth vom Recherchenetzwerk "Correctiv Lokal". "Die meisten Streitfälle ums Wasser erreichen die Gerichte gar nicht erst."

Katharina Huth hat mit ihrem Team recherchiert, wie oft in den vergangenen Jahren vor deutschen Gerichten um Grundwasser gestritten wurde. 339 Fälle haben Huth und ihre Kollegen von aus den vergangenen 20 Jahren ausgemacht. "In 11 von 16 Bundesländern haben die Verfahren um die Grundwassernutzung zugenommen", stellt Katharina Huth fest.

So wurden von 2002 bis 2011 in Brandenburg sieben Mal Gerichtsurteile um das Grundwasser gefällt. 2012 bis 2021 waren es bereits zehn Fälle. In anderen Bundesländern, zum Beispiel in Bayern, sind die Zahlen noch stärker gestiegen.

Streitfall Fördermenge

Am meisten gestritten wird um Wasserfördermengen. Der Streit um die Wasserversorgung im Umfeld der Tesla-Elektroautofabrik in Grünheide sei exemplarisch für die Wasserkonflikte, die in ganz Deutschland toben: "Es geht um die ganz grundsätzliche Frage: Wer hat denn eigentlich Vorrang? Wer hat als Erstes Recht auf Wasser? Und wer nicht, wenn es knapp wird?", unterstreicht Katharina Huth. Diese Fragen seien kaum geregelt und würden deshalb zunehmend vor den Gerichten landen.

Umweltverbände gehen in Berufung

In dem genannten Fall aus dem Tesla-Umfeld hatten zwei Umweltverbände gegen eine Erlaubnis des Landesumweltamts geklagt, in Eggersdorf bei Strausberg mehr Wasser zu fördern. Das Gericht hatte der Klage im März stattgegeben, allerdings nur aus formalen Gründen: mangelnder Öffentlichkeitsbeteiligung. Ansonsten sei die Erlaubnis nicht zu beanstanden. Mit dem Teilerfolg geben sich Grüne Liga und Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nicht zufrieden. "Unsere inhaltlichen Einwände sind nicht hinreichend berücksichtigt worden", sagt Marten Lange-Siebenthaler vom Nabu dem rbb. "Wir haben einen Antrag auf Berufungszulassung gestellt und wollen vor dem Oberverwaltungsgericht in Berufung gehen."

Dass der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner unterdessen eine Wasserrationierung für Privatpersonen verfügt hat, sei ein Vorgeschmack auf künftige Verteilungskämpfe, sagt Katharina Huth von "Correctiv Lokal". "Das, was für viele Menschen bisher Alltag war, also Hahn auf – Wasser marsch! – das wird sich zunehmend verändern."

Sendung: rbb24, 22.06.2022, 16 Uhr

Die Recherche

Diese Recherche ist Teil einer Kooperation rbb Regionalstudio Frankfurt (Oder) und "Correctiv Lokal". Das Netzwerk (Eigenschreibweise: "CORRECTIV.Lokal" recherchiert zu verschiedenen Themen, darunter in einem Schwerpunkt langfristig über die Klimakrise. Weitere Infos unter correctiv.org/klima

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33 Kommentare

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  1. 33.

    Jaja, die Tomaten. Die wachsen allerdings auf Sträuchern, Das flächendeckend in vielen Gärten zu findende grüne Vegetation nennt sich Rasen. Darf ich mich auf Sie berufen, wenn milliardenschwere Konzerne wie die LEAG ) > 30 Mio. m³/a Wasser verdampfen die allein in Jänschwalde) oder die PCK (20 Mio ³/a) ihre Anlagen weiter betreiben wollen? Was viele dabei auch nicht wissen: Musk ist zwar der größte Aktionär von Tesla, rd. 85 % der Aktien sind aber breit gestreut.

  2. 32.

    Glauben Sie wirklich das Grundwasser im unendlichen Mengen zur Verfpgung steht? Lesen Sie noch mal den ersten Teil des Artikels im Zusammenhang mit FFO. Ihrer Ansicht nach stellt der WSE also vollkommen willkürlich und unbegründet Rationierungen aus. Und bei Ihnen sinken auch die Grundwasserstände nicht, obwohl der RBB schon mehrmals darüber berichtet hat, bei Ihnen kommt das Wasser aus dem Hahn und der Strom aus der Steckdose? Ach nein Sie sind ja Hydrologe, siehe #21?????

  3. 31.

    Schauen Sie sich mal die Zahlen an, die endlich auch Herr Klink gefunden hat. Rechnet man noch Berlin mit hinzu landet man bei rd.1.000 Mio m³/a. Die deutlich unter 2 Mio. m³/a, die Tesla zugeteilt worden sind, gehen im statistischen Rauschen unter und sind für viele einfach nur Mittel zum Zweck. Bei genauerem Hinsehen kann man aber schnell den bekannten Scheinriesen entlarven, um den immer wieder viel Getöse gemacht wird. Dabei haben ja auch Sie erfolgreich verdrängt, dass der WSE schon vor Tesla Nutzungseinschränkungen zur Diskussion gestellt hatte.

  4. 30.

    Warum muss man eigentlich für Garten, Toilette etc. wertvolles Trinkwasser nutzen? Hier sollte man auf Grauwasser zurückgreifen. Gerade auch im weltweiten Vergleich sollten wir unser Nutzungsverhalten überdenken und bei Neubauten verpflichtend 2 Wasserkreisläufe einrichten. Dann kämen wir mit deutlich weniger Trinkwasser aus.

  5. 29.

    Liebe Grüne, Gärtner in einer Kleingartenanlage sind auch Naturschützer vor Ort.
    Wir haben gelernt mit wenig Wasser und wenig Dünger die verschiedensten Blumen, Obst und Gemüsesorten zum blühen zu bringen und als ein gesundes Essen auf den Tisch zu bringen.
    Wer wenn nicht wir sorgt in der Anlage für ein gesundes Mikroklima in dem eine große Artenvielfalt an Insekten und Vögel?
    Was nützen all die gefluteten Tagebaue wenn ringsherum Dürre herrscht? Wenn das mit diesen Wassersanktionen so weitergeht überlege ich auch ob ich nach Jahren meinen Garten aufgebe weil, zu teuer.

  6. 28.

    Das LfU hat dem WSE ein Vielfaches dessen erlaubt was Tesla benötigt. Nur können auch Sie ja mal hinterfragen, warum die mit so viel mehr Wasser doch nicht auszukommen glauben und deshalb von sich aus "Rationierungsbescheide" verschicken und wer daran arbeitet, sich abzuschaffen.

  7. 27.

    Ja, Ihr geliebtes Kind Tesla das wassersparendste Unternehmen weltweit. In einem halben Jahr werden Sie uns hier überzeugen, dass Tesla sogar Wasser ins Netz einspeist? Sind Sie bei Tesla als Pressesprecher angestellt? Die Ressource Wasser ist begrenzt und die Politik sollte langsam die Weichen stellen um dem gerecht zu werden. Und so können in einem Land mit schwindenden Wasserressourcen auch die Ansiedlung von Großindustrie geprüft und überdacht werden. Und damit meine ich nicht nur Tesla.

  8. 26.

    Bei uns im Havelland zum Bsp. gibt es keine Tesla-Ansiedlung- das Wasser ist aber trotzdem knapp. Im Havelland, gibt es große Flächen an Monokulturen aller Art- aber kein Tesla, BASF, PCK, oder ähnliches. Also müssen meiner Überlegung nach, die Ursachen nicht bei Tesla liegen. Tesla hat einen Flächenverbrauch von 300 oder 400 Hektar- Monokulturen in Brandenburg trocknen Tausende Hektar aus. Die Ursachen für Wasserknappheit sind daher vielfältiger : Agrarindustrie,Tierproduktion,Holzindustrie,Bergbau,Golfplätze,Baumschulen,grüner Rasen,Industrie,Privatverbraucher,Austrocknung von Feuchtwiesen und Feuchtgebiete, usw.

  9. 25.

    Das "Vogel-Niedrigwasser-Ministerium" hat es mittels "Verteil-Traumjob" geschafft: Man ordnet die Wasserverbände an, die Versorgung sicher zu stellen und gleichzeitig unliebsame Rationierungsbescheide rauszuschicken. Dafür braucht man kein Ministerium. Wenn die die Voraussetzungen nicht schaffen können, und die machen es schlicht nicht, dann schafft man sich selber ab. Wenn man seine "Hausaufgaben" über Jahre nicht macht, dann erkennen die kundigen Bürger schnell, dass der Klimawandel für das Ministerium eine willkommene Ausrede darstellt.

  10. 24.

    Ich würde zuerst Tesla und Co. den Hahn zudrehen. Warum wollen Sie die kleinen Privatverbraucher bestrafen? Bei Wassermangel Produktionsstopp! Was meinen Sie, wie schnell die Wirtschaft effektivere Wassernutzung betreiben würde. Mit den derzeitigen Sonderpreisen verprassen Milliardäre unser wertvolles Allgemeingut Wasser und der Gemüsegärtner soll seine Tomaten im Garten vertrocknen lassen. Sie reden Leuten das Wort, denen Sie egal sind und die unser Wasser missbrauchen, um ihre Gewinne auszubauen. Wie kann man das gut finden?

  11. 23.

    Ich wünsche den Umweltschützern viel Erfolg bei der Verteidigung eines Allgemeingutes für die Menschen und gegen eine Vorzugsbehandlung von Milliardären. Es ist unser Wasser, ein Stoff, den jegliches Leben braucht, und nicht nur Herr Musk zur eigenen Reichtumsförderung.

  12. 22.

    Es ist immer wieder schön, dass die Berliner Erdenbürger meinen der Brandenburger Bevölkerung irgendwelche Verhaltensregeln diktieren wollen. Berlin sollte lieber vor der eigenen Tür kehren, siehe Ableitung des Regenwassers, und wenn dort die Hausaufgaben gemacht sind (z.Bsp. fehlende EE, WKA)usw. , dann und nur dann sollten die Berliner über andere belehrend herziehen. Berlin lebt schon lange über seine Verhältnisse, das wollt ihr nur nicht wahr haben.

  13. 21.

    Jeder, der sich nur oberflächlich mot Hydrologie befasst hat, weiß, dass sich hinter den Großverbrauchern Firmen wie die Leag oder die PCK mit eigener Wasserversorgung stehen, aber auch Landwirte oder Golfplätze, die ihr Wasser nicht aus dem öffentlichen Netz beziehen.

    Angesichts der hier auch von Ihnen angegebenen Zahlen fällt der geringe Verbrauch von Tesla jedem sofort ins Auge.

  14. 19.

    Ja ganz genau ! Im Havelland haben wir auch noch sehr große Baumschulen, die viel Wasser ziehen und wo die Pflanzen dann, in den Export gehen. Weiterhin riesige Monokulturen, ohne Windschutzhecken ohne Wald. Golfplätze ist auch so ein Problem - Grüner und überdüngter toter Rasen sowieso, Pools haben wir weniger, die Havel ist bei den Meisten, vor dem Grundstück. Und nicht zu vergessen, die Schleusen in Spandau und in Brandenburg an der Havel- man weiß nie, wohin das Wasser abgeleitet wird- in Elbe oder in die Spree. Die Kommunen sollten beim Thema Wasser, einfach aufmerksam sein.

  15. 18.

    Liebes RBB24-Team:
    Ich bin ja ungern der Klugschei... vom Dienst. Aber sollte der erste Satz tatsächlich: "Wasser wird ein knapper.", heißen?

  16. 17.

    Inwieweit geht der Artikel darauf ein, dass der hohe Wasserbedarf verbunden mit Verbrauchsspitzen die Versorgung nicht beeinträchtig? Sich gegen exzessives Rasensprengen auszusprechen ist allerdings so unpopulär, dass die die nach dem Sommer 2019 von der WSE vorgeschlagenen Einschränkungen bei vielen (einschl. angeblich Einheimischer) schon wieder in Vergessenheit geraten sind. Stattdessen freut man sich weiterhin, dass alles schön grün ist und will auch an der Stelle so weitermachen wie bisher.

    In einer Demokratie entscheiden die gewählten Volksvertreter unter Beteiligung der Bürger über z.B. Bebauungspläne. Dass man es dabei nicht jedem recht machen kann, liegt in der Natur der Sache.

  17. 16.

    "Die Menschen nicht nur in Brandenburg müssen lernen, dass Wasser ein wertvolles, rares Gut ist."
    Dem stimme ich zu. Auch Beamte und Politiker sollten so viel Mensch sein und versuchen, das zu begreifen. Außerdem ist von ihnen zu erwarten, dass sie dafür sorgen, dass die begehrte, aber begrenzt zur Verfügung stehende Ressource Wasser gerecht verteilt wird. So standen 2016 (jüngere Zahlen stehen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung) der Bevölkerung von Brandenburg in Summe ca. 100 Mio. m3 Wasser zur Verfügung. Unbekannte Großverbraucher erhielten dagegen das 6-Fache, fast 600 Mio. m3. Über diese Nutzer wird ein Deckel des Schweigens gebreitet. Zum Sparen werden nur die vielen Kleinverbraucher angehalten. Notfalls wird ihnen das Wasser rationiert. Die großen Wasserverschwender dürfen weiter unkontrolliert ihr Unwesen treiben. Die Politiker haben keine Skrupel durch Ansiedlung von Großverbrauchern (s. Tesla) die Wassersituation im Land Brandenburg zu verschärfen.

  18. 15.

    Sofort als Erstes das oder die Projekte Flutung von ehemaligen Tagebauen auf ad acta legen und über Alternativen zur Nutzung von ehemaligen Tagebauen reden u. handeln.
    II. Die Industrie muss mehr als nur Centbeträge für dass von ihr verbrauchte Wasser bezahlen.
    Wie kann es sein das z.B. die Kohleindustrie, die das hundertfache an Wasser verbraucht, dieses in Centbeträge bezahlt und wir dafür viele Euro zahlen?

  19. 14.

    "Erstmalig kann eine landesweite Betrachtung des natürlichen und verfügbaren Grundwasserdargebots für das Land Bran#denburg präsentiert werden."
    So steht es in der vom LfU erstellten und der vom MLUK veröffentlichten "Wasserversorgungsplanung Brandenburg" vom März 2022. Diese Aussage muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. "Erstmalig"? Damit gibt die Behörde zu, dass 32 Jahre lang auf der Wasserstrecke Misswirtschaft betrieben wurde. So ließ man das aus DDR-Zeiten stammende, Grundwassermessstellennetz verkommen. Auf Grund mangelnder Wartung ist dessen Funktion nicht mehr gegeben. Viele Grundwassermessstellen stellen inzwischen Altlassen dar.
    Auch der Rest des oben zitierten LfU-Satzes ist falsch, denn die Behörde beruft sich auf völlig überalterte Messdaten von 2016 und älter. Tiefere Grundwasserstockwerke lässt man einfach außer Betracht, was aus fachlicher Sicht verwerflich, da dort ebenfalls regional reichlich Wasser gefördert wird.

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